18.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 3

Benjamin StrasserFDP - Vereinbarte Debatte zum Thema Sterbehilfe

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil aus dem Februar 2020 für Klarheit gesorgt. Klar ist, dass eine jahrelange Debatte um das Ob des assistierten Suizids beendet ist. Wir diskutieren jetzt über das Wie.

Klar ist auch, dass das Urteil einen regelungslosen Zustand hinterlassen hat, mit dem viele – abgesehen von manchen Sterbehilfevereinen – unzufrieden sind. Und ja, das ist eine schwierige Aufgabe für uns als Gesetzgeber, die sich sicher keiner leicht macht. Für mich ist aber auch klar: Nichtstun kann keine Option sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat aber auch den Rahmen des Diskurses verschoben. Im Kern steht jetzt die Frage: Wie sichern wir tatsächlich Selbstbestimmung für alle Menschen in allen Lebenslagen? – Es geht eben nicht mehr nur um schwerstkranke Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. Es geht auch um Menschen mit einer Suchterkrankung, mit psychischen Erkrankungen. Es geht um Menschen mit Behinderungen. Es geht um Menschen, die in Armut leben. Und ja, es geht auch um Menschen, die pflegebedürftig werden und die sich die Frage stellen: Investiere ich mein Geld oder Teile meines Geldes in einen Pflegeplatz, oder gebe ich es meinen Kindern und Enkelkindern?

Gerade dieses Beispiel ist nicht konstruiert, sondern die Ängste, die Befürchtungen sind messbar. So wollen laut einer Studie mit dem Titel „55plus – Pflege im Alter“ 74 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Pflegefall ihren Kindern nicht zur Last fallen. Die Gespräche, die wir in den letzten zwei Jahren mit Ärztinnen und Ärzten, mit Sterbebegleiterinnen und ‑begleitern geführt haben, decken sich mit dieser Studienlage.

Insofern müssen wir auch anerkennen, dass nicht jeder Sterbewunsch ein Suizidwunsch ist. Die Äußerung von Betroffenen „Ich will nicht mehr leben“ ist, wenn man sich mit diesem Wunsch auseinandersetzt und mit ihnen spricht, oftmals eben eigentlich als „Ich will so nicht mehr leben“ gemeint.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir Selbstbestimmung ernst nehmen, dann müssen wir diese schwierige Entscheidung absichern. Wir müssen sie absichern durch eine umfassende Beratung über die Alternativen des assistierten Suizids. Wir müssen sie dadurch absichern, dass die Alternativen zum Suizid auch zeitnah verfügbar sind. Und ja, wir müssen sie auch dadurch absichern, dass eine unzulässige Beeinflussung durch Dritte in dieser heiklen Phase bestmöglich ausgeschlossen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu hat uns das Bundesverfassungsgericht den Weg der generalpräventiven Wirkung des Strafrechts weiterhin offengelassen. Es geht hier nicht um Bevormundung, es geht nicht um Kriminalisierung, sondern es geht darum, dass das Schutzkonzept über die Selbstbestimmung nicht nur im Bundesgesetzblatt steht, sondern in der Praxis tatsächlich gelebt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Martin Sichert aus der AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536426
Wahlperiode 20
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Thema Sterbehilfe
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