Thomas RachelCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zum Thema Sterbehilfe
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen werden älter; das ist eine gute Nachricht. Aber zugleich wächst bei vielen von ihnen die Angst, dass sie im Alter oder bei Krankheit allein sind oder leiden. Viele von ihnen wollen niemandem zur Last fallen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht die erste Debatte, die wir zur Frage der Sterbehilfe führen; und das ist gut so. Denn es lenkt unseren Blick auf den Menschen, und zwar gerade auf den Menschen in seiner Verletzlichkeit, vielleicht sogar in seiner vermeintlichen Ausweglosigkeit. Das macht mich zuallererst und vor allem demütig. Daher steht im Zentrum unserer Bemühungen der schwerstleidende Mensch selbst.
Suizidales Handeln ist aus Sicht des christlichen Menschenbildes immer zutiefst zu bedauern und tragisch. Aus guten ethischen Gründen haben wir uns 2014 zusammen mit den beiden großen christlichen Kirchen gegen die organisierte und geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid ausgesprochen. Der Suizid ist ein ethisch wie auch politisch letztlich nicht vollständig regulierbarer Grenzfall menschlicher Existenz.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber allerdings aufgefordert, eine gesetzliche Neuregelung für den assistierten Suizid zu schaffen. Die Sorgen vieler nehme ich sehr ernst, denen dieses Urteil zu weit geht, besonders hinsichtlich der schrankenlosen Möglichkeit zum assistierten Suizid auch in Fällen ohne schwere oder lebensbedrohliche Krankheitslage. Dennoch: Wir müssen die Grundvorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachten. Dabei gibt es Ermessensspielräume, die wir als wertegebundener Gesetzgeber ausfüllen sollten.
Es darf gesellschaftlich nicht zur Normalität werden, sich das Leben zu nehmen oder anderen dabei zu helfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD)
Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir bei der anstehenden Gesetzgebung zwingend berücksichtigen müssen. Es muss sichergestellt werden, dass Menschen nicht unter einen zusätzlichen Druck geraten. Jede Form der Kommerzialisierung der Suizidbeihilfe muss ausgeschlossen werden – genauso wie jede Werbung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD und des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD])
Sehr geehrte Damen und Herren, ein ermutigendes Zeichen im Sinne der Ökumene ist die gemeinsame Stellungnahme der katholischen Bischöfe und evangelischen Leitenden Geistlichen in Niedersachsen und Bremen zur Suizidbeihilfe. Sie erinnert daran, dass „gesetzliche Regelungen für einen angemessenen Umgang mit konkreten Grenzsituationen zwischen Leben und Tod letztlich nicht ausreichen“, sondern „jeder Einzelfall … multiperspektivisch betrachtet werden“ muss. Die Unterstützung eines Suizids ist und bleibt eine Gewissensentscheidung in einer Grenz- und in einer Notsituation. Insofern kann auch weder eine Person noch eine Institution zur Suizidbeihilfe verpflichtet werden. Ob Beihilfe zum Suizid in Grenz- und Notsituationen in kirchlichen Häusern geduldet werden solle, sei nicht pauschal zu beantworten, sondern müsse im Einzelfall geklärt werden, schreiben zum Beispiel die christlichen Kirchen in Niedersachsen. Neben der Selbstbestimmung des Suizidwilligen müsse auch die Verantwortung für die Angehörigen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen mit bedacht werden. Diesen Einzelabwägungen wollen und sollten wir ebenfalls ausreichend Raum geben.
Unser ganzes Bemühen sollte sich aber vornehmlich auf das eigentliche Ziel konzentrieren, nämlich Leiden und Schmerzen nach Menschenmöglichkeit zu mindern, persönliche Fürsorge, Seelsorge und Begleitung zu leisten und die beste palliativmedizinische und hospizliche Versorgung für alle sicherzustellen. Daher brauchen wir als Erstes ein Gesetz zum massiven Ausbau von niedrigschwelligen Angeboten zur Suizidprävention.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Wir brauchen fachlich kompetente und menschlich zugewandte Hospizarbeit und Palliativversorgung für schwerkranke Patientinnen und Patienten. Entscheidend ist es, ein menschenwürdiges Leben auch in der letzten Lebensphase sicherzustellen. Denn wir möchten erreichen, dass ein Mensch nicht durch die Hand eines anderen, sondern an der Hand eines anderen verstirbt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Heike Baehrens [SPD])
Vielen Dank, Herr Kollege Rachel. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Dr. Till Steffen, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536430 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum Thema Sterbehilfe |