18.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 4

Carsten Schneider - Zukunftszentrum Europäische Transformation und Deutsche Einheit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren an den Bildschirmen! Liebe Kollegin Magwas, vielen Dank für Ihre Rede – er gilt auch den Kolleginnen und Kollegen, die noch folgen oder bereits gesprochen haben – und auch für die Unterstützung des Zentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation. Es ist – wie bereits ausgeführt wurde – ein Auftrag aus der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“, die vor drei Jahren eingesetzt wurde. Leider haben bisher insbesondere die Begegnungen zwischen Menschen aus Ost und West, Nord und Süd, aber auch aus Groß- und Kleinstädten oder auch die Begegnungen von Leuten, die vor 1990 geboren wurden oder die nach 1990 geboren wurden, maximal an der Bildschirmkachel stattfinden können.

Das ist bedauerlich, weil es Zeit gewesen wäre, nach diesen aufregenden, spannenden, umwälzenden 30 Jahren einmal kurz innezuhalten und sich zu fragen, was es mit unserer Gesellschaft gemacht hat, ob wir eng beieinander sind oder ob wir uns vielleicht mental auseinanderbewegen oder ‑bewegt haben oder ob zwischen Stadt und Land die Unterschiede eigentlich viel größer sind, als sie zwischen Ost und West sind. Das alles sind spannende Fragen, die in diesem Zukunftszentrum besprochen werden sollen, wie auch die Frage der Transformation – das klingt sehr technisch –, also die komplette Umwälzung einer Gesellschaft von der totalen Sicherheit im Sinne von „Dein Arbeitsplatz ist sicher, dein Leben wird gesteuert“ zu „Du kannst alles selbst in die Hand nehmen und bist frei“. Diese Freiheit ist für viele in Erfüllung gegangen. Für mich, der ich zur Wende 14 Jahre alt war, und für meine Familie kann ich das sagen. Ich kenne aber auch andere, bei denen das nicht der Fall war.

Was wir vor allem mit diesem Zentrum machen wollen, ist, wieder Interesse füreinander zu wecken, also für die unterschiedlichen Begegnungen zwischen Ost und West. Ich kann nur sagen: In meiner Zeit in Erfurt hatten wir den ersten Austausch mit einem katholischen Mädchengymnasium in Limburg. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, als wir dort als 14-jährige Plattenbaukinder aufschlugen. Es war ein Kulturschock, der da stattgefunden hat, aber es war ein spannender und ein interessanter. So viel kann ich verraten, und meine Freunde von damals wissen noch genau, was ich meine.

Solche Begegnungen haben allerdings weniger in den letzten Jahren stattgefunden, um ehrlich zu sein. Ich finde, dass diese Begegnungen nicht nur notwendig sind, sondern dass es eine Gesellschaft auch ausmacht, zu reflektieren und neugierig zu bleiben.

Wir starten diesen Standortwettbewerb so, wie Sie ihn mit uns beauftragt haben – vielen Dank für diese Unterstützung. Wir starten ihn ergebnisoffen und auch ortschaftsoffen, um das ganz klar zu sagen. Wir legen die Kriterien an, die die Einheitskommission und auch die letzte Bundesregierung in ihrem Beschluss im Juni gefasst haben und die Sie auch im Antrag wiederfinden. Ich möchte Sie auch herzlich dazu einladen, dass wir diese Entscheidung durch eine Konsultation mit den Fraktionen in einer Jury treffen. In dieser Jury möchte ich – das will ich klar sagen – gar kein Stimmrecht haben, weil ich nicht möchte, dass es so aussieht, als sei das Ergebnis vorgegeben. Es ist offen, und ich bin wirklich sehr begeistert, wie viele Städte in Ostdeutschland Interesse daran zeigen, dass es diesen bundespolitischen Leuchtturm geben soll. Ich hatte Gelegenheit, mir das bei Frau Kollegin Magwas in Plauen anzugucken; es gab aber auch Einladungen aus Jena, aus Frankfurt/Oder, denen ich – wie auch die Kommission – nachkomme.

Der zweite Punkt, den ich noch ansprechen will: Es geht nicht darum, dass wir eine „Nabelschau Ost und West“ machen, sondern darum, dass wir den europäischen Blick weiten. Deswegen habe ich meine erste Dienstreise ins Ausland in meiner Funktion als Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland auch ganz bewusst nach Prag gemacht. Ich kann Ihnen berichten, dass die tschechische Regierung klar gesagt hat, dass sie sich an diesem Projekt beteiligen, sich mit einbringen will. Ich werde mit ihrer Unterstützung im Juni nach Polen reisen, um auch dort dafür zu werben, dass wir die mittel- und osteuropäischen Länder als Bestandteil der neuen Europäischen Union, aber eben auch als früherer Bestandteil der anderen Seite des Eisernen Vorhangs sehen. Wir Ostdeutsche sind sehr froh und dankbar für die Solidarnosc-Bewegung in Polen, aber auch für die Unterstützung aus Ungarn oder durch die Prager Botschaft. Wir sind dankbar, dass dort die Bewegungen hin zur Freiheit stattfanden, die uns die Möglichkeit gegeben haben, die Mauer einzureißen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zu oft habe ich – das will ich selbstkritisch sagen – den politischen Blick nach Westen gerichtet – damit meine ich nicht Koblenz, sondern Paris, London, Washington – und zu wenig und zu selten nach Vilnius, Bukarest oder Prag. Ich finde, dass dieser Blick uns als Bundesrepublik Deutschland guttut, und ich lade Sie herzlich dazu ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Yvonne Magwas [CDU/CSU])

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Marc Jongen, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536446
Wahlperiode 20
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Zukunftszentrum Europäische Transformation und Deutsche Einheit
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