Friedhelm BoginskiFDP - Zukunftszentrum Europäische Transformation und Deutsche Einheit
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir nach mehr als 30 Jahren über die deutsche Einheit sprechen, klingt das manchmal so, als ob die Wiedervereinigung nach einem bestimmten Zeitraum erreicht wäre oder erreicht sein muss. Aber dem ist nicht so, sondern die Einheit ist das Ziel eines Prozesses, der in der Friedlichen Revolution durch Millionen Menschen im Ostteil der Republik begonnen wurde und am 3. Oktober 1990 ein Zwischenziel erreichte: die staatliche Einheit.
Das war ein Tag der Emotionen, ein Tag der Freude, der Überwindung der SED-Diktatur mit seinem Unterdrückungsapparat, aber es war auch ein Tag der vielen, vielen individuellen Hoffnungen und Wünsche für eine bessere Zukunft. Und dann prallten die Menschen mit ihren Wünschen unvorbereitet auf die wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft.
Als ehemaliger Bürgermeister der brandenburgischen Kreisstadt Eberswalde habe ich die Auswirkungen der Einheit selbst erlebt: eine Stadt, die rund 15 000 Arbeitsplätze und große Betriebe verloren hat, eine Stadt, die von 53 000 Einwohner auf 38 000 schrumpfte, weil gut ausgebildete junge Frauen – junge Menschen insgesamt – die Stadt verließen, eine Stadt, die zeitweise in Perspektivlosigkeit abrutschte und rechtsextremistische Gewalttaten zu beklagen hatte. Die Menschen im östlichen Teil der Republik mussten sich den schmerzhaften Entwicklungen und Umbrüchen stellen. Eberswalde hat auf Bildung, Kultur, Zivilgesellschaft und jeden einzelnen Menschen gesetzt, der sich weiterentwickeln wollte und konnte.
Bildung, Kultur und Zivilgesellschaft: Das ist das Grundkonzept, wenn wir heute über das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation sprechen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Schaffung dieses Zentrums ist Ausdruck des Willens, die gesellschaftlichen Entwicklungen vor, während und nach den Systemumbrüchen besser zu verstehen und praxisorientierte Lehren daraus zu ziehen.
Was können wir gemeinsam in Deutschland besser machen, während wir gleichzeitig darauf achten, wie es unseren mittelosteuropäischen Nachbarn in der Transformation ergangen ist und wie wir mit gegenseitigem Verständnis die europäische freiheitliche, demokratische Zukunft gestalten können? Ein Schlüssel dabei ist die Anerkennung und Wertschätzung jedes einzelnen Menschen und seiner Biografie, aber auch das Vertrauen darauf, mit Bildung, Kultur, einer starken Zivilgesellschaft und den Erfahrungen der Vergangenheit die Zukunft erfolgreich zu gestalten.
Und jetzt der letzte Satz: Mit dem Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation schaffen wir hierfür die Grundlage.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Boginski. – Damit schließe ich die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536452 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 36 |
Tagesordnungspunkt | Zukunftszentrum Europäische Transformation und Deutsche Einheit |