19.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 8

Jörg NürnbergerSPD - Regierungserklärung zum Außerordentlichen Europäischen Rat am 30./31. Mai 2022

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Themen, die vom Außerordentlichen Europäischen Rat Ende Mai in Brüssel behandelt werden, stehen alle im Zusammenhang mit dem verbrecherischen Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Es wird daher bei diesem Rat ganz vorrangig um die Fragen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gehen. Wir vertreten als SPD-Fraktion einen umfassenden Sicherheitsbegriff, der ganz verschiedene Aspekte von Sicherheit beinhaltet.

Ich möchte mich hier in meiner Rede, da ich Mitglied im Europa- und im Verteidigungsausschuss bin, auf den Bereich „klassische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ konzentrieren. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die entsprechenden und entscheidenden Maximen des Regierungshandelns in dieser Zeit des Krieges in Europa bereits beschrieben. Das wichtigste Prinzip ist: Wir stehen an der Seite der Ukraine und unterstützen sie mit all unseren Kräften. Gleichzeitig gilt dabei: Deutschland und die NATO dürfen nicht zur Kriegspartei werden. Wir stimmen unser Handeln stets mit unseren Partnern ab. Die deutsche Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit darf nicht eingeschränkt werden.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Daran kann man Zweifel haben!)

Und das letzte und wichtigste Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die gegenseitige Abstimmung mit unseren Partnern in Europa und der westlichen Welt ist dabei besonders wichtig. Bereits seit der deutschen Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 haben die EU-Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik verstärkt. Mit dem Beschluss des Strategischen Kompasses im März haben wir nun eine neue Grundlage für die sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit auf der Ebene der EU geschaffen. Der Kompass ist eine Grundlage für schnellere Reaktionsmöglichkeiten der EU in Krisenzeiten, um somit unsere europäischen Bürgerinnen und Bürger noch besser schützen zu können. Die Aufstellung einer entsprechenden europäischen Eingreiftruppe gehört dazu. Wir werden diesen Kompass für Sicherheit auch künftig stets nachjustieren, wenn es notwendig sein wird.

Gleichzeitig – das kann nicht oft genug gesagt werden – geht es in der EU nicht um den Aufbau von Doppelstrukturen, sondern immer nur um eine Ergänzung der Zusammenarbeit mit unseren NATO-Partnern. Die beabsichtigte Aufnahme der EU-Mitgliedstaaten Finnland und Schweden in die NATO wird hier nochmals eine Verbesserung der Sicherheitslage für alle Europäerinnen und Europäer mit sich bringen. Der türkische Präsident sollte seine ablehnende Position überdenken, da diese Erweiterung zwar nicht die Südflanke betrifft, aber eben insgesamt die NATO stärkt, wovon auch die Türkei profitieren wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Bedeutung einer starken europäischen Verteidigung ist mir an diesem Wochenende wieder ganz konkret bewusst geworden. Am Sonntag war ich als einziger Abgeordneter aus dem Bundestag Gast bei einer Gefechtsübung auf dem Truppenübungsplatz Bergen, wo 7 500 Männer und Frauen aus neun Nationen für den Ernstfall üben, der hoffentlich nie eintreten wird. Das zeigt die Stärke unseres Bündnisses. Wir sind in der Lage, neun Nationen zusammenzuführen und ein Team zu bilden, eine gemeinsame Verteidigung. Uns verbinden die Werte und die Absicht, die Freiheit unserer liberalen Demokratien gegen alle Autokraten dieser Welt zu verteidigen. Wir stehen zusammen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dieser Eindruck hat sich auch in Litauen verstärkt, wo ich den deutschen Anteil der Enhanced Forward Presence Battlegroup Litauen besucht habe. Genau hier, an der NATO-Ostflanke, sind die Ängste und Sorgen durch den russischen Angriff auf die Ukraine besonders groß. Meine Schwiegereltern zum Beispiel haben den Einmarsch der sowjetischen Truppen nach Tschechien live miterlebt, und selbst meine Frau, die Jahrgang 1971 ist, konnte immer noch die Schäden beobachten, die dieser Einmarsch hinterlassen hat, und zwar nicht nur an den Gebäuden in Liberec, sondern auch bei den Einstellungen der Bevölkerung und dem Verhältnis gegenüber der Sowjetunion und jetzt Russland.

Ein letzter Eindruck aus Tschechien, aus Žatec – der deutsche Name ist Saaz –, der Ort, wo der Hopfen herkommt, den ich am 3. und 4. Mai besucht habe. Hier sind diejenigen tschechischen Truppen stationiert, die einerseits sehr eng mit der 10. Panzerdivision in Nordbayern zusammenarbeiten und die sich andererseits aktuell auch auf ihren Einsatz in der Slowakei vorbereiten. Dort werden erneut deutsche und tschechische Soldatinnen und Soldaten zusammenarbeiten, um Russland von einer Aggression auf NATO- und EU-Gebiet abzuschrecken.

Warum erzähle ich das alles? Ich erzähle das deshalb, weil diese Zusammenarbeit der entscheidende Faktor ist, um die europäische Sicherheit voranzubringen. Unsere Partner wünschen sich nämlich ein starkes europäisches Engagement in sicherheitspolitischen Fragen. Die Bundesregierung und Olaf Scholz setzen hier genau die richtigen Schwerpunkte. Eine Abgeordnete aus einem kleineren NATO- und EU-Staat hat es diese Woche so ausgedrückt: Früher haben wir uns vor einem starken Deutschland gefürchtet, heute wünschen wir uns ein stabiles und starkes Deutschland, das seiner Verantwortung in Europa gerecht wird.

Es ist eine Zeitenwende, wenn gerade Deutschland als Garant für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gesehen wird. Daher vertrauen auch unsere Partner in Europa darauf, dass wir unseren Beitrag zur militärischen Verteidigung leisten. Dazu gehört die Errichtung des 100‑Milliarden-Euro-Sondervermögens der Bundeswehr.

Ein Wort an die Opposition sei schon gestattet. Wenn man Sie im Plenum beobachtet, spürt man, wie zwei Herzen in Ihrer Brust schlagen. Man spürt, dass Sie einerseits doch ein gewisses Gefühl für staatspolitische Verantwortung haben, aber Sie auf der anderen Seite offensichtlich auch andere Motive treiben. Bitte geben Sie sich einen Ruck, und werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht!

Olaf Scholz und die Bundesregierung verfolgen nämlich genau dieses Ziel und zeigen durch ihre entschlossene und gleichzeitig besonnene Vorgehensweise in den vergangenen Wochen, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden. Dafür gebührt der gesamten Regierung und insbesondere Olaf Scholz unsere Anerkennung und unsere Unterstützung.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536517
Wahlperiode 20
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Außerordentlichen Europäischen Rat am 30./31. Mai 2022
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