19.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 9

Kaweh MansooriSPD - Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit sich die Union in der Opposition mit der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren befasst, zeigt sie eine erstaunliche Lernkurve. Ich will Sie dazu erst mal herzlich beglückwünschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind schon der Zweite!)

Das sage ich auch als Hesse. Dort haben Sie jahrelang vor der Verspargelung der Landschaft gewarnt und davor, dass Windräder höher sind als Kirchtürme. Verglichen damit sind das hier ganz neue Töne, die Sie an den Tag legen – herzlichen Glückwünsch dazu!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein paar gute Ideen machen aber noch kein schlüssiges Konzept; manches müssen Sie da auch noch in den eigenen Reihen klären. Es reicht ein Blick nach Bayern, um festzustellen, dass die Union nicht das Gaspedal zur Beschleunigung der Energiewende ist, sondern die Bremse, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Bayern hat die Hälfte Anteile an erneuerbaren Energien!)

In Bayern bleibt es nämlich beim Grundsatz, dass der Abstand zwischen Wohnbebauung und Windrad regelmäßig die zehnfache Höhe der Anlage betragen muss, und das sind häufig 2 Kilometer. Ich frage Sie: Wo sollen denn eigentlich die ganzen Windräder gebaut werden? Mit der restlosen Abschaffung der 10‑H-Regelung wäre für die Beschleunigung mehr getan als mit dem Antrag, den Sie hier heute vorgelegt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Bei uns sind die Grünen immer gegen die Windkraftanlagen vor Ort!)

In vielen Punkten folgen Sie jetzt der Koalition, an anderen Stellen liest man wirkungslose Vorschläge oder Gedanken, die häufig nicht zu Ende gedacht sind.

Zum Beispiel: Klagegründe, die zu einem frühen Zeitpunkt nicht vorgebracht worden sind, für das weitere Verfahren auszuschließen, ist in der Sache richtig, aber auch nichts Neues.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Das europarechtskonform zu gestalten, ist die eigentliche Herausforderung, der sich auch die Ampelkoalition angenommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Oder: Warum öffentlich-private Partnerschaften oder neue Auskunftsansprüche von Behörden zu schnelleren Genehmigungsentscheidungen führen sollen, das wissen Sie wahrscheinlich selbst auch nicht so genau.

Um die Modernisierung des Landes voranzubringen, wollen wir die Dauer bis zur Realisierung von Projekten halbieren. Dafür müssen wir jeden Stein umdrehen. Ich sage aber auch: Das, was wir tun, muss am Ende auch funktionieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie schlagen unter anderem vor, dass Klagen gegen den Ausbau der Leitungsnetze, der erneuerbaren Energien, der Wasserstoffinfrastruktur und wichtiger Verkehrsinfrastrukturprojekte keine aufschiebende Wirkung haben sollen. Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet, wenn Sie diese Ausnahme zur Regel machen? Ich kann es Ihnen sagen: Fakten schaffen auf Kosten der Rechtssicherheit. Haben die Klagen Erfolg, müssen Sie die Anlagen anschließend wieder zurückbauen. Das bringt kein Mehr an Tempo; das verwandelt unser Land in eine einzige Baustelle, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Immer mit Tesla beschäftigt!)

Wie Beschleunigung funktionieren kann – das Stichwort ist ja schon gefallen –, das zeigen wir bei Flüssiggas, aber auch bei vielen Neuerungen im Rahmen des Osterpakets, und da wollen wir im Laufe des Jahres weitermachen. Es gilt, die richtigen Schwerpunkte zu setzen, und drei davon will ich Ihnen nennen:

Erstens. Die Digitalisierung muss endlich in der Verwaltung ankommen. Es ist bittere Realität, dass sich in unseren Behörden die Aktenordner mit Planungs- und Genehmigungsverfahren stapeln. Es ist Realität, dass diese Papierakten jahrelang von Büro zu Büro gereicht werden. Diese Verfahren müssen schnellstmöglich digitalisiert werden. Der Kollege Kuhle hat es ja auch gesagt: Während der Pandemie haben wir gesehen, dass das funktionieren kann.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Das Planungssicherstellungsgesetz hat die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht. Dahinter dürfen wir nicht mehr zurück, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zweitens. Wir müssen das Verhältnis von Klima- und Artenschutz klären. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer glaubt, dass es der richtige Weg ist, Arten- und Klimaschutz im Planungsverfahren gegeneinander auszuspielen, der vergisst, dass die Bekämpfung der Erderwärmung der beste Schutz zur Rettung bedrohter Arten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Eine Vielzahl von umwelt- und artenrechtlichen Aspekten wird häufig im selben Verfahren mehrfach geprüft. Das ist in erster Linie eins, nämlich Zeitverschwendung – Verschwendung von Zeit, die wir nicht haben, wenn es um die Modernisierung unseres Landes geht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Drittens. Behörden und Gerichte brauchen Personal. Eines muss klar sein: Straffere Verfahren bringen nichts, wenn in den Behörden niemand ist, der diese Verfahren bearbeitet. Schnelle Genehmigungen bringen nichts, wenn in den Gerichten niemand ist, um sie zu überprüfen. Eine Personaloffensive ist überfällig. Sie muss kommen, und sie wird auch kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eines möchte ich den Autorinnen und Autoren des Antrags lassen: Die Analyse stimmt. Wir haben keine Zeit zu verlieren, wenn es um die Beschleunigung von Verfahren und damit in der Konsequenz um den Ausbau der erneuerbaren Energien, um den Schienenausbau und die Modernisierung unseres Landes geht. Genau deswegen berät dieses Parlament auch nicht irgendwann, sondern jetzt die Reformgesetze der Koalition, und die nächsten stehen schon in den Startlöchern.

Wir freuen uns, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, wenn Sie uns dabei unterstützen. Und wenn Sie dann auch noch beizeiten auf Ihre Kolleginnen und Kollegen in Bayern einwirken würden, dann wäre das ganz großartig.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Karsten Hilse für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536528
Wahlperiode 20
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
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