19.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 9

Thomas HeilmannCDU/CSU - Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Staat ist zu bürokratisch, zu langsam, zu starr und zu komplex organisiert. Das sagen wir nicht heute mit unserem Antrag; das hat die CDU/CSU-Fraktion vor zwei Jahren in dem Buch „Neustaat“, das mehr als 300 Seiten umfasst, festgestellt – nicht heute, Herr Ernst. Ich will Ihnen zur Historie kurz schildern: Wir haben in den letzten Legislaturperioden – Steffen Bilger hat darauf hingewiesen – durchaus kluge Einzelmaßnahmen verabschiedet, die zur Planungsbeschleunigung in Deutschland beigetragen haben; aber wir haben unser Ziel eindeutig nicht erreicht.

Unsere große Sorge ist, dass auch die Ampel ihre Ziele zur Planungsbeschleunigung nicht erreichen wird, trotz der Maßnahmen, die Sie beschrieben haben, die auch in Ihrem Koalitionsvertrag stehen und zu denen wir größtenteils Ja sagen. Ich will begründen, woran das liegt: Das Problem ist größer, als wir gedacht haben, und auch größer, als Sie es jetzt beschreiben. Wir haben eine Verkrustung und eine Problemkomplexität, mit der wir nur zurechtkommen werden, wenn die Maßnahmen gravierend genug sind.

Im Prinzip müssen wir über verschiedene Ebenen reden. Das eine sind die fachgesetzlichen Maßnahmen, zu denen ich jetzt angesichts der Zeit nichts sagen kann; aber wir werden natürlich beim Sommerpaket und an vielen anderen Stellen darüber reden. Da werden wir auch unsere weiteren Vorschläge einbringen. Dann haben wir das Personalproblem; Sie haben es ja kurz erwähnt. Natürlich wäre eine Einstellungsoffensive das Richtige. Ich darf Sie nur darauf hinweisen, dass wir vor einem demografischen Wandel stehen und ein Drittel des öffentlichen Dienstes uns in diesem Jahrzehnt verlassen wird. Und wenn Sie nicht sagen, woher Sie die Leute nehmen wollen, um einen Aufwuchs im öffentlichen Dienst hinzubekommen, dann ist das einfach unehrlich. Deswegen müssen wir Lösungen finden, und die Lösungen liegen ganz sicher in der Automatisierung von Verfahren.

Ich habe vorgestern an einer Sitzung des Landkreistages teilgenommen. Da waren 300 kommunale Vertreter, die im Kern alle gesagt haben: Ihr versteht überhaupt nicht, wo unsere Probleme liegen. – Da können Sie natürlich sagen: Das ist auch die Schuld der Vorgängerregierung. – Aber das nützt uns ja alles nichts. Wir haben das vor zwei Jahren erkannt und einen grundsätzlichen Neuanfang gefordert; das steht auch in unserem Wahlprogramm. Nun sind wir in der Rolle der Opposition, können das jetzt also nicht selber umsetzen. Aber wir helfen der Ampel gerne, unter anderem mit diesem Antrag, aber keineswegs nur mit diesem Antrag, um da gemeinsam als Demokratie weiterzukommen. Denn wenn wir da nicht weiterkommen, dann werden wir viele Ziele, nicht nur in der Klimapolitik, eindeutig verfehlen.

Ich würde zu einem Punkt gerne noch etwas sagen. „ Digitale Verfahren“ heißt nicht nur, dass wir Planungen digital offenlegen. Dafür sind wir auch; das haben wir ja selber mit dem PlanSiG beschlossen. Aber wenn sich der Bund nicht entschließt, die Standardisierung von Verfahren selber in die Hand zu nehmen – diese entscheidende Weichenstellung haben Sie im Koalitionsvertrag nicht vereinbart; ich habe die große Sorge, dass Sie das während dieser Legislaturperiode auch nicht mehr tun werden –, dann werden wir weiterhin einen Wildwuchs an digitalen Verfahren in Kommunen und Ländern, die gar nicht wissen, was sie beschaffen sollen, haben, mit der Folge, dass wir 40 000 Verfahren haben – wir haben alleine 328 verschiedene Verfahren, wie Einwohnermeldeämter in Deutschland ihre Daten sammeln und abspeichern – und dies nicht vernünftig konsolidiert bekommen oder nur mit sehr großem Aufwand.

Wenn wir diese Standardisierung also nicht zu einem Bundesthema machen und wenn wir nicht alles drei angehen, sprich: wenn wir erstens nicht für fachgesetzliche Verbesserungen sorgen – Sie schlagen welche vor, wir schlagen in unserem Antrag welche vor, und aus der Gesellschaft gibt es weitere –, wir zweitens die Themen „Personal“ und „Automatisierung von Verfahren“ nicht angehen und wir drittens das Thema „Standardisierung und Digitalisierung“ nicht so angehen, dass wir da ernsthafte Fortschritte machen, dann wird das, was Sie laut Koalitionsvertrag anstreben, die Halbierung der Dauer der Planungsverfahren, niemals gelingen. Frau Scheer hat heute Morgen sogar gesagt, sie wolle von sechs Jahren auf sechs Monate runterkommen. Nicht dass wir dagegen wären, aber das werden Sie mit dem bisher Angekündigten, glaube ich, auf gar keinen Fall schaffen.

Nehmen Sie diesen Antrag insofern als Angebot für einen ernsthaften Dialog, um die wirklichen Probleme mal ehrlich zu analysieren und gemeinsam zu besprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Dorothee Martin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536532
Wahlperiode 20
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
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