Axel SchäferSPD - Souveränität Deutschlands innerhalb der EU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das gerade war die Geschichte der Zukunftskonferenz vom Hörensagen. Jetzt möchte ich als einer der von Ihnen gewählten beiden Teilnehmer dieses Parlaments – zusammen mit Gunther Krichbaum – berichten, wie es tatsächlich war.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben hier nämlich zum ersten Mal den Versuch unternommen, europäische Demokratie anders zu gestalten als bisher. Bisher hieß europäische Demokratie: die Dominanz von Regierung und ein Europäisches Parlament, das um seine Rechte kämpft. Wir haben gesagt: Es ist notwendig, dass wir zwischen den Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den Mitgliedern der nationalen Parlamente eine Balance schaffen, wenn wir über die Zukunft Europas reden. Und mehr noch: Wir müssen neue Formen entwickeln, wie wir Bürgerinnen und Bürger beteiligen, ohne dass wir die repräsentative Demokratie quasi komplett durch eine direkte Demokratie ersetzen.
Das war ein neues Verfahren. Dieses neue Verfahren hat gezeigt, dass viele Bürgerinnen und Bürger, die gefragt wurden – das Verfahren wurde ja, Herr Kleinwächter, im Ausschuss erklärt –, gesagt haben: Wir machen da mit. Einige, die gefragt wurden, haben allerdings gesagt: Wir machen nicht mit. – Dann haben wir einen Prozess gestartet. Dieser Prozess zeigte, dass es zwischen denen, die als Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal mit bestimmten institutionellen Fragen befasst waren, und denen, die das qua Wahlamt schon gemacht haben, Spannungen gibt. Deshalb war es notwendig, diese Spannungen offen auszutragen, auch auszuhalten und – Demokratie ist eine Frage der Beteiligung und der Zeit – dass man das, was man diskutiert, fixiert und ändert und Vorschläge macht, vielleicht auch wieder verwirft und zum Schluss fragt: Können wir manchmal bei allgemeinen, manchmal auch bei sehr konkreten Punkten eine Übereinstimmung erreichen?
Weil der Weg in einer Demokratie das Ziel ist, haben wir tatsächlich am 9. Mai ein Ziel erreicht. Dieses Ziel war das Dokument, das Ihnen jetzt vorliegt, das für uns – darauf möchte ich mich vor allen Dingen kaprizieren – im Parlament – hier auf nationaler Ebene wie im Europäischen Parlament – tiefgreifende Änderungen haben könnte.
Der erste Punkt ist dabei: Wir wollen – auch wir als Abgeordnete der nationalen Parlamente –, dass das Europäische Parlament durch ein Initiativrecht gestärkt wird. Es ist eine ganz wichtige Sache, dass das Europäische Parlament gleichberechtigt ist.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen zweitens, dass die Möglichkeiten bei der Wahl – angefangen bei der Briefwahl bis hin zu dem, was die Digitalisierung ermöglicht – verbessert werden, damit mehr Bürgerinnen und Bürger die Chance wahrnehmen können, tatsächlich zu wählen.
Wir wollen auch die Absenkung des Wahlalters, die sich von 25 auf 21 und jetzt auf 18 Jahre langsam entwickelt hat, dahin gehend ausweiten, dass noch jüngere Menschen, und zwar bereits im Alter von 16 Jahren, zur Wahl gehen können. Das wäre aus unserer Sicht ein großer Fortschritt für die Weiterentwicklung der Demokratie; denn sie sind die Zukunft dieser Demokratie.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und wir wollen noch etwas anderes. Das Europäische Parlament wird an zwei, drei gemeinsamen Tagen auf nationaler Ebene gewählt. Es wird aber hinterher nicht national konstituiert durch eine Fraktion Deutschland oder Frankreich oder Italien; es wird konstituiert in politischen Fraktionen. Das wollen wir beim Wahlrecht – Stichwort „transnationale Listen“ – auch zum Ausdruck bringen, damit klar ist: Wer in Deutschland SPD wählt, der kriegt auch die Partito Democratico in Italien, und wer in Deutschland CDU wählt, der bekommt andere christdemokratische Parteien. Das Gleiche gilt dann für vielfältige grüne, liberale oder linke Parteien. Das muss an der Stelle deutlich werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht auch um Bürgerbeteiligung. Ja, wir wollen die Möglichkeit eines europaweiten Referendums. Das Schweizer Beispiel ist angesprochen worden. Aber wenn man schon Beispiele anspricht, dann muss man sie auch kennen.
(Beifall des Abg. Christian Petry [SPD])
Wir wollen das in Europa so handhaben: Ein europaweites Referendum würde bedeuten, dass am selben Tag in allen Ländern alle Bürgerinnen und Bürger gefragt werden, und dann wird getrennt und gemeinsam ausgezählt. Es wird natürlich erst einmal getrennt nach Staaten ausgezählt, und dann werden wir schauen, ob die Addition bei diesen Staaten auch eine Mehrheit ergibt. In der Schweiz ist das ganz einfach: Wenn es eine Mehrheit auf Bundesstaatsebene gibt und eine Mehrheit in allen Kantonen, dann ist das Referendum angenommen. Ich finde, das ist auch gut so.
Wir haben gelernt aus dem, was beim Verfassungsvertrag eben nicht gelungen ist. Beim Verfassungsvertrag haben zwei Länder dafürgestimmt, nämlich Spanien und Luxemburg, und zwei Länder dagegengestimmt, nämlich Frankreich und die Niederlande.
(Zuruf von der AfD: Und die anderen durften nicht!)
Nimmt man die Stimmen zusammen, wird man feststellen: Die Jastimmen für die europäische Verfassung in den vier Ländern waren mehr als die Neinstimmen – ein Punkt, den mein Vorredner einfach verschwiegen hat.
(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Europa für 2024 demokratisch weiterentwickeln, so wie es uns unsere Verfassung vorgegeben hat, indem wir als Deutsche gleichberechtigt in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen. Das ist heute wichtiger denn je. Im AfD-Wahlprogramm steht:
(Zuruf von der AfD: Sehr gutes Wahlprogramm!)
Wir wollen den Austritt aus der EU. – Genau das wollen weder Christdemokraten noch Liberale noch Grüne noch Linke noch Sozialdemokraten, und das eint uns in diesem Hause.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Das Wort hat der Kollege Alexander Radwan für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536681 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 37 |
Tagesordnungspunkt | Souveränität Deutschlands innerhalb der EU |