19.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 19

Detlef MüllerSPD - Regionalisierungsgesetz, Neun-Euro-Ticket, ÖPNV-Ausbau

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Vertreter der Bundesländer! Ich freue mich, dass der öffentliche Personennahverkehr seit Wochen ein prominentes Thema in den Medien ist. Da gehört er auch häufiger hin, was seine Bedeutung für Millionen Pendler täglich und auch für den Klimawandel angeht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass diese Prominenz weniger aus einem öffentlich ausgetragenen Dissens um eine einzelne Maßnahme kommt, sondern aus dem, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben: den strukturellen Ausbau des ÖPNV als Rückgrat der Verkehrswende, eine Garantie für modernen, bezahlbaren und klimafreundlichen öffentlichen Verkehr für möglichst viele Menschen in diesem Land.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es vorwegzunehmen: Die Idee, dem ÖPNV einen Attraktivitätsschub zu geben und auch den Menschen mit dem 9‑Euro-Ticket eine deutliche Entlastung zu verschaffen, begrüße ich ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Minister Wissing, es war eine spontane Nachtgeburt im Koalitionsausschuss, durchaus überraschend und zugleich ein mutiger Vorschlag. Das 9‑Euro-Ticket ist nicht nur eine große und wirkliche soziale Entlastung, sondern zugleich eine große Chance für den ÖPNV. Der Bund hat eine faire Finanzierung angeboten. Die Mehrkosten sind mit 2,5 Milliarden Euro seriös kalkuliert, und auch die im Gesetz geregelte Kompensation für die Coronaschäden beim ÖPNV ist dringend notwendig, um den Unternehmen wieder etwas Luft nach den schwierigen Pandemiezeiten zu verschaffen. Aber – das gehört zur Wahrheit –: Wir wissen, dass mit dem heute zu beschließenden Gesetz die strukturellen Probleme des ÖPNV nicht gelöst werden.

Der ÖPNV ist in Deutschland in einer schwierigen Situation: weggebrochene Fahrgastzahlen, erheblicher Modernisierungsbedarf, steigende Betriebskosten auf der einen Seite und gleichzeitig riesige Erwartungen im Rahmen der Verkehrswende mit Angebotsausweitung und damit weiter steigenden Kosten auf der anderen Seite.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Was könnte man da mit 2,5 Milliarden Euro machen?)

Wir müssen daher aufpassen, dass das 9‑Euro-Ticket kein Strohfeuer wird. Die Gefahr von künftigen Abbestellungen von Bussen und Bahnen oder von Fahrpreissteigerungen ist real.

Energiepreise und richtigerweise höhere Löhne treiben viele Unternehmen an die Grenze des Leistbaren. Die Situation hat sich durch den Ukrainekrieg noch einmal verschärft, weil die Kosten für Kraftstoffe und für Elektroenergie explodieren. Umso mehr braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. Darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag verständigt, dazu stehen wir, und das gilt.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Da müsst ihr aber schnell machen!)

Für die Verkehrswende braucht es mehr Nahverkehr und einen dauerhaft und strukturell stark aufgestellten ÖPNV. Wir wollen nicht nur den Erhalt des Bestehenden, sondern Wachstum, einen besseren Nahverkehr und ein größeres Angebot. Darum haben wir einen Mobilitätspakt vereinbart.

Möchten Sie eine Zwischenfrage der AfD zulassen?

Nein. – Ich verstehe die Not der Länder bei der Organisation eines leistungsfähigen ÖPNV. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Ländern, den Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen bedanken für die Anstrengungen der letzten Wochen, um die Umsetzung dieses 9‑Euro-Tickets zu gewährleisten. Das war ein Riesenkraftakt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber, lieber Herr Donth, lieber Michael, ich bin nun auch nicht blauäugig. Klar wird es Probleme geben, es wird überfüllte Züge geben, Regionalexpresse beispielsweise. Es wird ab und an eng auf bestimmten touristischen Relationen. Das ist mir und den Verbündeten und allen Beteiligten völlig klar. Aber vielleicht sollten wir einmal aufhören, immer nur das Negative herauszupicken:

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

geht nicht, wird schwierig, die Ressourcen, kein Personal, keine Fahrzeuge. Besser und zielführender finde ich, finden wir, dass die Chancen des Projektes in den Mittelpunkt gerückt werden, die Chance, für wenig Geld den ÖPNV, Busse, Bahnen und Züge bundesweit zu nutzen, die Chance, als Pendler, der schon jahrelang den ÖPNV nutzt, richtig Geld zu sparen, die Chance, dass der Gewohnheitsautofahrer einfach einmal in Bus und Bahn umsteigt.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das wird aber wieder abgeschafft! Was soll das denn?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich werden wir dem Gesetz zustimmen. Ich fordere die Länder auf, morgen im Bundesrat Gleiches zu tun; alles andere wäre peinlich.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Dauerhaft günstiger machen! Das wäre was!)

Herr Kollege.

Diejenigen, die ablehnen, dürfen das auch den Bürgerinnen und Bürgern erklären, die sich auf das 9‑Euro-Ticket freuen und die es angesichts steigender Preise auch tatsächlich brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wolfgang Wiehle hat das Wort für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536693
Wahlperiode 20
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt Regionalisierungsgesetz, Neun-Euro-Ticket, ÖPNV-Ausbau
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