19.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 37 / Tagesordnungspunkt 25

Martin PlumCDU/CSU - EU-Verordnung grenzüberschreitende Zustellungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus meiner bisherigen Tätigkeit als Richter weiß ich sehr gut, was auf einer Geschäftsstelle los ist, wenn eine Klage eingeht, die gegen eine Partei mit Wohn- oder Firmensitz im Ausland gerichtet ist: Es herrscht Aufregung! „ Wie sollen wir das denn zustellen?“, mit dieser Frage landet die Klage sehr schnell auf dem Tisch des zuständigen Richters. Doch auch der wird, wie ich aus zehnjähriger Berufserfahrung weiß, in der Regel nicht aus dem Kopf heraus beantworten können, was zu tun ist; denn grenzüberschreitende Zustellungen und Beweisaufnahmen sind alles andere als Gerichtsalltag und auch nicht trivial.

Das zeigt auch der Gesetzentwurf, über den wir heute Nacht beraten. Er nimmt zwei EU‑Verordnungen zum Anlass, die Regelungen zur Zustellung und zur Beweisaufnahme im Ausland in der ZPO zu aktualisieren und neu zu strukturieren. Vor allem Letzteres gelingt ihm. Die neuen §§ 183 und 363 ZPO sind viel übersichtlicher gestaltet als zuvor und dadurch für den juristisch geschulten wie ungeschulten Leser deutlich besser zu erfassen. Die Aufregung bei Gericht wird damit bei grenzüberschreitenden Zustellungen und Beweisaufnahmen in Zukunft deutlich geringer ausfallen.

Der Gesetzentwurf beschränkt sich aber nicht auf die ZPO, sondern ändert auch das Gesetz zur Ausführung der Haager Übereinkommen über die Zustellung und die Beweisaufnahme im Ausland. Dass in diesem Zusammenhang die Stellung des Bundesamtes für Justiz im internationalen Zivilrechtsverkehr wie schon bei den Neuregelungen der ZPO gestärkt wird, begrüßen wir ausdrücklich.

Durchaus kritisch sehen wir dagegen den neuen § 14 dieses Gesetzes. Er betrifft Verfahren, die im Common Law unter der Bezeichnung „pre-trial discovery of documents“ bekannt sind, also die vorgerichtliche Dokumentenherausgabe. Rechtshilfeersuchen, die solche Verfahren zum Gegenstand haben, sollen künftig unter engen Voraussetzungen zulässig sein. Das hat der Deutsche Bundestag im Frühjahr 2017 noch fraktionsübergreifend abgelehnt. Im deutschen Zivilprozess gelte der Beibringungsgrundsatz, und Ausforschungsbeweise seien ihm fremd. Die damaligen Bedenken bleiben berechtigt, und zum Glück greift der Gesetzentwurf sie auch auf. Die Ausforschung deutscher Parteien wird danach ausdrücklich verhindert. Ob die engen gesetzlichen Voraussetzungen freilich dafür ausreichen, wird die Praxis zeigen und werden wir genau beobachten müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und leider, leider regelt der Gesetzentwurf wichtige Punkte auch nicht. Erstens muss die Beweisaufnahme per Videokonferenz erleichtert werden. Zweitens muss es künftig zulässig sein, dass Zeugen Beweisfragen nicht nur schriftlich, sondern auch per Videoaufnahme beantworten können. Und drittens müssen die fünf klassischen Beweismittel der ZPO um ein sechstes erweitert werden: die elektronische Datei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das ändert nichts daran, dass auch wir diesem Gesetzentwurf heute zustimmen werden. Aber es muss uns auch klar sein: Man mag den digitalen und grenzüberschreitenden Rechtsverkehr für gut oder schlecht halten – aufhalten kann und wird man ihn nicht. Aber man kann und muss ihn gestalten. Und das zu tun, liegt an uns, nicht nur heute Nacht, sondern weit darüber hinaus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Sonja Eichwede hat ihre Rede zu Protokoll gegeben; sie hätte für die SPD-Fraktion gesprochen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Fabian Jacobi hat das Wort für die AfD.

(Beifall bei der AfD)

Personen

Dokumente

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536739
Wahlperiode 20
Sitzung 37
Tagesordnungspunkt EU-Verordnung grenzüberschreitende Zustellungen
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