20.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 38 / Tagesordnungspunkt 27

Annette Widmann-MauzCDU/CSU - Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie es mich gleich zu Beginn ganz deutlich sagen: Wir können mit der Situation in Mali und im Sahel nicht zufrieden sein. Die Entscheidung, die wir heute zu treffen haben, ist deshalb schwierig, und sie ist komplex. Wir als Union machen sie uns deshalb auch nicht leicht.

Nach dem erneuten Militärputsch im Mai letzten Jahres ist eine schnelle Rückkehr zu Demokratie und Verfassung in Mali nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Die malische Regierung verschleppt den Übergang zu einer durch Wahlen legitimierten Regierung. Sie arbeitet mit Russland und den sogenannten „Wagner“-Söldnern zusammen, die im Verdacht stehen – wir haben es gehört –, für schwerste Menschenrechtsverletzungen in Moura verantwortlich zu sein.

Die Übergangsregierung blockiert deren Aufklärung. Sie behindert die Arbeit der internationalen Missionen vor Ort, indem sie zum Beispiel westlichen Truppenstellern willkürlich Flugrechte zur Aufklärung, Überwachung und Versorgung verweigert.

Schließlich erklärte das Regime von Übergangspräsident Goïta erst vor wenigen Tagen den Austritt Malis aus der Gruppe der G‑5-Sahelstaaten und bezichtigt jetzt den Westen, an einem mutmaßlichen Militärputsch beteiligt gewesen zu sein.

Mali geht seit geraumer Zeit einen eigenen Weg. Das Regime definiert seine Allianzen neu und geht immer mehr in Konfrontation zu Frankreich und zum Westen.

Während der gemeinsamen Reise mit der Bundesaußenministerin und ihrem Gespräch mit Goïta wurde klar, dass Mali sich in Sachen Sicherheit auf Russland stützt und auch dessen völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine und der verbrecherische Krieg Putins es davon nicht abhalten. Malis Enthaltung bei der Abstimmung in der VN-Generalversammlung unterstreicht einmal mehr diese Haltung.

Es sind also berechtigte Zweifel angebracht, ob es in Mali noch eine gemeinsame Grundlage und ein geteiltes Verständnis für die Zusammenarbeit mit der EU und mit uns gibt. Deshalb ist es folgerichtig, ja, es ist konsequent, unser militärisches Engagement für Mali unter Vorbehalt zu stellen. Das heißt: Die Tür wird nicht endgültig zugeschlagen. Denn das würde erstens nur Russland in die Hände spielen, das unsere westlichen Werte dort diskreditiert und das Vakuum schwacher und korrupter Staaten ausnutzt, um seine strategische Einflusssphäre in Afrika zu vergrößern. Und zweitens würde es den Systemwettbewerb auf dem afrikanischen Kontinent weiter anheizen und eine Spaltung in prowestliche, prorussische oder prochinesische Staaten befördern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann eindeutig nicht in unserem Interesse sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auf der anderen Seite bleibt mit dem Vorbehalt aber auch eine Perspektive offen, allerdings unter klaren Voraussetzungen: Unsere Bundeswehr kann und darf keine Sicherheitskräfte ausbilden, die gleichzeitig an schlimmsten Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat sie aber lange genug gemacht!)

Genauso konsequent ist es daher, jetzt den Schwerpunkt der militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali bis auf Weiteres in das Nachbarland Niger zu verlagern. Niger hat sich nämlich als verlässlicher Partner für Deutschland erwiesen und wird als Stabilitätsanker für die ganze Region gebraucht. Denn bei unserem militärischen Engagement im Sahel geht es zunächst um Sicherheit. Es geht aber vor allem auch darum, die Grundvoraussetzung für Staatlichkeit zu schaffen und das Vertrauen der Menschen in die staatliche Ordnung zu stärken. Dafür steht der vernetzte Ansatz, den Deutschland vor Ort verfolgt und der neben Sicherheit auch Stabilisierung und Entwicklung zum Ziel hat. Das erwarten die Menschen zu Recht – seien es die beeindruckenden jungen Unternehmerinnen, die wir in Bamako getroffen haben, die Studierenden an der Universität in Niamey oder die Menschen in Gao und Ouallam, die sich ein Leben ohne Angst vor Gewalt und mit Perspektiven wünschen.

Für sie setzen sich unsere Soldatinnen und Soldaten im Rahmen von MINUSMA und EUTM Mali unter sehr gefährlichen Bedingungen ein. Sie tragen mit ihrem wichtigen Dienst dazu bei, Failing States zu verhindern und Ursachen für Flucht und Vertreibung zu bekämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen und – das will ich ganz ausdrücklich sagen – auch den Polizistinnen und Polizisten in den zivilen EUCAP-Missionen möchte ich für diese schwierige, aber vor allen Dingen hervorragende Arbeit danken.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Mit der deutschen Spezialkräfteoperation Gazelle hat die Bundeswehr im Rahmen von EUTM einen maßgeblichen Anteil am Aufbau und der Ausbildung der nigrischen Spezialkräfte. Die neue Spezialkräfteschule in Tillia ist Ausdruck dieser erfolgreichen Zusammenarbeit. Wir konnten vor Ort selbst erleben, welch hohe Wertschätzung unser deutsches Engagement dort genießt. Meine Damen, meine Herren, das hat auch Gründe:

Die deutsche Führungs- und Sicherheitskultur bindet die Kräfte vor Ort aktiv ein. Dabei hat die Arbeit mit dem geschlossenen, nationalen Verband enorm geholfen.

Und unser Engagement bei Ausbildung und Training agiert auf Augenhöhe, ist gemeinsam mit den Partnern vor Ort konzipiert und eng an ihren Bedarfen ausgerichtet.

Darauf können wir aufbauen.

Obwohl die nigrischen Sicherheitskräfte enorm von der internationalen Ausbildungs- und Ausrüstungsunterstützung profitiert haben, sind sie der zunehmenden terroristischen Bedrohung alleine weder quantitativ noch qualitativ gewachsen. Gerade einmal acht Sicherheitskräfte kommen auf 1 000 Quadratkilometer Land. Die Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Zahl bis 2025 zu verdoppeln – ein minimaler Aufwuchs, für Niger aber eine enorm große Kraftanstrengung. Dabei sollten wir das Land nach besten Kräften unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Unser Engagement in Niger ist daher auch nach Beendigung der Operation Gazelle eine gute Investition in die Sicherheit und in die Zukunft des Landes und der gesamten Sahelregion. Aus diesem Grund wird die Union der Verlängerung des Mandats und der Reduzierung der Soldatenobergrenze für Mali zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Frank Schwabe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536764
Wahlperiode 20
Sitzung 38
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta