20.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 38 / Tagesordnungspunkt 27

Frank SchwabeSPD - Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Viele Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag hatten ja die Gelegenheit, mal in Mali oder in Niger gewesen zu sein und sich die Lage vor Ort anzugucken. Wer das nicht konnte, dem empfehle ich den preisgekrönten Film „Timbuktu“ von 2014, der noch mal deutlich macht, welche Hoffnungen die Menschen in der Region haben, welchen Bedrückungen sie ausgesetzt sind, wie dramatisch die Lage für viele Menschen in Mali ist, stellvertretend für die gesamte Region des Sahel. Das macht deutlich, wie dringend notwendig es ist, dass wir uns dort entsprechend engagieren.

Viele halten dem das Beispiel Afghanistan entgegen und sagen: Da hat es auch nicht funktioniert, daher kann es da jetzt auch nicht klappen. – Ich finde, so können wir nicht denken, sondern wir haben die Verantwortung, in jedem Einzelfall – Afghanistan werden wir aufarbeiten und diskutieren – darüber nachzudenken: Was können wir aus Deutschland im Gleichklang mit den Vereinten Nationen tun, um in schwierigen Teilen dieser Welt stabilisierend zu wirken? 2014 – das muss man sich immer klarmachen – standen wir kurz davor, dass Dschihadisten die Macht in Mali komplett hätten übernehmen können. Das war der Moment, wo Frankreich mit Kampftruppen reingegangen ist, wo MINUSMA kreiert wurde und wo am Ende auch die Ausbildungsmission EUTM Mali, über die wir jetzt hier reden, ins Leben gerufen wurde.

Wir reden über eine Region von großer Instabilität. Mittlerweile werden drei der fünf Länder des Sahel von einer Putschregierung geführt. Deswegen ist es eine schmale Gratwanderung, einerseits alles zu tun, was wir tun können, damit die Region nicht weiter im Chaos versinkt. Aber gleichzeitig wollen wir natürlich keine Putschregierung unterstützen. Das ist die schmale Gratwanderung, die auch für dieses EUTM-Mandat gilt. Auf der einen Seite wollen wir dableiben und weiter ausbilden. Aber wir wollen auf der anderen Seite nicht Soldatinnen und Soldaten einer Putschregierung ausbilden. Deswegen die Fokussierung und die Konzentration auf Niger und deswegen auch die Mandatsreduzierung von 600 auf 300 Soldatinnen und Soldaten.

In den letzten Tagen bin ich am Sitzungssaal des Verteidigungsausschusses vorbeigelaufen. Da gibt es diesen Gedenkort für die Soldatinnen und Soldaten. Wenn man sich mal ein paar Minuten Zeit nimmt und guckt, dann sieht man, wie viele Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland in Mali gefallen sind. Deswegen ist es notwendig, dass wir um dieses Mandat heftig ringen, und deswegen, Herr Wadephul, habe ich nicht verstanden – Sie werden es selber vielleicht gar nicht wissen; aber es ist eigentlich ein bisschen unter Ihrem Anspruch –, dass Sie an dieser Stelle eine Verquickung mit einer Kritik an der Verteidigungsministerin vornehmen.

Natürlich ist es unsere Verantwortung, bei jedem Mandat immer darüber nachzudenken: Ist es verantwortlich für die Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland? Können wir das Risiko, dem sie ausgesetzt sind, jedenfalls so einschränken, dass wir dieses Mandat verantworten können? Deswegen ist es natürlich richtig, dass die Verteidigungsministerin und wir alle gemeinsam in diesem Haus darüber nachdenken: Was sind die Voraussetzungen für solche Militäreinsätze? Und wenn sie nicht gegeben sind, dann werden wir diesen Militäreinsatz auch beenden müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber wir halten ihn für notwendig. Deswegen müssen wir den Soldatinnen und Soldaten erklären, dass wir glauben, dass wir unseren Beitrag leisten müssen, damit die Region nicht weiter im Chaos versinkt – nicht Niger, nicht die anderen Länder des Sahel, wo islamistische Gruppen ihr Unwesen treiben, wo kriminelle Banden herrschen, wobei Niger als Transitland für Waffen, Drogen und Menschenschmuggel gilt, wo es auch ein rasantes Bevölkerungswachstum, Knappheit an Ressourcen und Ernährungsunsicherheit gibt. Deswegen – und das würde ich für uns reklamieren, für die Kolleginnen und Kollegen der Koalition – ist es so, dass wir einen integrierten Ansatz fahren wollen, dass wir das, was Entwicklungszusammenarbeit ausmacht, mit dem, was wir an sicherheitspolitischen Komponenten leisten können, verbinden wollen.

Wir leisten eine umfassende Entwicklungszusammenarbeit im gesamten Sahel. Wir unterstützen Justizreformen, wir unterstützen Korruptionsbekämpfung, wir unterstützen Bemühungen zur Dezentralisierung, zur Effektivierung der Polizei, zur lokalen Konfliktlösung, zur Vergangenheitsbewältigung und zur Extremismusprävention, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Palette könnte man fortführen. Wir sind also tätig. Und damit wir dort tätig sein können, stabilisierend wirken können im Sinne der Entwicklungszusammenarbeit, ist es nötig, auch eine militärische Komponente zu haben. Dazu gehört die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten der Regierungen, die dort demokratisch gebildet werden. Das ist es, was wir mit diesem Mandat EUTM Mali tun.

Ich will noch mal um Unterstützung dafür werben. Es gehören zwei Dinge dazu. Das Erste ist der Selbstschutz, die Fähigkeit zum Selbstschutz der deutschen Soldatinnen und Soldaten. Das Zweite ist, dass wir alles tun und sicherstellen, dass wir keine Putschregierungen unterstützen. Deswegen ist Mali jetzt – jedenfalls mit kleinen Ausnahmen – nicht mit in diesem EUTM-Mandat. Sollte sich das ändern, weil wir hoffentlich wieder eine demokratische Regierung in Mali bekommen, würden wir im Deutschen Bundestag darauf zurückkommen und um eine Mandatsveränderung bitten.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, komme ich zurück zu Tagesordnungspunkt 26. Die Zeit für die Abstimmung ist fast vorbei. Ist noch ein Mitglied im Haus, das noch nicht abgestimmt hat?

(Michelle Müntefering [SPD]: Der Kollege Schwabe!)

– Der Kollege Schwabe.

(Jürgen Coße [SPD]: Der hat geredet, dann kann man auch nicht abstimmen!)

– Es ist alles gut. Er hat ja jetzt auch noch Zeit. Wenn er sich ein bisschen schneller bewegt,

(Heiterkeit)

können wir die Abstimmung gleich schließen.

Dann fahren wir jetzt erst mal in der Debatte fort. Als nächster Redner für die AfD-Fraktion spricht Gerold Otten.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536765
Wahlperiode 20
Sitzung 38
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)
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