Marie-Agnes Strack-ZimmermannFDP - Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben 2013 das erste Mal deutsche Soldatinnen und Soldaten nach Mali entsandt, und Ziel war und ist es seitdem, Mali und seine Partner in der Sahelregion im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Zum einen verstärken wir, wie gerade gesagt wurde, mit über 1 200 Soldatinnen und Soldaten die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen, zum anderen haben wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern malische und nigerianische Streitkräfte ausgebildet.
Zu internationalen Einsätzen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, hört man öfter süffisant hinter vorgehaltener Hand: Na ja, die anderen kämpfen, wir bilden aus. – Meine Damen und Herren, das ist eine Aufgabenteilung, die sinnvoll ist, solange unsere Ausbildung fruchtet und die so ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten befähigt werden, das Gelernte anzuwenden und es auf Dauer auch weiterzuvermitteln: Train the Trainer.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber die Erfahrung lehrt uns, dass Ausbildungseinsätze der Bundeswehr so gut wie immer mit einem besonderen Problem einhergehen: Wen bilden wir eigentlich aus? Die Soldatinnen und Soldaten als Teil der Streitkräfte entsprechen in vielen Bereichen, milde ausgedrückt, nicht unseren Ansprüchen an eine Armee: Korruption, fehlendes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Letztendlich gehen wir auch das Risiko ein, dass die gelernten Fähigkeiten nicht in unserem freiheitlich-demokratischen Sinne eingesetzt werden. Diese Risiken kennen wir, und wir begegnen ihnen aktiv, indem wir gezielt die Vermittlung von Grundwerten in die Ausbildung mit einbauen.
Ja, in Mali gestaltet sich die Situation inzwischen schwierig. Seit dem Putsch vor einem Jahr erleben wir zunehmend Probleme auf Regierungsebene – sie wurden hier genannt –: Die Militärregierung verweigert zeitnahe Neuwahlen; der Transitionsprozess geht nicht voran; es wird auch offen und ohne Hemmungen mit Russland zusammengearbeitet; Überfälle, Massaker, Menschenrechtsverletzungen. Das alles sind natürlich große Probleme, und diese Probleme haben in der Summe eine weitere Ausbildung der malischen Armee schlichtweg unmöglich gemacht.
Ja, es ist ein bitteres Zwischenfazit im zehnten Jahr. Die malische Regierung ist nicht so kooperationsfähig, wie wir das wollen, und die Sicherheitslage wird schlechter. Das Terrorismusproblem wird größer. Das ist unser Dilemma. Das Ziel unseres Einsatzes ist definitiv noch nicht erreicht. Aber ein voreiliger Abzug würde diesen Status zementieren. Wir würden Platz machen für islamische Terroristen.
Meine Damen und Herren, das würde auch uns in Deutschland und Europa unmittelbar betreffen. Wir würden Platz machen für mehr russische Streitkräfte, die sofort das Vakuum füllen würden.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich halte es deswegen für richtig, dass wir zum Schutz der Zivilbevölkerung mit MINUSMA, aber auch mit EUTM Mali vor Ort, im Raum der Sahelstaaten bleiben.
Wir können unseren Einsatz aber nicht bedingungslos um jeden Preis fortsetzen. Die Ampelregierung hat sich dazu bekannt: kein Copy-and-paste mehr wie die Regierung zuvor.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir evaluieren diese Einsätze, und wir hinterfragen sie. Wenn sich die Lage ändert, dann müssen wir auch das Mandat ändern.
Ich danke Ihnen ausdrücklich, Frau Ministerin, dass wir uns vor Ort einen Eindruck machen konnten. Wir beschränken diese Ausbildung auf Niger, um die demokratischen Kräfte der Region weiter zu unterstützen. Und ja, wir halten unsere Tür auch für die malische Regierung geöffnet.
Eins muss aber klar sein: Mali hat nur eine Chance auf eine einigermaßen sichere und stabile Zukunft und darauf, wieder mit den übrigen Staaten der G 5 Sahel zu kooperieren, wenn es auch auf die Forderung der ECOWAS eingeht und die Unterstützung der Europäischen Union auf allen Ebenen wiedererlangt. Der Pfad aus dieser Isolation ist klar: die Achtung und Wahrung der Menschenrechte durch alle staatlichen Akteure. Denn es ist schon ziemlich unerträglich, dass wir, wenn es zu einem Attentat kommt, bei dem wieder Frauen und Kinder ermordet werden, nicht die Chance haben, diese Vorfälle aufzuklären. Diese Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen erwarten wir und auch eine Beendigung der Kooperation mit russischen Truppen. Das weiß auch der malische Verteidigungsminister. Das konnten wir ihm in einem Gespräch, an dem die Ministerin beteiligt war – auch Kollege Otte und ich –, sehr deutlich zu verstehen geben.
Meine Damen und Herren, wir werden dem Mandat zustimmen. Aber lassen Sie mich in den letzten Sekunden meiner Redezeit den Soldatinnen und Soldaten danken, die in Koulikoro über Jahre eine tolle Arbeit geleistet haben, die Menschen ausgebildet und auch Familien begleitet haben, die vor einigen Jahren einem schweren Attentat ausgesetzt waren. Sie sind dort geblieben, um ihren Auftrag zu erfüllen, den wir hier erteilt haben. Dieser Auftrag ist beendet; er wird jetzt ausgesetzt. Unser Dank gilt diesen Soldatinnen und Soldaten von ganzem Herzen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Kathrin Vogler.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7536769 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 38 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali) |