20.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 38 / Tagesordnungspunkt 27

Johannes ArltSPD - Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Soldatinnen und Soldaten! Zweifel sind immer erlaubt, wenn es um die Entsendung von Soldaten in Auslandseinsätze geht. Für mich ist es heute ein ein bisschen emotionaler Tag, hier in diesem Hohen Hause mitzuberaten über Einsätze in einem Einsatzland, in dem ich dreimal als Soldat gedient habe. Ich weiß also, wie es ist, in Bamako anzukommen mit einem Berghaus-Rucksack und einer Metallkiste und dort mehrere Monate zu verbringen.

Es ist eine folgenschwere Entscheidung. Aufgrund dessen ist es ja sehr wichtig, dass wir ernsthaft diskutieren, ob ein Investment, ob ein Engagement in einem Land gerechtfertigt ist oder nicht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dabei kommen viele Aspekte zum Tragen: sicherheitspolitische und außenpolitische Erwägungen. Ist unser Engagement vorausschauend, umfassend und multilateral? Ist der Schutz der Soldaten gewährleistet? Aber auch: Ist der Einsatz effektiv oder nicht?

In Mali engagieren wir uns auf vielfältige Weise, nämlich in drei Auslandseinsätzen. Wir haben gerade über das erneute MINUSMA-Mandat abgestimmt. Wir sind bei EUCAP Sahel aktiv, einer zivilen Polizeimission. Und wir engagieren uns eben auch bei EUTM Mali.

Was ist der Auftrag dieser Mission? Der Auftrag ist, dass die Befähigung zur Gewährleistung von Sicherheit im Sahel gestärkt wird, dass die Sahelstaaten ihre territoriale Integrität selber schützen können. Und das machen wir auf zwei Weisen: seit 2013 mit der Ausbildung malischer Streitkräfte, logistischer Kräfte und auch Infanteriekräfte sowie der Führerausbildung und seit 2018 mit der Operation Gazelle, also einer Spezialkräfteausbildung im Niger, die einmal als kleiner Einsatz von Kampfschwimmern in der Wüste begann und jetzt dort als ein nationaler Spezialkräfteverband im Einsatz ist.

Wir müssen uns aber, wenn wir uns für Einsätze entscheiden, auch fragen: Unterstützen wir die Richtigen? Womit unterstützen wir? Und erreichen wir unsere Ziele? Dort müssen wir ganz klar sagen: Auch wenn nach einer neuesten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung 84 Prozent der Bevölkerung die Sicherheitslage in Mali als besser empfinden als im Vorjahr, auch wenn 90 Prozent der malischen Bevölkerung die Militärregierung unterstützen, können wir es mit unseren außenpolitischen Zielen und unseren Werten nicht vereinbaren, zu sagen: „Wir bilden weiter malische Soldaten aus“, wenn diese nach ihrer Ausbildung Menschenrechtsverletzungen begehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dennoch ist es wichtig, den Gesprächskanal nicht abreißen zu lassen und mit einem schmalen Footprint im malischen Generalstab zu bleiben, während wir unseren Schwerpunkt auf den Niger verlagern und dort 230 Soldaten einsetzen, um weiter Spezialkräfte auszubilden; denn diese Regierung ist ein Stabilitätsanker in der Region und will trotz ihrer schwierigen Rahmenbedingungen dort als demokratische Regierung einen Beitrag für Stabilität im Sahel leisten.

Womit erreichen wir unsere Ziele? Darin unterscheiden sich der Einsatz im Niger und die Spezialkräfteausbildung doch von dem bisherigen Engagement in Mali. Denn: Haben wir in Mali nur ausgebildet, aber kein Material zur Verfügung gestellt, was oft dazu geführt hat, dass Soldaten nach ihrer Ausbildung nicht in ihrer Funktion oder in dem Ausbildungsverband weiter eingesetzt werden konnten, haben wir das im Niger verändert. Wir stellen dort Infrastruktur. Wir stellen die Ausbildung. Wir stellen die Ausrüstung, ertüchtigen die nigrischen Sicherheitskräfte und leisten damit einen nachhaltigen Beitrag zu einer Stabilisierung in der Region.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir sollten immer schauen: Kein Mandat ist alternativlos. Das gebieten der Respekt und die Verantwortung gegenüber unseren Soldaten, die wir in die Welt schicken, und gegenüber deren Familien; denn letztendlich besteht immer das Risiko, dass Soldaten an Leib oder Seele verwundet oder sogar gefallen in einem Metallsarg zurückkehren.

Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Mandat evaluieren; das haben wir uns als Ampelkoalition vorgenommen. Ich hoffe, dass unsere nationale Sicherheitsstrategie dazu beitragen wird, dass wir noch einfacher anhand fester Kriterien evaluieren können: Lohnt sich ein Engagement? Lohnt es sich nicht? Wie erreichen wir das?

Was haben wir getan? Wir haben den Personalansatz reduziert. Wir haben den Schwerpunkt verändert; wir haben den Tschad aus dem Mandatsgebiet gestrichen. Ich denke, all das wird dazu beitragen, dass wir jetzt mit diesem Ansatz erfolgreich im Niger weiteragieren können. In einem Jahr, wenn die Überprüfung dieses Mandats ansteht, können wir erneut darüber sprechen, ob wir unsere Ziele erreicht haben oder nicht, und werden dementsprechend gegebenenfalls noch einmal anpassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

Herr Arlt – ich halte mal die letzten Sekunden an –, erlauben Sie aus der Fraktion Die Linke noch eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage?

Nein. – Die Soldaten können sich auf uns verlassen, dass wir verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Ich möchte noch mal allen Soldaten danken, die sich in Mali engagieren, die unter schwierigsten Bedingungen in Mali und im Niger ihren Dienst leisten, und möchte für die Zustimmung zum Mandat werben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536775
Wahlperiode 20
Sitzung 38
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali)
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