31.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 39 / Tagesordnungspunkt EPL 16

Christian HirteCDU/CSU - Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Eine Haushaltsdebatte bietet ja immer auch die Gelegenheit, eine Generalaussprache vorzunehmen. Deswegen hat die Ministerin in der ersten Lesung – aus meiner Sicht zu Recht – darauf hingewiesen, dass Krisen nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen. Sie wies darauf hin – ich zitiere –, dass es gelte, die begrenzten finanziellen Ressourcen effizient zu nutzen: „für Klimaschutz und Energiesouveränität, für Naturschutz und Gesundheitsschutz, für Kreislaufwirtschaft und weniger Abhängigkeit von knappen Ressourcen“. Insoweit besteht ja wahrscheinlich noch allgemeine Einigkeit.

Die Unterschiede beginnen bei den Schlüssen, die man daraus zieht, insbesondere in der Antwort auf den brutalen und völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine und auch auf die Situation in der Energie- und Lebensmittelversorgung, die wir in Deutschland und weltweit haben. Deswegen will ich ausdrücklich sagen: Die Bundesregierung, Frau Ministerin, muss noch beweisen, wie sie mit ihrer angekündigten Planungsbeschleunigung tatsächlich vorankommt und wie insbesondere die Vielzahl der Anwohner in den betroffenen Regionen dann tatsächlich etwa auf den massiven Windenergieausbau reagiert.

Die Regierung muss außerdem schauen, wie sie den angekündigten Ausbau der LNG-Infrastruktur „mit Lichtgeschwindigkeit“, um Minister Habeck zu zitieren, voranbringt. Das ist auch ein Stück weit ein Lackmustest dafür, wie wir mit anderen großen Transformationsentscheidungen und Beschleunigungen in unserem Land vorankommen. Dann werden wir nämlich, wenn es konkret wird, vor Ort Proteste von Fridays for Future, von der Deutschen Umwelthilfe, von anderen Naturschutzverbänden und vielleicht auch gelegentlich von Grünen-Ortsgruppen sehen.

Ich glaube, das Thema Planungsbeschleunigung – Frau Skudelny hat gerade darauf hingewiesen – ist am Ende auch ein ganz entscheidender Punkt für die großen Herausforderungen, vor denen unser Land steht. Deswegen, Frau Ministerin, ist auch Ihr Haus am Ende nicht nur für die hier angeschlagenen Themen – Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz – zuständig, sondern eben auch fürs große Ganze, eingebunden in die Verantwortung innerhalb der Regierung.

Da stellt sich die Frage, wie es gelingt, Deutschland auch bei diesen von Ihnen zu verantwortenden Themen im internationalen Standortwettbewerb so aufzustellen, dass wir weiterhin Vorbild sein können. Schauen wir doch mal, was Ernst & Young uns gerade dieser Tage ins Stammbuch schreibt, nämlich dass wir in Deutschland mittlerweile hintenanstehen im Vergleich etwa zu Frankreich und Großbritannien, wo mehr Investitionen stattfinden, weil sie der attraktivere Standort sind, mit einfacheren und schnelleren Verwaltungsverfahren und vor allem auch mit preiswerterer Energie.

Deswegen ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Ministerin für nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz schauen muss, wie die Akzeptanz in der Bevölkerung ist, nicht nur beim Ausbau der Erneuerbaren oder beim Ausbau von LNG, sondern zum Beispiel auch beim Weiterbetrieb von Kernkraftwerken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Kollege Schäffler und auch andere haben darauf hingewiesen, dass wir angesichts der extremen Energieknappheit, vor der wir stehen, auch ernst nehmen sollten, was ein übergroßer Teil unserer Bevölkerung für richtig hält, nämlich unter Sicherheitsgesichtspunkten und unter Kostengesichtspunkten zu schauen, wie man die sicheren, noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke vielleicht weiter am Netz halten kann.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Sind Sie dafür, dass die Endlager nach Thüringen kommen?)

Wenn Sie, Herr Träger, meinen, das seien Ewiggestrige, dann sollten Sie mal schauen, wie viel Prozent Ihrer potenziell ehemaligen Wähler sich als solche Ewiggestrigen betiteln lassen wollen.

(Carsten Träger [SPD]: Wie groß ist die Mehrheit? – Pascal Meiser [DIE LINKE]: Das werden die Wähler bei der Landtagswahl in Thüringen gerne hören, dass Sie wollen, dass das Endlager nach Thüringen kommt!)

Ein kleiner Hinweis an die Grünen: Wenn wir schon über eine potenzielle Verlängerung von Kernkraft im Wettstreit mit einer eventuell längeren und intensiveren Nutzung der Kohle reden,

(Linda Heitmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir doch gar nicht!)

dann müssen Sie sich doch fragen, auch im internationalen Maßstab, ob Sie Ihrem eigenen Anspruch, nämlich vernünftige Klimaschutzpolitik machen zu wollen, gerecht werden,

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Genau!)

wenn Sie eine klimaneutrale Technologie ideologisch ablehnen, ohne ernsthaft Möglichkeiten zu prüfen, wie wir sie weiter nutzen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben doch geprüft! Wir haben weiter geprüft! Das nehmen Sie gar nicht zur Kenntnis! Weil es Ihnen nicht passt! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Weil es Ihnen nicht passt!)

Das Gleiche gilt am Ende auch für unsere nationalen Ressourcen, etwa für Biogas, Biokraftstoffe und Ähnliches. Jetzt ist ja leider Minister Özdemir nicht mehr da, der sich im europäischen Kontext hinstellt und die Möglichkeiten, landwirtschaftliche Produktion intensiver voranzutreiben und 4 Prozent der Flächen gerade nicht stillzulegen, ausschlägt – und das in einer weltweiten Hungerkrise, ausgelöst durch den Krieg und die Belagerung durch Russland. Ich halte das ein Stück weit sogar für verantwortungslos. Deswegen sollten Sie ernsthaft darüber nachdenken – auch für die nächste Saison –, ob Sie da nicht auf einem Holzweg sind und im Interesse unseres Landes und der weltweiten Versorgung anderes richtig und notwendig wäre.

Letzte Anmerkung. Der Kollege Engelhard hat darauf hingewiesen: Wir laufen auf eine massive Neuverschuldung zu. Tagesaktuell stehen wir vor der Situation, dass morgen der Tankrabatt eingeführt wird und das 9‑Euro-Ticket kommt, mit all den Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen. Schauen Sie mal, ob das wirklich funktioniert, ob wirklich am Ende diejenigen erreicht werden, die in Not sind, ob wir ab morgen vielleicht nicht doch höhere Preise haben, weil Märkte anders funktionieren, als Sie sich das in der überwiegend linken und ein kleines bisschen gelben Koalition überlegt haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Tabea Rößner hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536960
Wahlperiode 20
Sitzung 39
Tagesordnungspunkt Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
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