Sepp MüllerCDU/CSU - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, Unabhängiger Kontrollrat
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt fast ein halbes Jahr her, dass uns Staatsminister Schneider im Deutschen Bundestag seine politischen Schwerpunkte vorgestellt hat. Es waren große Worte zur Schaffung des Amtes eines Staatsministers für Ostdeutschland – ich zitiere –:
Das ist ein klares Bekenntnis von Olaf Scholz für die Region, für Ostdeutschland, und es ist eine klare Verpflichtung der Bundesregierung, dieser Entscheidung etwas folgen zu lassen. Das heißt, Sie können uns daran tatsächlich messen.
Das war die Messlatte, die sich Staatsminister Schneider damals selbst gesetzt hat.
Wenn wir heute Zwischenbilanz ziehen, dann fällt diese ernüchternd aus. Klar ist: Wir leben durch den brutalen Angriffskrieg Russlands in einer neuen Zeitrechnung. Die Herausforderungen für die Europäische Union und Deutschland sind gewaltig. Die Herausforderungen sind insbesondere in Ostdeutschland mit den Händen zu greifen. Zu einem der dringlichsten Megathemen gehört die Teuerung in den Regalen der Supermärkte. Ein halbes Pfund Butter kostet mittlerweile 3,29 Euro.
Die Bundesregierung steht in der Pflicht, die bezahlbare Energieversorgung in ganz Deutschland, Herr Schneider, zu gewährleisten. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, gut bezahlte Arbeitsplätze zu sichern. Es geht darum, die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandortes für Großinvestitionen wie Tesla und Intel hoch zu halten.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, die Menschen in Leuna und Schwedt machen sich seit geraumer Zeit große Sorgen. Beide Raffinerien sind die Lebensadern zu einer Energiesicherheit, zu einer gut bezahlbaren Energieversorgung Ostdeutschlands. Die Anspannung vor Ort war besonders in den vergangenen Tagen mit Händen zu spüren. Auch war die Kritik der Finanzministerin in Brandenburg, Katrin Lange – im Übrigen eine Sozialdemokratin –, am Kurs von Bundeswirtschaftsminister Habeck mehr als deutlich: „Keine Entscheidungen ins Blaue hinein“, „Weiterbetrieb, Versorgung und Bezahlbarkeit müssen verbindlich gesichert sein“.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist schon so, sehr geehrter Herr Staatsminister: Zu Krisenzeiten schlägt die Stunde der Regierung. Aber umso wichtiger ist es jetzt, dass die Menschen in Ostdeutschland für ihre Belange einen durchsetzungsstarken Fürsprecher in der Bundesregierung an ihrer Seite haben, jemanden, der in der Bundesregierung für den Osten die Strippen zieht.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Und den haben wir! Carsten Schneider!)
Wo ist Ihr klares Bekenntnis, Herr Schneider, dass wir den EU-Ratsbeschluss zum Ölembargo eins zu eins umsetzen? Wo ist Ihr klares Bekenntnis, dass russisches Öl durch die Druschba zumindest für Schwedt weiterhin genutzt werden kann? Wo bleibt Ihr Einfordern, dass Bundeskanzler Olaf Scholz endlich zu einem großen nationalen Energiegipfel einlädt? Wo ist Ihr Bekenntnis zu bezahlbarem Sprit in Ost und West?
(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das nicht bilateral klären, Ihre Fragen? Stellen Sie doch eine Anfrage! – Zuruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Das ist klar, dass das bei den Grünen viele Zwischenrufe herausfordert, wenn man circa 5 Prozent in Schwedt hat und noch schlechtere Wahlergebnisse produziert. Die Leute vor Ort haben Existenzängste. Da sind 30‑jährige junge Frauen und Männer, die ihre Familienschicksale darauf ausgerichtet haben, und Ihre Bundesregierung sagt ihnen nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bündnis 90/Die Grünen sagt in Gestalt von Robert Habeck: Da kriegen wir schon eine Lösung hin. – Ja, wie sieht denn die Lösung aus?
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Was ist denn Ihre Idee?)
Wie wollen Sie den 30‑Jährigen mit ihrem zweijährigen Kind erzählen, die dieses Jahr gerade eine Hausfinanzierung abgeschlossen haben, dass Ende des Jahres dort kein Arbeitsplatz mehr zur Verfügung steht, wenn wir keine Lösung haben? Aber vom Staatsminister Schneider für Ostdeutschland kommt dazu nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen jemanden in der Bundesregierung, der zum Hörer greift und sich gegen den Wirtschaftsminister durchsetzt, wenn existenzielle Fragen einer bezahlbaren und sicheren Energieversorgung in Ostdeutschland auf der politischen Agenda stehen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre alles versemmelt, und jetzt das!)
Wie viel soll das halbe Pfund Butter in ostdeutschen Regalen noch kosten, bis diese Bundesregierung endlich aufwacht?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sage es offen heraus: Ich finde es enttäuschend,
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Haben Sie noch ein anderes Thema?)
dass sich der Staatsminister für Ostdeutschland in dieser für uns so wichtigen Debatte nahezu vollständig weggeduckt hat.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Quatsch! Er war doch dort!)
Es spricht Bände, dass in den vergangenen Tagen, wo viele Menschen in Leuna und besonders in Schwedt von existenziellen Ängsten geplagt sind, der für Ostdeutschland zuständige Staatsminister nicht Tag und Nacht in der Regierungszentrale arbeitet, um Lösungen anzubieten. Wo ist der Staatsminister, liebe Sozialdemokratie?
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Dahinten! – Achim Post [Minden] [SPD]: Er ist hinter dir!)
Ihr Staatsminister hat es für wichtiger gehalten, in den letzten Tagen an einem Fußballturnier im finnischen Lahti teilzunehmen, anstatt den Ostdeutschen eine Antwort auf die drängenden Fragen zu geben.
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Peinlich!)
Das ist der Respekt des Staatsministers gegenüber dem Osten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist eine superpeinliche Rede!)
Sehr geehrter Herr Schneider, es fehlt Ihnen offensichtlich an Respekt gegenüber den betroffenen Menschen in Leuna und Schwedt,
(Lachen des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Tut Opposition so weh? Tut es so weh, in der Opposition zu sein?)
es fehlt Ihnen offensichtlich an Demut vor dem Amt, und es fehlt Ihnen offensichtlich an politischer Durchsetzungsfähigkeit, wenn es für den Osten darauf ankommt.
Es ist richtig, liebe Linda Teuteberg, dass das Transformationszentrum endlich kommt. Es ist richtig, weil wir als Große Koalition in der letzten Wahlperiode bereits das Fundament dazu gelegt haben. Und es ist richtig, dass die Transformation auch Osteuropa mit in den Blick nimmt. Doch wo ist jetzt der Respekt den Osteuropäern gegenüber? Polen liefert an die Ukraine Panzer und hat von unserer Bundesregierung Ersatz versprochen bekommen. Ich zitiere:
Tatsächlich haben wir ein solches Versprechen auch bekommen und Deutschland hat versprochen, uns diese Panzer zu liefern.
Sie haben dieses Versprechen nicht erfüllt … Offen gesagt: Wir sind sehr enttäuscht darüber.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Oh!)
Das sagt kein Geringerer als Polens Präsident Andrzej Duda.
Wer ostdeutsche Interessen wahrnimmt, wer weiter Scharnier sein will zwischen Ost- und Westeuropa, der muss auch mit den osteuropäischen Staaten sprechen, und das ist Ihre Aufgabe, Herr Staatsminister. Dieser kommen Sie nicht nach. Daran sind Sie bereits gescheitert. Ihre Messlatte ist gerissen.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Peinlich! Superpeinliche Rede! – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Die Oppositionsschmerzen scheinen schlicht unerträglich!)
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Helge Lindh das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537004 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, Unabhängiger Kontrollrat |