01.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt EPL 05

Michelle MünteferingSPD - Auswärtiges Amt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es mal vorweg – vielleicht gibt es dem einen oder anderen auf dieser Seite zu denken –: Frauenrechte sind Menschenrechte, und Menschenrechte sind Frauenrechte.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Frauen sind auch Menschen!)

Außenpolitik ist auf jeden Fall nichts zum Zuschauen. Demokratie und Multilateralismus brauchen den Einsatz eines jeden von uns. Putins Krieg bedeutet auch deswegen eine Zäsur für unsere Außenpolitik, weil sein brutaler Angriff auf die Ukraine die zivilen Errungenschaften der Machtgier zum Fraß vorwirft. Es ist der Bruch des internationalen Rechts auf brutale Weise. Ja, die größte Stärke, liebe Frau Außenministerin Annalena Baerbock, die wir dem entgegensetzen können, ist die Geschlossenheit unserer Antwort – international und auch hier im Parlament.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen kann ich nur dazu auffordern – auch diejenigen, die beim Sondervermögen noch unentschlossen sind –: Setzen wir auf ein starkes Zeichen aus Deutschland, auf den klaren Willen, auch in die Verteidigung unserer Überzeugungen zu investieren, sie zu schützen, gerade auch mit einer handlungsfähigen Bundeswehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Partnerschaft, die einfache Übersetzung von Multilateralismus, bedeutet immer auch Verantwortung. Deutschland hat Verantwortung in Europa und der Welt. Das heißt auch, dass wir einander beistehen: wir unseren Partnern, so wie wir auf den Beistand anderer zählen.

Das sind keine einfachen Zeiten. Die Folgen des Klimawandels, Hunger, Ungleichheit, eine Pandemie fordern uns. Der Angriffskrieg Russlands als Tiefpunkt europäischer Nachkriegsgeschichte hat weite Auswirkungen – heute in Gänze kaum abzusehen. Er zeigt auf dramatische Weise leider auch, dass die Lesart dieses eklatanten Bruchs des Völkerrechts nicht überall auf der Welt gleich ist.

Als interfraktionelle Delegation bei der IPU, der Weltparlamentarierkonferenz, angeführt von Ralph Brinkhaus, haben wir das vor einigen Wochen erlebt. Afrika und Asien wachsen immens. Gleichzeitig zielt die russische Propaganda vor allem in diese Teile der Welt. Der globale Systemwettbewerb hat an Schärfe gewonnen, und auch in Demokratien sehen wir tiefe Spaltungen in Gesellschaften.

Umso mehr ist es heute Aufgabe von Diplomatie, auch diejenigen zu überzeugen, die nicht selbstverständlich auf der Straße der Demokratie fahren. Das bedeutet ja, auch in Außenpolitik, in Diplomatie zu investieren. Angesichts der weltweiten Krisen liegt der haushalterische Schwerpunkt des Auswärtigen Amtes in diesem Jahr neben den Investitionen in das diplomatische Netzwerk auf der humanitären Hilfe. Mit 2,7 Milliarden Euro macht sie ein Drittel des Etats von rund 7,5 Milliarden Euro aus. Aber als Vorsitzende des Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik möchte ich auch diesen Bereich hervorheben.

Die AKBP bleibt eine wichtige Säule der deutschen Außenpolitik. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Haushalt wurde die Erhöhung auf über 1 Milliarde Euro beschlossen. Wir erreichen also die Kulturmilliarde. Diese brauchen wir auch weiterhin in Ergänzung zu dem, was wir an anderen Stellen investieren. Das ist eine gute Nachricht.

Ich sage aber auch: Ohne den deutlichen Willen des Bundestages und die fraktionsübergreifende Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen. Deswegen danke auch von mir an alle Kolleginnen und Kollegen, die geholfen haben, und ganz besonders danke ich dir, liebe Wiebke Papenbrock, die du uns heute von zu Hause aus zusiehst und dein Kind erwartest. Alles Gute dir und deiner Familie.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Danke, dass Sie sich für diesen Bereich der Friedenspolitik einsetzen, für unsere Mittlerorganisationen, das Goethe-Institut, den Deutschen Akademischen Austauschdienst, das Institut für Auslandsbeziehungen, die Deutsche Welle, das Archäologische Institut oder die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und die Auslandsschulen, die so wichtige Arbeit leisten.

Aber warum setzt der Bundestag gerade hier gemeinsam ein Zeichen? Was bedeuten hier Kultur und Bildung in der Außenpolitik in Zeiten des Krieges in Europa? Die Antwort ist relativ einfach. Wir wissen, dass sich auch jenseits der Diplomatie, der Verteidigung und der multilateralen Organisationen, die es zu stärken gilt, viel Gutes bewegen lässt; ein Beitrag dazu, dass wir die Kurve noch kriegen, bevor unser Planet komplett in Schutt und Asche liegt.

Dafür brauchen wir den Austausch der Menschen, Begegnungen Junger, das Potenzial Kreativer und nicht zuletzt eine lebendige Debatte darüber, wie wir in dieser Welt leben wollen – weil wir es langfristig nur schaffen, als Menschheit auf diesem Planeten zu überleben, wenn wir zivilisierte Diskussionen ermöglichen.

Austausch und Demokratie brauchen Offenheit, die schützenswert und leider noch nicht überall selbstverständlich ist; viel zu oft ist sie sogar lebensgefährlich. Deswegen werden wir die Schutzprogramme für Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausweiten, ein neues für verfolgte Journalistinnen und Journalisten errichten und mit der Elisabeth-Selbert-Initiative Menschenrechtsaktivistinnen und ‑aktivsten aus der Ukraine, aus Belarus und Russland unterstützen. Danke auch dafür.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diejenigen, die sich für Frieden und für Freiheit einsetzen, werden wir unterstützen und ihnen mit den Mitteln der AKBP unter die Arme greifen. Denn wir sehen: In unserer Nachbarschaft will eine junge Generation in Freiheit, Frieden und Demokratie leben und sich eben nicht unterdrücken lassen. Den Diskurs mit Osteuropa wollen wir vertiefen, auch mit dem Programm Östliche Partnerschaft. Wir denken auch an Osman Kavala, einen Brückenbauer zwischen der Türkei und Deutschland, der hinter Gittern sitzt und freigelassen gehört.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Außenpolitik ist nichts zum Zuschauen. Demokratie braucht uns alle, darum geht es. Die großen Verschiebungen der Macht passieren jetzt, und sie gehen auch mit gezielter Desinformation autokratischer Systeme einher. Deswegen muss auch die strategische Kommunikation ganz oben auf der Tagesordnung des Auswärtigen Amtes stehen. Den Wunsch verbinde ich mit einem herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen im diplomatischen Dienst, an Sie, liebe Frau Außenministerin Annalena Baerbock.

Ich will mit einem Zitat schließen, an das mich Präsident Selenskyj in seiner Rede in Cannes bei dem großen Filmfestival erinnert hat. Da hat er gesagt: Wir brauchen einen neuen Chaplin. – Ich habe daraufhin die Rede am Schluss des Films „Der große Diktator“ nachgelesen. Da heißt es:

Zu denen, die mich hören können, sage ich – verzweifle nicht. Das Elend, das jetzt auf uns zukommt, ist nur das Vergehen der Gier – die Bitterkeit der Menschen, die den Weg des menschlichen Fortschritts fürchten. Der Hass der Menschen wird vergehen und Diktatoren sterben, und die Macht, die sie dem Volk abgenommen haben, wird zum Volk zurückkehren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es folgt für die FDP-Fraktion der Kollege Uli Lechte, Entschuldigung Ulrich Lechte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537021
Wahlperiode 20
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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