Michael BrandCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt wird in einer historisch einmaligen Phase beraten. Wir befinden uns in einem historischen Umbruch. In diesem Umbruch, in dieser neuen Ära muss sich die deutsche Außenpolitik neuen Fragen stellen. Mit alten Rezepten, mit dem alten Appeasement, auch mit der alten Konzeption der Europäischen Union, die Probleme zumeist mit Geld zudeckt, kommen wir nicht mehr weiter. Das spüren wir auch alle.
Menschenrechtsbasierte Außenpolitik ist immer konkret. Das heißt: Es darf keine doppelten Standards geben – auch nicht im Umgang mit Katar –, und es braucht einen deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog auf Augenhöhe angesichts eines brutalen Vernichtungsfeldzugs gegen Minderheiten wie die Uiguren und die Tibeter.
Vor allem geht es aber in dieser Zeitenwende und angesichts dieser großen Gefahr für Europa um Menschenrechte, Stabilität und Verlässlichkeit. Ohne Verlässlichkeit, ohne Glaubwürdigkeit der handelnden Akteure werden wir die existenzielle Gefahr für unseren Kontinent nicht abwenden.
Allerdings – das muss ich nach vielen internationalen Kontakten in den letzten Wochen bekennen – ist durch das zynische Taktieren der Bundesregierung in Bezug auf die Hilfe für die bedrohte Ukraine mit immer neuen, nie überzeugenden, immer fadenscheinigen Manövern ein katastrophaler Vertrauensverlust für Deutschland eingetreten, der zudem die Glaubwürdigkeit Europas massiv beschädigt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Petry [SPD]: Was ist das für ein Unsinn!)
Die seltsam dünnhäutige Rede des Bundeskanzlers heute hat diese massive Beschädigung nicht repariert – im Gegenteil. Man konnte es ja geradezu mit den Händen greifen: Hier stimmt etwas nicht, hier wird nicht glaubwürdig gehandelt.
(Zuruf von der SPD: Das ist aber eure Wahrnehmung!)
Wenn das Wort des größten EU-Landes Deutschland nicht mehr gilt, fällt Europa als wesentlicher Akteur zur Sicherung des Friedens aus. Diese Haltung schwächt die EU in dieser Krise existenziell, weil die Bundesregierung sich wegen innerparteilicher Debatten in der SPD – es ist bezeichnend, dass die Proteste gerade jetzt aus Ihren Reihen kommen – weigert, Aggression und Völkermord effektiv in die Schranken zu weisen. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Kontinent Europa.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Petry [SPD]: Das wird doch immer schlimmer!)
Dieses zynische Spiel läuft ja vor den Augen der ganzen Welt ab, auch wenn einige hier diese bittere Wahrheit nicht vertragen können. Sie alle haben geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Dazu zählt nach unserer Staatsräson, dass wir Völkermord und Angriffskrieg nicht noch einmal zulassen. Gerade die SPD hat immer wieder erklärt: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. – Auch die SPD wird einen hohen Preis für diesen Glaubwürdigkeitsverlust bezahlen.
(Christian Petry [SPD]: Auf welcher Seite stehen Sie denn?)
Wer heute der Ukraine – für jedermann ja erkennbar – die nötige und mögliche Hilfe verweigert und auch noch behauptet, man würde alle mögliche Hilfe leisten, der versagt nicht nur in den Augen der Opfer. Er schadet auch dem nationalen Interesse der Bundesrepublik Deutschland und verletzt seinen Amtseid.
(Christian Petry [SPD]: Das ist einfach nur ekelhaft! – Michelle Müntefering [SPD]: Sie können sich informieren in der Geheimschutzstelle!)
Die Folgen spüren wir jetzt schon. Der Bundeskanzler wird in wenigen Tagen für einen Kurzbesuch auf den Balkan reisen. Schon jetzt gilt: Es reicht nicht mehr, dass ein europäischer Spitzenpolitiker dort kurz die Nase in die Tür steckt und sagt: „Wir sind mit euch.“ Insbesondere dieser Bundeskanzler wird es schwerhaben, weil sein Wort bei vielen nicht mehr gilt.
Der Krieg in der Ukraine bedroht Millionen auf anderen Kontinenten mit dem Hungertod. Die humanitäre Hilfe muss darauf eine entschlossene und auch eine gewichtige Antwort finden. Die Außenministerin wird im Anschluss an diese Debatte im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu Gast sein. Dort werden wir über die konkreten Schritte gegen die Geiselnahme der Hungernden in der Welt durch den Kriegsverbrecher Putin sprechen. Die vom Hungertod Bedrohten brauchen keine leeren Solidaritätsadressen, sondern konkrete Aktionen. Ich weiß und ich schätze ausdrücklich, dass die Bundesaußenministerin nicht zu den Zynikern zählt und hier alles versucht, was möglich ist.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?
Nein.
(Dr. Nils Schmid [SPD]: Sie sind aber auch sehr dünnhäutig!)
Deshalb geht an uns alle – besonders an die SPD; Zuhören hilft auch manchmal –
(Zuruf der Abg. Michelle Müntefering [SPD])
in diesem Parlament der Appell, dass wir bereit bleiben für besondere Maßnahmen, auch im Bundeshaushalt, um eine Katastrophe abzuwenden; Frau Ministerin Baerbock hat das gerade beschrieben.
Wenn wir uns insgesamt in dieser historischen Gefährdung des Friedens auf unserem Kontinent und darüber hinaus nicht bewähren, wenn wir mutlos bleiben, wenn wir unfähig bleiben, die richtigen Entscheidungen zu treffen, dann droht uns das Ende des Projekts „Europa als Friedensordnung“. Es braucht kluges, sorgfältiges, von Verantwortung und nicht von Feigheit getriebenes Überlegen. Vor allem braucht es auch rasches und richtiges Entscheiden. Dazu zählt eine echte, nicht nur rhetorische Einladung zu EU-Beitrittsverhandlungen für die Länder des westlichen Balkans –
(Christian Petry [SPD]: Das hat Ihre Partei ja bisher verhindert!)
Zugeständnisse an Serbien nur dann, wenn es sich endlich von Putin löst –, für die Ukraine und Moldau. Eine strategische Debatte und eine Neuausrichtung angesichts der global größten Gefahr China sind überfällig. Darauf hoffe ich, und dafür stehen wir als Union bereit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Petry [SPD]: Vom Saulus zum Paulus!)
Für eine Kurzintervention erhält das Wort der Kollege Axel Schäfer.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537023 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |