Frank SchwabeSPD - Auswärtiges Amt
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich will Herrn Brand antworten. Wir beide schätzen den Europarat. Ich darf nicht zu viele Details verraten. Nur so viel: Dass Russland stante pede – innerhalb von Stunden – aus dem Europarat geschmissen wurde, war nicht so einfach, wie es nach außen ausgesehen hat.
(Michael Georg Link [Heilbronn] [FDP]: So ist es!)
Es war notwendig, dass Deutschland dort die führende Rolle eingenommen hat. Ich kann Ihnen die entscheidenden Länder nicht alle aufzählen – und ich will sie nicht alle aufzählen, weil uns das in der Zusammenarbeit und bei der Unterstützung der Ukraine nicht hilft –, aber klar ist: Das war alles andere als selbstverständlich. Wenn Deutschland an manchen Stellen nicht die drängende und führende Rolle einnehmen würde, dann wären wir bei der Isolierung Russlands nicht so weit. Ich finde, das kann man zumindest zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
In diesen Tagen können wir natürlich keine Debatte führen – schon gar keine außenpolitische Debatte –, ohne zu berücksichtigen, was in der Ukraine los ist, was in diesen Minuten Schreckliches in der Ukraine passiert. Es ist in der Tat die Zeitenwende, von der der Bundeskanzler gesprochen hat. Es ist bitter, aber es ist so, dass die Friedensdividende, von der wir dachten, dass wir sie hatten – wir hatten sie auch; das kann man anhand der Zahlen der letzten 30 Jahre nachvollziehen –, gerade aufgefressen wird und im Grunde genommen jetzt weg ist. Deswegen ist es richtig – und das eint uns in der Tat in diesem Teil dieses Hauses –, dass wir sagen: Wir müssen uns militärisch stärken, und zwar nicht, weil wir Lust darauf haben, sondern weil wir es tun müssen. Wir machen das aber nicht mit großem Jubel; jedenfalls nicht in der Ampelkoalition.
Ich war ein bisschen irritiert über manche Verhaltensweisen in der Union, als der Kanzler seine Rede zur Zeitenwende gehalten hat. Die militärische Antwort ist wichtig, aber sie reicht eben nicht aus; das ist betont worden. Die Frage ist: Wie können wir sie so umsetzen, dass deutlich wird, dass wir nicht in eine Rüstungsspirale eintreten dürfen, sondern andere Formen von Außenpolitik in einem umfassenden Ansatz entsprechend stärken müssen?
Ich glaube, das ist das, was meine Fraktion leisten kann, das ist das, was die Ampelkoalition leisten kann, und ich finde, das ist auch das, was dieser Bundeshaushalt leistet – es ist genannt worden –: Es ist die humanitäre Hilfe, die Entwicklungszusammenarbeit, die Krisenprävention, die feministische Außenpolitik, die Stärkung internationaler Organisationen und Institutionen, übrigens auch die Klimaaußenpolitik, und es ist auch das Vordenken – das muss man sich klarmachen, auch wenn wir uns das gerade nicht vorstellen können – von neuen Abrüstungsschritten. Es wird sich wieder ein historisches Fenster öffnen, und das werden wir dann auch nutzen müssen. Ich finde, genau dieser umfassende Ansatz wird in diesem Bundeshaushalt abgebildet.
Wir sind in den letzten Jahren Weltmacht im Bereich der humanitären Hilfe geworden. Jürgen Trittin hat darauf hingewiesen: Manche Entwicklungen internationaler Art haben dazu geführt, dass wir die Mittel im Haushalt noch einmal etwas erhöht haben; am Anfang war das nicht gut geregelt. Wir haben in den letzten Jahren einen Aufwuchs auf über 2 Milliarden Euro hinbekommen. Damit sind wir weltweit auf Platz zwei. Wir helfen damit nicht nur Millionen von Menschen weltweit, sondern wir haben auch unsere diplomatische Rolle auf dem internationalen Parkett gestärkt; denn wir werden sehr wohl als zweitgrößter Geber weltweit wahrgenommen.
Wir stärken mit diesem Haushalt den Bereich Klimadiplomatie. Ich habe es richtig gefunden, dass das Thema im Auswärtigen Amt verankert wird, so wie es in manchen anderen Ländern schon längst der Fall war, wie zum Beispiel in Großbritannien. Man muss das Amt dann aber auch mit den entsprechenden Mitteln ausstatten. Manches hätte man sich im Auswärtigen Amt vielleicht mehr gewünscht, trotzdem ist das durchaus gelungen mit diesem Haushalt. Es ist wichtig, dass wir klarmachen: Auch dort haben wir einen umfassenden Ansatz. Das Auswärtige Amt arbeitet zusammen mit dem BMZ, dem Klima- und dem Innenministerium, dem Umweltministerium und anderen an dem Thema.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Peter Heidt [FDP])
Wir stärken mit diesem Haushalt die Menschenrechtsarchitektur. Das ist auch ein wichtiges Anliegen des Koalitionsvertrags, und zwar national und international. Wir müssen aufpassen, dass im Schatten der Situation in der Ukraine die Gefahr nicht größer wird, dass Regime und Autokraten diese Situation ausnutzen und ihre Dividende einfordern. Da müssen wir vorsichtig sein. Das betrifft den Umgang mit China – auch das ist genannt worden –, das betrifft aber auch den Umgang mit der Türkei, bei der es anscheinend auch die Erwartung gibt, dass es jetzt eine Dividende für Wohlverhalten geben könnte. Ich will es noch mal unterstreichen: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten eher eine Zuspitzung der Lage in der Türkei gesehen. Die Türkei ist schlichtweg aufgefordert – da wird es auch keinen Kredit geben –, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen. Insbesondere muss Osman Kavala umgehend freigelassen werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber ich will auch das sagen: Das betrifft auch Länder wie zum Beispiel Indien – eine Demokratie, die aber schwierige Tendenzen im Bereich des Hindunationalismus aufweist. Auch damit werden wir uns kritisch auseinandersetzen müssen. Auch da müssen wir deutlich machen: Es kann keinen Kredit geben für Wohlverhalten auf UN-Ebene.
Wir stärken die Menschenrechtsarchitektur in Deutschland. Wir stärken das Deutsche Institut für Menschenrechte, nicht in diesem Einzelplan, aber insgesamt im Haushalt. Wir stärken die OSZE. Wir stärken den Internationalen Strafgerichtshof, den Hohen Kommissar für Menschenrechte. Wir stärken aber auch den Europarat mit 11 Millionen Euro. Das ist relativ wenig Geld im Vergleich zu diesem großen Haushalt, es hat aber eine riesengroße Bedeutung. Die Ministerin konnte – das habe ich gehört – in Turin beim Treffen der Ministerinnen und Minister glänzen.
Ich will noch mal sagen: Es ist eine Riesenchance, den Europarat in einer Situation zu nutzen, wo uns allen klar ist, dass wir Südosteuropa, den Westbalkan stärker an Europa heranführen müssen und manches nicht sofort über die Europäische Union gehen wird. Da ist es eine gute Möglichkeit, den Europarat zu nutzen, indem zum Beispiel Kosovo so schnell, wie es geht, Mitglied des Europarats wird.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion erhält das Wort der Kollege Peter Heidt.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537028 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |