Thomas ErndlCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Heidt, die Handlungsfähigkeit und diese tolle Leistung der Regierung sind unterm Strich wenig glaubwürdig, wenn sie hier beschworen werden, während zugleich aus den eigenen Reihen letztendlich genügend Damen und Herren da sind, die in die gleiche Kerbe schlagen wie wir als Union. Da geben Sie kein geschlossenes Bild ab, was letztendlich die Glaubwürdigkeit unterminiert.
Vor wenigen Tagen habe ich die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besucht, einen zutiefst bedrückenden Ort. Besonders schmerzt der Gang durch die Gedenkstätte für die 1,5 Millionen ermordeten Kinder, eine dunkle Höhle, ein Raum, der nicht greifbar ist und in dem sich fünf Kerzen so oft spiegeln, dass man glaubt, unter einem Sternenhimmel zu sein. Im Hintergrund werden die Namen der ermordeten Kinder vorgelesen: Mira Goikhman, sechs Jahre alt, ermordet in der Ukraine; Rubim Vainshtain, zwei Jahre alt, ermordet in der Ukraine; oder Riva Grossmann, drei Jahre alt, ermordet in Cherson, Ukraine, im Jahr 1941. Es dauert drei Monate, bis alle Namen vorgelesen wurden.
Meine Damen und Herren, in der Ukraine, auch in Cherson, wird wieder gemordet. 81 Jahre nachdem Riva, Rubim und Mira durch die Nazis und ihre Handlanger umgebracht wurden, sterben dort wieder grausam Kinder. Da möchte ich die Frage an die Bundesregierung und die Ampelfraktionen richten: Was bedeutet eigentlich „Nie wieder!“? Was bedeutet das eigentlich angesichts des russischen Vernichtungskriegs mitten in Europa? Was bedeutet denn „Nie wieder!“, wenn wir ein „Schon wieder!“ vor unserer Haustür haben, einen Angriffskrieg, basierend auf Rassismus und Großmachtfantasien?
Wir sind immer gut darin, wenn es um das Erinnern geht, das Erinnern an die Verbrechen der Vergangenheit. Das ist wichtig, aber Erinnern darf nicht bloß ein Ritual sein, sondern aus dem Erinnern müssen konkrete Schlüsse für das Hier und Jetzt gezogen werden. Da muss auch konkretes Handeln folgen. Da muss ich sagen: Es ist einfach nicht ausreichend, was die Bundesregierung hier macht. „ Nie wieder!“ muss doch bedeuten, dass wir entschieden und entschlossen handeln, aus einer Position der Stärke agieren und eben nicht durch Zaudern und Ängstlichkeit für Irritationen bei unseren Freunden und Partnern sorgen.
Frau Bundesministerin, Sie haben vor einigen Wochen zum Thema Waffenlieferungen gesagt, es dürfe jetzt keine Ausreden mehr geben. Wieso suchen dann Teile der Regierung jede Woche eine neue Ausrede, wenn es um die Lieferung schwerer Waffen geht?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Setzen Sie sich durch! Sie haben dabei unsere Unterstützung.
Meine Kolleginnen und Kollegen, das Bild Deutschlands ist vor allem in Osteuropa verheerend. Das ist nicht mein Urteil, sondern das ist durch viele Aussagen belegt, zuletzt durch den polnischen Präsidenten. Ist das nun die Lehre aus unserer Geschichte, dass viele Länder glauben: „Wenn es darauf ankommt, dann kann man sich auf Deutschland nicht verlassen“? Kann es unser Ziel sein, dass der ukrainische Außenminister sagt, er habe es satt, auf Deutschland zu warten?
Frau Bundesministerin, Sie haben an dieser Stelle bei der ersten Lesung des Haushalts selber gesagt, Ihnen gehe das auch an die Nieren. „ Nie wieder!“ muss doch heißen, dass wir dem sinnlosen Sterben von Rivas, Rubims und Miras ukrainischen Nachfahren ein Ende setzen. Das geht eben nur, wenn die Ukraine richtig befähigt ist, sich zur Wehr zu setzen. Das geht nur, wenn wir auch zu dem Punkt kommen, dass umfassend neuestes Gerät eingesetzt wird. Da muss man auch ein paar Monate in die Zukunft denken, und da muss auch die Anzahl der Fahrzeuge und Systeme angemessen sein und nicht nur die Symbolik mit wenigen Stück.
Es geht nämlich nicht darum, irgendwas zu liefern, irgendwie auch bei den Unterstützern dabei zu sein. Aber diesen Eindruck hat man leider von dieser Bundesregierung. Dieser Eindruck geht eben auch durch die Selbstgefälligkeit, mit der der Kanzler heute Morgen wieder einmal die angeblich so große Unterstützung gepriesen hat, nicht weg.
Es geht doch darum, ein Ziel zu erreichen – ein Ziel, das auch Sie formuliert haben: Russland darf nicht gewinnen; die Ukraine muss gewinnen. An diesem Ziel muss unser Handeln ausgerichtet sein. Da müssen wir deutlich pragmatischer werden. Die Ukraine investiert Zeit und Personal für die Bedienung der Panzerhaubitze 2000, und wir liefern 7 Stück. 60 Stück sind nicht einsatzbereit. Ist es für die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ein Problem, diese Haubitzen in wenigen Monaten einsatzbereit zu machen? Dann könnten wir deutlich mehr aus dem Bestand liefern. Damit hätten wir schon vor drei Monaten anfangen sollen. Genauso versteht niemand, warum Marder und Leopard 1 aus den Beständen der Industrie nicht schon längst im Einsatz sind.
Meine Damen und Herren, in politischen Sonntagsreden hört man oft: Europa muss souveräner werden. – Auch in Ihrem Koalitionsvertrag findet sich diese Aussage. Europa kann aber nur souveräner werden, wenn Mitgliedsländer vorangehen. Deutschland hat hier eine Führungsrolle. Aber es ist keine Führung, wenn wir immer nur unter Druck handeln. Heute wurde verkündet: Wir liefern jetzt Mehrfachraketenwerfer. – Das ist eine gute Entscheidung. Das geschieht aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil der US-Präsident angerufen hat. Das ist doch keine Führung, das ist doch nicht mehr Souveränität. Das führt zur Verzwergung der EU, wenn wir so weitermachen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und es geht weiter: Diese Regierung hat keine Meinung zum EU-Kandidatenstatus für die Ukraine. Dabei verteidigen die tapferen Kämpferinnen und Kämpfer unsere Werte, unsere Sicherheit, unser Europa, frei und demokratisch. Ich möchte, dass wir ihnen Rückendeckung und Vertrauen und ein klares Signal für den Weg in die EU geben. Das alles ist beschämend und traurig. Ich habe noch nie von so vielen Menschen den Satz gehört: Ich schäme mich für mein Land.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist doch Blödsinn! So ein Quatsch! Das haben Sie vielleicht von bayerischen Bürgern über die Landesregierung gehört! – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden doch Deutschland schlecht als Union! Alles schlecht reden!)
Dafür ist der Bundeskanzler verantwortlich.
Frau Ministerin, sorgen Sie bitte dafür, dass Deutschland in dieser Krise beherzt handelt, dass wir ein verlässlicher Partner für unsere Freunde gerade in Osteuropa sind. Das Sondervermögen für die Bundeswehr ist dabei ein wichtiges Signal. Es ist gut, dass Sie und Ihre Partei jetzt bereit sind, diese 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr auszugeben.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.
(Karsten Hilse [AfD]: Bitte kommen Sie zum Ende!)
Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Gehen Sie bitte auch bei den Lieferungen schwerer Waffen für die Ukraine genauso mutig voran, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537030 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 40 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |