02.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt EPL 06, 21

André BergheggerCDU/CSU - Innen und Heimat, Datenschutzbeauftragter

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin Faeser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie kann ein Donnerstagmorgen in einer Haushaltswoche schöner beginnen als mit der Debatte des Einzelplans 06?

(Konstantin Kuhle [FDP]: Gar nicht!)

Ich kann mir kaum was Schöneres vorstellen.

(Zuruf von der FDP: So weit stimmt das schon mal!)

– So weit stimmt das schon mal.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Gute Rede!)

Intensive Haushaltsberatungen liegen hinter uns. Wir werden Ende der Woche einen Haushalt für das Jahr 2022 beschließen, der ehrlicherweise nur ein halbes Jahr Gültigkeit hat. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Bis jetzt galt die vorläufige Haushaltsführung.

In diesem Zusammenhang danke ich dem Innenministerium, Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie haben jederzeit umfassend und zügig alle Fragen beantwortet. Das hat die Arbeit sehr erleichtert. Vielen Dank an dieser Stelle.

Erlauben Sie mir einige grundlegende Anmerkungen zum Haushalt im Allgemeinen, bevor ich dann auf den Einzelplan 06 eingehen werde.

Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

Wir antworten auf die ökonomische Zeitenwende aufgrund der Inflation durch die Rückkehr zu soliden Haushalten und das Ende immer neuer Schulden.

So hat es Finanzminister Lindner am Dienstag in der allgemeinen Finanzdebatte gesagt. Ehrlicherweise spekuliert er hier leider nur über den Haushalt 2023, denn der Haushalt 2022 ist natürlich das komplette Gegenteil davon. Das kann man angesichts der Zahlen nicht schönreden. Das weiß er auch. Nur er redet nicht so gerne darüber.

Das Volumen dieses Haushaltes beträgt 500 Milliarden Euro. Das ist eine unvorstellbare Summe für die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und natürlich auch hier im Saal. Davon werden alleine rund 140 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen. 140 Milliarden Euro, das sind 140 Tausend Millionen, um das nur noch mal deutlicher zu machen. Auch das ist eine gigantische Summe. Dazu werden wir noch das Sondervermögen der Bundeswehr zu zählen haben.

Das alleine bedeutet in diesem Jahr weitere 200 Milliarden Euro an Krediten, die irgendwann mit Zins und Tilgung zurückzuzahlen und zu bedienen sind. Warum sage ich das? Der finanzielle Spielraum für die allgemeine Schuldenbremse in Normalform beträgt derzeit rund 23 Milliarden Euro. Er ist alleine durch die Zurückzahlung der Coronasonderkredite aus den letzten Jahren und durch die finanzielle Verpflichtung bei dem Programm „Next Generation EU“ schon mit 15 bis 16 Milliarden Euro belegt. Das zeigt, glaube ich – eine Anmerkung zum Nachdenken –, wie eng der finanzielle Spielraum ist und welche finanzpolitische Verantwortung es in den nächsten Jahren gibt, insbesondere wenn wir die Schuldenbremse einhalten wollen.

Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Ampelkoalition, ich bin der festen Überzeugung: Sie können nicht einfach den Koalitionsvertrag abarbeiten und die riesigen finanzpolitischen Herausforderungen aus der Coronapandemie und aus den Auswirkungen des Ukrainekrieges on top setzen. Diese Rechnung wird schwer aufgehen. Sie werden Prioritäten setzen müssen. Die Devise wird sein: Pflicht vor Kür.

Wenn Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren und wenn Sie die Schuldenbremse einhalten werden oder es versuchen, dann begrüßen wir das natürlich. Selbstverständlich werden wir dabei aber auch andere thematische Schwerpunkte setzen. Wenn Sie jedoch zulasten der nachfolgenden Generationen weiter in den Verschuldungsstaat gehen, werden wir wachsam sein und versuchen, Sie auf den Pfad der Tugend zurückzubringen. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, und zwar, als besonderes Beispiel, beginnend unter der Federführung von Finanzminister Schäuble, wie wichtig finanzielle Polster sind, um resilient und in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu sein. Darauf müssen wir wieder achten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Einzelplan 06 im Besonderen. Dazu gibt es natürlich viel zu sagen, Frau Ministerin, auch aufgrund Ihrer vielen nachgeordneten Behörden. Für die Unionsfraktion kann ich, glaube ich, sagen, dass wir die Stärkung der inneren Sicherheit im engeren Sinne selbstverständlich unterstützen – das steht außer Frage –, sowohl den Mittelaufwuchs als auch den Stellenaufwuchs. Hier sind die 1 000 zusätzlichen Stellen bei der Bundespolizei besonders zu erwähnen.

Aber man muss auch deutlich sagen: Bei der inneren Sicherheit wäre mehr machbar gewesen, und das ohne finanziellen Mehraufwand im Vergleich zu jetzt. Sie verhalten sich aus meiner Sicht an zwei Punkten widersprüchlich, und das möchte ich gerne verdeutlichen.

Auf der einen Seite haben Sie eine Art finanzpolitische Torschlusspanik und nehmen an Geld, was Sie bekommen können. Das erkennt man an der neuen Rücklage für unvorhergesehene Bedarfe unter anderem beim THW und beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Diese Rücklage ist im Ergänzungshaushalt geschaffen worden und hat die konkrete Summe 34 079 000 Euro. Zum Gesamtbild, zur Vollständigkeit, gehört dazu: Sie parken hier schlicht die Restsumme der Viertelmilliarde Euro, die der Finanzminister für das BMI vorgesehen hat, ohne dass Sie hierzu aktuell einen Bedarf haben.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

Das finde ich ehrlicherweise nicht seriös. Konsequent wäre aus Ihrer Sicht gewesen, dass Sie, wenn Sie diese Mittel derzeit nicht benötigen – Sie sehen keinen Zweck dafür vor –, sie gar nicht in Anspruch nehmen. Da würde ein Haushälter sagen: Das ist sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung. – Das haben Sie leider nicht getan.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die noch viel bessere Lösung wäre gewesen, Sie hätten einfach unseren Anträgen zur Stärkung des BBK auch in diesen Bereichen zugestimmt.

(Beifall der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Dazu haben wir diverse Vorschläge gemacht. Das ist doch logisch: Wir wollten die Bereiche „Zivile Verteidigung“, „Bevölkerungsschutz“ und „Katastrophenhilfe“ aufstocken und stärken;

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Thema haben wir letztes Jahr besprochen!)

das steht außer Frage. Das haben wir frühzeitig in vielen Gesprächen deutlich gemacht.

Erfreulich ist, dass die Ampel im Laufe der Haushaltsberatungen die eine oder andere Idee aufgenommen hat und entsprechende Deckblätter formuliert hat. Diese konnten wir dann logischerweise mittragen, und wir konnten es ertragen – leider unter Schmerzen –, dass Sie unsere Deckblätter abgelehnt haben. Aber das ging in die richtige Richtung. So wirkt konstruktive Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auf der anderen Seite bedenken Sie bitte, Frau Ministerin: Wir hatten den missglückten Warntag 2020, die Flutkatastrophe im Ahrtal, und schließlich spüren wir alle die schrecklichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Es wird doch immer deutlicher, wie wichtig entsprechende Information der Bevölkerung, rechtzeitige Warnungen und Hinweise sind.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Deswegen rechnen Sie diese Summe aus dem Sondervermögen raus!)

Wenn aber von dem erforderlichen Bedarf des BBK für die NINA-Warn-App, für Cell-Broadcast-Systeme, für das modulare Warnsystem MoWaS und für die Unterstützung der Errichtung moderner Sirenen nur rund die Hälfte bewilligt wird, dann habe ich – ohne dabei die Länder aus der Verantwortung zu lassen; das wird der Kollege Gerster sicherlich gleich wieder zu Recht ansprechen –, Fragen. Der Bedarf ist doch von den Fachleuten angemeldet worden. Hier hätten Sie die Mittel aus der Rücklage einsetzen können – ohne finanziellen Aufwuchs –; hier wären sie sinnvoll angelegt worden. So ist das aus meiner Sicht das falsche Signal.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da uns dieser Punkt so wichtig ist, werden wir bis zum Schluss unseren entsprechenden Änderungsantrag – Frau Präsidentin hat ihn vorhin angesprochen – aufrechterhalten. Ich lege es den Abgeordneten, den Kolleginnen und Kollegen der Koalition nahe, noch einmal darüber nachzudenken. Sie haben noch anderthalb Stunden Zeit.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir wollen weiterhin eine Stärkung in diesem Bereich. Deswegen stellen wir diesen Änderungsantrag zur Abstimmung.

Insbesondere an die FDP appelliere ich: Setzen Sie sich weiter – oder vielleicht kann man auch sagen: wieder – für eine seröse Haushalts- und Fiskalpolitik ein,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Immer! – Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

und achten Sie darauf, nächstes Jahr die Schuldenbremse wieder einzuhalten! Vergessen Sie nicht, was Sie vor der Wahl immer vehement kritisiert haben: unseriöse Finanzen, Schattenhaushalte, hohe Reste und der Gang in den Schuldenstaat.

Dieser Einzelplan hat noch Luft. Hier weise ich nur auf die im Vergleich zu anderen Einzelplänen zweithöchsten Haushaltsreste hin. Das ist nur einer von mehreren Konsolidierungsbeiträgen. So senden Sie unglückliche Signale. Sie setzen aus meiner Sicht falsche Prioritäten. Deswegen werden wir den Einzelplan ablehnen.

Zum Schluss: Denken Sie nicht nur hier, sondern im gesamten Haushalt daran: Jede Zeitenwende muss auch nachhaltig finanziert werden. Ziehen Sie nächstes Jahr wieder die Schuldenbremse! Das sind wir unseren Kindern schuldig.

Vielen Dank fürs freundliche Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU – Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kinder waren Ihnen doch immer egal! Was haben Sie denn 16 Jahre in der Klimapolitik gemacht? Da waren Kinder Ihrer Generation doch egal!)

Als Nächstes hat das Wort für die Bundesregierung die Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537084
Wahlperiode 20
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Innen und Heimat, Datenschutzbeauftragter
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