02.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt EPL 09

Jens SpahnCDU/CSU - Wirtschaft und Klimaschutz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Inflation ist auf Rekordniveau. Der wirtschaftliche Ausblick trübt sich ein. Eine Stagflation droht. Die Energieversorgung ist gefährdet. In Zeiten wie diesen wäre es gut, wenn der Wirtschafts- und Energieminister einen Plan mit klaren Prioritäten vorlegen würde,

(Zuruf von der SPD: Hat er!)

aber in allzu vielen Bereichen – und ich will drei nennen – fehlt ein solcher Plan.

Erstens zur Innovations- und Strukturpolitik. Gerade in Zeiten der Inflation braucht es eine wachstumsfördernde Politik; denn Wachstum weitet das Angebot aus und dämmt damit die Inflation ein. Der Bundesminister der Finanzen hat ein Papier für eine wachstumsfördernde Angebotspolitik vorgelegt und spricht zum Beispiel folgende Punkte an: Bürokratie abbauen

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Reinhard Houben [FDP])

– zumindest die FDP freut sich in der Koalition darüber –, Arbeitsrecht flexibilisieren und Anreize für Investitionen setzen.

So ein Papier hätten wir uns auch von Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, gewünscht.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja!)

Denn nur wenn sich beide, Finanzminister und Wirtschaftsminister, einig sind, dann kommt eine Wachstumspolitik auch zustande. Schiller und Strauß waren wie Plisch und Plum.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau die Rede haben Sie schon mal gehalten!)

Habeck und Lindner sind eher wie Tom und Jerry, wie Katz und Maus. Das ist unterhaltsam. Was wir brauchen, ist aber kein Katz-und-Maus-Spiel;

was wir brauchen, ist ein kohärentes Konzept von Finanz- und Wirtschaftspolitik in diesen Zeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gestern sagten Sie, Rezession vermeiden,

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kaufkraft erhalten, Gerechtigkeit walten lassen, das sei das Ziel. Das sind alles nette Überschriften; das ist alles so weit richtig. Aber was will diese Regierung konkret in Zeiten von Rekordinflation und Unsicherheit in der Wirtschaft tun? Die Bürgerinnen und Bürger und, ja, auch dieses Parlament haben einen Anspruch darauf, endlich einen kohärenten Plan vorgelegt zu bekommen. Gleich haben Sie, Herr Minister, die Gelegenheit dazu.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn der Plan der Union?)

Ein zweites Beispiel ist die Energiepolitik.

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir seien sehr gut vorbereitet, falls wir kein russisches Gas im Winter bekämen, sagen Wirtschaftsminister und Kanzler. Den Eindruck habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht. Der Deutsche Bundestag hat vor zwei Monaten – vor zwei Monaten! – mit Stimmen von SPD, Union, Grünen und FDP die Bundesregierung aufgefordert, einen Ausstiegsfahrplan vorzulegen, mal genau darzulegen jenseits von Interviews und einzelnen Äußerungen, wie viel Terawattstunden Energie, etwa aus Gas, wir bis wann bei den russischen Lieferungen ersetzen wollen und durch was. Bis jetzt haben wir dazu keinen konkreten Plan gesehen. Es hieß vor zwei Monaten, kurzfristig kämen Gaslieferungen aus Katar. Jetzt heißt es: Es kann 2024 werden. – Nichts Genaues weiß man nicht.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen es nicht!)

Stichwort „Gasspeicher“.

(Michael Kruse [FDP]: So einen Füllstand hatten wir in den letzten Jahren niemals! Ihr Minister hat das nicht hinbekommen! 50 Prozent haben wir in den Speichern!)

Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, um auf einen Gaslieferstopp vorbereitet zu sein, und sagen: Kohlekraftwerke sollen möglicherweise am Netz bleiben,

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

auch Braunkohlekraftwerke bemerkenswerterweise, um dann im Fall der Fälle einzuspringen. Warum nicht jetzt schon? Eigentlich müssten wir doch – das sagen wir seit zwei Monaten – schon seit Wochen Kohlekraftwerke stärker nutzen, um Gas bei den Gaskraftwerken zu sparen und die Speicher zu füllen.

(Timon Gremmels [SPD]: Machen wir doch!)

Wären Sie uns vor zwei Monaten gefolgt, hätten wir jetzt schon um 2, 3 Prozent vollere Gasspeicher, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der FDP)

Im Übrigen verstehe ich bis heute nicht, auch in der aktuellen Debatte nicht, warum ein grüner Klimaminister lieber Kohlekraftwerke, auch Braunkohlekraftwerke, im Fall der Fälle am Netz lässt, als CO2-neutrale Kernkraftwerke, die noch in Betrieb sind, noch weiter laufen zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Das will mir nicht in den Sinn. Herr Banaszak hat zu Recht darauf hingewiesen – wir unterstützen Sie dabei und haben mehrfach zugestimmt –, Sie seien an vielen Stellen pragmatisch und täten Dinge, die Sie sonst nicht getan hätten. Das ist anzuerkennen, und das befürworten wir ausdrücklich. Aber es wäre eben gut, wenn Sie auch in dieser Frage Pragmatismus und nicht Ideologie walten ließen.

(Bernd Westphal [SPD]: Das sagen Sie)

Die aktuelle Situation erfordert das jedenfalls, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Dr. Joe Weingarten [SPD]: CDU und AfD Hand in Hand!)

Ein drittes Beispiel: die Handelspolitik. Sie haben gesagt: Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. – Und das stimmt. Auch Handelspolitik ist Sicherheitspolitik. Das hat drei Dimensionen. Erstens: die globale Dimension. Freihandel wirkt gegen Armut, verbindet uns mit der Welt und mit den Partnern, die unsere Werte teilen. Zweitens: die Dimension der Versorgungssicherheit. Freihandel mit verschiedenen verlässlichen Partnern steigert die Resilienz unserer Lieferketten.

(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und drittens: die Dimension unserer Unternehmen und Beschäftigten. Freihandel sichert in Deutschland etwa 4,5 Millionen Arbeitsplätze und damit auch das Einkommen von Millionen Familien. Auch da könnten Sie ein wichtiges Zeichen setzen.

Wir setzen ein solches Zeichen hier jede Woche, etwa über Abstimmungen. Während Sie richtigerweise Gas in Katar und Ägypten kaufen, verweigern Sie bis heute dem Freihandel mit Kanada

(Bernd Westphal [SPD]: Läuft ja schon! – Weitere Zurufe von der SPD)

die Zustimmung hier im Deutschen Bundestag. Die FDP, selbst die Minister der FDP fordern mittlerweile öffentlich die Zustimmung. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie uns in Zeiten wie diesen endlich das Handelsabkommen mit Kanada ratifizieren und eine Zustimmung hier im Deutschen Bundestag erreichen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man muss nur Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann in dieser Frage folgen. Das ist überhaupt kein Problem. Ich verstehe gar nicht, warum an bestimmten Stellen richtigerweise so viel Pragmatismus möglich ist und an anderen Stellen dann wieder die Ideologie überwiegt. Wir alle müssen in Zeiten wie diesen – –

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen überwiegt Ideologie!)

– Nein. Wir sind doch auch bereit und reichen Ihnen an vielen Stellen die Hand,

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

um mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Aber Sie müssen es schon ertragen. Wir sind staatstragend in Zeiten wie diesen; aber wir sind nicht regierungstragend. Sie müssen in diesen Zeiten schon damit rechnen, dass es Kritik gibt für das, was Sie tun oder eben nicht tun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss sie auch fundiert sein!)

Frau Präsidentin, abschließend: Steuereinnahmen halten das Land am Laufen. Das haben Sie kürzlich gesagt, Herr Wirtschaftsminister. Das ist so ähnlich wie „Der Strom kommt aus der Steckdose“ oder „Die Milch kommt aus dem Supermarkt“.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Jetzt kommt wieder der Ukrainesoli!)

Strom muss produziert werden, Bauern müssen die Kühe melken, und das Geld des Staates, das kommt nicht vom Finanzamt. Steuereinnahmen müssen erst einmal erwirtschaftet werden. Es sind die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die das Land am Laufen halten. Es ist wichtig, das immer wieder auch zu zeigen und deutlich zu machen; denn es drückt eine Geisteshaltung aus, wie wir in der Steuerpolitik reden, wie wir über die Frage reden, woher das Geld kommt

(Beifall der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und wie wir mit dem Geld umgehen. In Zeiten wie diesen halten wir es für wichtig, genau das anzuerkennen und zurückzukehren zur Haushaltskonsolidierung, die richtigen Schwerpunkte zu setzen und in Zeiten hoher Inflation eine Politik für Wachstum zu haben. Dazu reichen wir Ihnen gerne die Hand.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537115
Wahlperiode 20
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Klimaschutz
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