02.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 41 / Tagesordnungspunkt EPL 07, 19

Thorsten LiebFDP - Justiz, Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich glaube, ich muss von meinem geplanten Redeentwurf etwas abweichen. Ich fang mal bei Ihnen an, Frau Kollegin Hoppermann. Als ich mir vorhin Ihren Beitrag und Ihr Klein-Klein zum Haushalt angehört habe, ist bei mir ganz klar der Eindruck entstanden: Eigentlich hat die Koalition rechtspolitisch alles richtig gemacht, wenn Sie sich nur am Klein-Klein abarbeiten müssen und keinen einzigen rechtspolitischen Impuls geben können, Frau Kollegin.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eines will ich als Haushälter doch loswerden zu den Punkten, die Sie vorhin angesprochen haben – ich habe gerade versucht, mein Gedächtnis mithilfe des iPad aufzufrischen-: Wo sind eigentlich Ihre ganzen Änderungsanträge zum Einzelplan 07, in denen all die Dinge, die Sie kritisieren, angesprochen werden?

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Lindholz, ich will nicht alles wiederholen, was Marco Buschmann und Konstantin Kuhle heute Morgen richtigerweise gesagt haben. Aber die Verliebtheit und die Erwartungshaltung der CDU/CSU-Fraktion betreffend IP‑Adressen machen mich, ehrlich gesagt, nach zehn Jahren IT‑Recht in der Anwaltspraxis echt fassungslos. Sie müssten sich wirklich noch einmal sehr ernsthaft informieren, was geht und was nicht geht.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wir haben uns informiert! – Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Sie wollen Täterschutz!)

Vor allem gehen Sie in der Praxis davon aus, dass die Täterinnen und Täter, wenn großflächig IP-Adressen erfasst werden, ermittelt werden. Genau das werden Sie nicht erreichen; denn all diese Täter verschwinden im Darknet. Was Sie vorhaben, wird nicht funktionieren. Sie sind auf dem Holzweg.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist völliger Quatsch, und das von einem Anwalt! Erschütternd!)

Klar ist aber: Die Digitalisierung stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen; da sind wir uns alle im Haus einig. Wir müssen uns dabei fundamental fragen, ob die Strukturen, in denen wir heute unterwegs sind, diesen Herausforderungen gerecht werden. Da gibt es, glaube ich, eine ganze Menge zu tun. Daher ist es richtig, dass wir als Koalition gerade im Rechtsbereich auf Digitalisierungsmaßnahmen einen großen Schwerpunkt setzen. Gesetze werden bald digital verkündet und entfalten ihre Wirkung. Alleine das Papier, das dadurch eingespart wird, stellt einen Nachhaltigkeitsbeitrag dar. Weitere Punkte sind notarielle Onlineverfahren, die Erweiterung des digitalen Gesellschaftsrechts und – mein Lieblingskind – die Verstetigung der digitalen Hauptversammlung. Damit kommen wir in diesem Bereich rechtsstaatlich endlich an die Spitze, und das ist dringend nötig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zentral für die Digitalisierung des Rechtsstaates ist – auch das Thema wurde schon kurz angesprochen – die Frage nach dem Schutz von Daten und ihrer Nutzung. Mit der Stiftung Datenschutz haben wir in Deutschland bereits eine kompetente Informations- und Diskussionsplattform. Nachdem gerade Sie in der letzten Wahlperiode versucht haben – ich gucke die Kolleginnen und Kollegen von der Union an –, diese Stiftung auszuhungern,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

ist es jetzt gelungen, sie nicht nur beim BMJ neu anzusiedeln, sondern auch finanziell so zu stärken, dass sie endlich ihre Arbeit machen kann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei bleibt es aber natürlich nicht stehen. Da der Pakt für den Rechtsstaat und der Digitalpakt für Justiz angesprochen wurden, möchte ich das Thema gerne aufgreifen. Ja, er ist wichtig und notwendig. Eine Digitalisierung des Rechtsstaates hat ja auch etwas mit der Attraktivität von Justizberufen zu tun. Auch da haben wir dringenden Nachholbedarf. Aber eines muss klar sein: Der Pakt für den Rechtsstaat und der Digitalpakt für Justiz bedeuten doch nicht, dass der Bund den Ländern das Justizpersonal bezahlt.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Das ist ein völliges Missverständnis. Es geht um eine fundamentale Modernisierung und Verbesserung des Rechtsstaates.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist daher wichtig, dass die Länder an dieser Stelle Eigenverantwortung übernehmen. Angesichts der Steuereinnahmen der Länder, die höher sind als die des Bundes, bitte ich darum, dass wir uns ehrlich machen und dafür sorgen, dass die Bundesländer viel mehr Verantwortung für ihre Justiz übernehmen als bisher.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Dann wundert mich der Passus im Koalitionsvertrag!)

Es braucht eine gemeinsame Anstrengung. Ich schaue nach Hessen, auf mein Bundesland, wo die Einführung der E-Akte leider etliche Jahre nach hinten gerutscht ist. Es braucht diese Anstrengung, und wir stehen zu unserer Verantwortung als Bund. Aber es geht nicht darum, dass wir den Ländern das Personal bezahlen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte ein zweites, sehr viel ernsteres Thema ansprechen. Ich habe, wie sicherlich viele hier in diesem Hause, in den vergangenen Wochen und Monaten viel mit unmittelbar vom Krieg Betroffenen, mit Geflüchteten aus der Ukraine und auch häufiger mit dem ukrainischen Generalkonsul in Hessen über die Situation in der Ukraine gesprochen. Die Erzählungen aus den Kriegsgebieten machen unfassbar betroffen. Bilder und Erzählungen, von denen meine Generation glaubte, die finden wir in Geschichtsbüchern, die sehen wir in Schwarz-Weiß-Filmen, sind Realität, sind an der Tagesordnung auf diesem Kontinent. Das ist erschütternd. Wenn ich an die Zeit von vor 30 Jahren zurückdenke: Wie wahnsinnig unterscheidet sich das von der Aufbruchsstimmung in Europa 1989/1990? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Krieg, der seit 99 Tagen in Europa tobt und der uns alle erschüttert, dürfen wir nicht zur Tagesordnung werden lassen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig!)

Deswegen sind und bleiben wir an der Seite der Ukraine.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Michael Espendiller spricht für die AfD.

(Beifall bei der AfD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537148
Wahlperiode 20
Sitzung 41
Tagesordnungspunkt Justiz, Bundesverfassungsgericht
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