Macit KaraahmetoğluSPD - Justiz, Bundesverfassungsgericht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute mit den Einzelplänen 07 und 19 nichts weniger als die haushalterischen Grundlagen unseres Rechtsstaates. In diesem kleinen, aber bedeutsamen Teiletat des Bundeshauhalts sind – wir haben es bereits gehört – vor allem die Personalausstattungen aller wichtigen Rechtsinstitutionen geregelt. Diese vielfältige Justizlandschaft sichert die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land. Sie ist Voraussetzung für Gerechtigkeit, sozialen Frieden und ein stabiles demokratisches System. Wir brauchen einen funktionierenden Rechtsstaat und verteidigen ihn, wo es notwendig ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn was mit dem Rechtsstaat passieren kann, wenn die politische Macht in falsche Hände gerät, sieht man vielerorts,
(Fabian Jacobi [AfD]: Das sehen wir Tag für Tag!)
zum Beispiel in meinem Geburtsland, der Türkei. Dort befindet sich die Rechtsstaatlichkeit seit vielen Jahren in freiem Fall. Präsident Erdogan hat die Gewaltenteilung quasi abgeschafft und die Justiz der Exekutive unterworfen. Rechtsanwälte werden zu Feinden, Richter zu Spielzeugen des Präsidialsystems.
(Fabian Jacobi [AfD]: Glücklicherweise ist das bei uns ganz anders! – Weiterer Zuruf von der AfD: Die Türkei ist doch ein NATO-Partner!)
In Deutschland gibt es zum Glück einen gefestigten und funktionierenden Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz. Aber auch hier ist dieser Zustand keine Selbstverständlichkeit. In den vergangenen Jahren sind die Kräfte stärker geworden, die unserem Rechtsstaat, unserer Demokratie und unserer Verfassung feindselig gegenüberstehen.
(Fabian Jacobi [AfD]: Auch im Bundestag!)
Teilweise haben es diese Kräfte in die Parlamente geschafft – unsere starke Demokratie macht dies möglich und kann es auch aushalten –, und dort, in den Parlamenten, wird dann fleißig an den Stuhlbeinen unseres Rechtsstaates gesägt. Die wortführenden Personen sprechen es nicht immer offen aus, am Stammtisch und in Chaträumen sehr wohl. Da gibt es Umsturzfantasien und den Wunsch nach einem völlig anderen Staatswesen. Die Strategie ist deutlich: Das Vertrauen in unseren Rechtsstaat erschüttern, wo es nur geht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bei der ersten Lesung dieses Einzelplans im März hatte ein Mitparlamentarier der AfD, Herr Jacobi, keine klügere Idee, als die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates mithilfe eines fragwürdigen Mafiafilm-Zitats zu diskreditieren.
(Lachen des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
Bezug nehmend auf den Film „Der Pate“ schilderte er, wie Mafiosi die Entscheidung eines Gerichts nicht hinnehmen und – Zitat – „auf anderem Wege Genugtuung für geschehenes Unrecht“ – Zitat Ende – erwirken wollen.
(Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
Für ein solches Verhalten machte er im Folgenden das angeblich mangelnde Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat verantwortlich. Die AfD meint also: Wenn Urteile von Gerichten nicht dem Wunsch bestimmter Leute entsprechen, darf man sich über Selbstjustiz nicht wundern.
Meine Damen und Herren, man kann ja ein Fan alter Mafiafilme sein; aber eine solche Argumentation ist gefährlich und völlig fehl am Platze.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Zwei persönliche Anmerkungen. Unterstellungen gegenüber der deutschen Justiz, sie sei nicht unabhängig, sind auch ein Affront gegenüber den Richterinnen und Richtern in unserem Land. Ich erinnere mich an den Fall der getöteten Tuğçe Albayrak, bei dem ich die Familie des Opfers als Anwalt vertreten habe: Es hagelte schon vor Prozessbeginn Vorverurteilungen in den Medien und auch von namhaften Politikern. Der Vorsitzende Richter hat damals bei der Urteilsverkündung sehr selbstbewusst deutlich gemacht, dass eine solche verbale Einmischung problematisch ist.
Eine Richterin aus Hessen berichtete mir zudem neulich, dass sie aufgrund von Personalmangel öfter als üblich bei organisatorischen Tätigkeiten einspringen müsse, die sonst nicht zu ihren Aufgaben gehörten. Es sei ihr aber wichtig, mit aller Kraft dem Rechtsstaat zu dienen.
Wir müssen dieses Selbstbewusstsein einer unabhängig agierenden Justiz und ihr großes Pflichtbewusstsein unterstützen. Damit bin ich beim konkreten Haushaltsentwurf. Wir müssen unsere rechtsstaatlichen Institutionen stärken und entsprechend ausstatten. Dafür haben wir in den Einzelplänen 07 und 19 die nötigen Gelder und Stellen eingepflegt. Ins Auge fällt natürlich die massive Stärkung des Generalbundesanwalts – das wurde heute mehrfach erwähnt –, womit wir uns auch auf die Notwendigkeit vorbereiten, in der Ukraine geschehene Kriegsverbrechen zu verfolgen.
Wir erhöhen die Mittel zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz, ein Anliegen, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Ich habe es in vergangenen Reden betont: Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Dafür ist es richtig, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiter zu verbessern und zu konkretisieren. Genau das schreiben wir mit diesem Haushalt fort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zusammengefasst: Dieser Einzelplan Justiz ist Ausdruck davon, dass diese Koalition sich den wichtigen Herausforderungen unserer Zeit widmet und für Recht und Sicherheit in Deutschland und in der Welt eintritt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, unser Rechtsstaat ist stark und wehrhaft. Wir werden niemandem erlauben, ihn zu schwächen, sondern weiter dafür kämpfen, dass er noch stärker und noch wehrhafter wird.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Abgeordneten Jacobi.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537160 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Justiz, Bundesverfassungsgericht |