Gero Clemens HockerFDP - Ernährung und Landwirtschaft
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Usus, dass auf jedem Lebensmittel, das wir erwerben, sehr deutlich und transparent erkennbar ist, wie lange es haltbar ist, wie viele Kalorien, wie viel Eiweiß, wie viele Kohlenhydrate es enthält. Aber bei tierischen Lebensmitteln, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist nicht erkennbar, wie und vor allem wo das Tier gehalten wurde, wo es geboren wurde, wo es aufgezogen wurde.
Hierüber wollen und werden wir endlich Transparenz herstellen. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, durch nichts kann der Verbraucher einen größeren Beitrag für mehr Tierwohl, für mehr Klimaschutz, für mehr Nachhaltigkeit und für mehr Biodiversität leisten als durch die bewusste Entscheidung für Lebensmittel, die in Deutschland entstanden sind. Denn in kaum einem anderen Land dieser Welt sind die Haltungsstandards so hoch wie in Deutschland; und wir sollten stolz darauf sein, dass wir das auch endlich auf den Lebensmitteln anbringen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Stattdessen tourt die Union durchs Land und erklärt, dass die Ampel einfach nur die Pläne der Vorgängerregierung umsetzen müsste, und dann wäre schon vieles erreicht.
(Heiterkeit des Abg. Dr. Matthias Miersch [SPD] – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Ja! – Josef Rief [CDU/CSU]: Ist ja auch richtig!)
– Kollege Stegemann bestätigt das. – Ich sage Ihnen eins: Wenn das politisch alles so einfach wäre, lieber Albert Stegemann, dann – das wissen wir doch alle in diesem Hohen Hause – hättet ihr das doch gemacht. Aber es ist eben nicht so einfach.
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das merkt ihr doch jetzt selber, dass es nicht so einfach ist!)
Ihr würdet doch nicht sozusagen Pläne auf den Weg bringen und es dann gönnerhaft der nächsten Regierung überlassen, diese Pläne umzusetzen. Das wäre politisches Harakiri. Deswegen wird sehr deutlich: Es ist eben nicht so einfach,
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Ja, dann macht es doch!)
und der Teufel steckt im Detail.
Ich sage Ihnen eins: Kein anderer Berufsstand, lieber Albert Stegemann, ist in den letzten Jahren so häufig mit Versprechungen überzogen worden, die dann aber nachher von der Politik nicht gehalten wurden und die quasi zu Staub – –
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Wer im Glashaus sitzt, lieber Gero Hocker, …! – Zuruf des Abg. Hermann Färber [CDU/CSU])
– Nein, es geht gar nicht darum, wer welche politische Farbe hat. Darum geht es mir gar nicht. Ich habe die Politik insgesamt gemeint.
(Zurufe von der CDU/CSU: Ach so!)
Kein Berufsstand ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit mehr Versprechungen überzogen worden, die nachher zu Staub zerfallen sind. Deswegen haben wir gemeinsam die Verantwortung, eben nicht mit Finanzierungsmodellen zu kommen, die am Ende doch nicht tragen, gegenüber Landwirten, die ihre Ställe umbauen, eine Finanzierung vielleicht über 20 Jahre machen und die Gewähr brauchen, dass keine neuen Standards dazukommen, während wir Instrumente zusagen, die nur über sieben Jahre eine entsprechende Garantie geben. Ich sage von daher ganz ausdrücklich: Es funktioniert nicht, mit der Mehrwertsteuer, die schon per Definition zweckungebunden ist, ganz gezielt bestimmte Dinge in unserem Land wie zum Beispiel einen Stallumbau zu fördern. Dann hätte man mit Zitronen gehandelt. Seien Sie doch bitte so ehrlich und sagen das den Menschen auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Julia Klöckner hat dafür gesorgt, dass das über 20 Jahre geht! Ihr versündigt euch an den Tierhaltern!)
Nächster Punkt. Man könnte ja eine Abgabe einführen. Eine Abgabe – das gestehe ich zu – ist per se ja erst mal an bestimmte Zwecke gebunden. Aber da sage ich ganz ausdrücklich als Vertreter der Freien Demokraten: Wir wissen genau, wie es mit der Zweckgebundenheit einer Abgabe im politischen Alltag tatsächlich aussieht. Der Solidaritätszuschlag ist vor 30 Jahren auf den Weg gebracht worden, weil man eben ganz gezielt die besonderen Herausforderungen der deutschen Einheit finanziell abbilden wollte.
(Zuruf des Abg. Frank Schäffler [FDP])
Wir wissen seit Jahren, dass dieser Obolus schon lange nicht mehr in die neuen Bundesländer fließt. Deswegen ist auch hier die Frage zu stellen, ob eine Abgabe tatsächlich eine verlässliche Perspektive, verlässliche Rahmenbedingungen bietet; denn genau das ist das, was die Landwirte brauchen. Was bislang von Ihrer ehemaligen Regierung auf dem Tisch liegt, sind reine Lippenbekenntnisse und ist nichts, was tatsächlich über 20 Jahre tragen würde. Das muss man an dieser Stelle auch mal sehr deutlich sagen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Niklas Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Sie beerdigen Deutschland!)
Vor allem würden zusätzliche Steuern oder Abgaben das Urproblem noch verschlimmbessern. Das Urproblem ist darin zu sehen, dass Lebensmittel, die im Ausland zu niedrigeren Standards erzeugt wurden, innerhalb des europäischen Binnenmarktes günstiger angeboten werden können und für die Lebensmittel, die in Deutschland produziert wurden, ein höherer Preis abverlangt wird. Wenn man jetzt mit einer pauschalen Steuer oder Abgabe beides verteuerte, würde das deutsche Lebensmittel relativ gesehen zusätzlich verteuert. Das wird nicht dazu führen, dass tatsächlich mehr Menschen zu Lebensmitteln greifen, die in Deutschland entstanden. Wer Landwirten wirklich eine Perspektive in Deutschland geben will,
(Stephan Brandner [AfD]: … der wählt AfD!)
der kämpft für die Angleichung von Produktionsstandards innerhalb des europäischen Binnenmarktes, der kämpft für ein Auflagenmoratorium, damit sich Investitionen tatsächlich am Markt amortisieren können, und der sagt dem Verbraucher, dass er seinen hehren Versprechungen endlich Taten folgen lassen muss,
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Ja!)
dass er die Lebensmittel, die er einfordert, tatsächlich nachfragen muss, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Damit würde man der Landwirtschaft tatsächlich nutzen.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Danke ganz ausdrücklich, verehrte Frau Präsidentin, für den Hinweis.
(Stephan Brandner [AfD]: Da blinkt auch eine Lampe!)
Es ist, glaube ich, recht deutlich geworden, dass wir in den letzten Monaten das Korrektiv gewesen sind.
Herr Hocker, letzter Satz.
Das ist der letzte Satz; ich habe ihn gerade erst angefangen. – Wir haben immer dann den Finger erhoben, wenn tatsächlich zu viel Ideologie und zu wenig Pragmatismus existierten; und das werden wir die nächsten dreieinhalb Jahre weiter so halten.
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Dann man zu! – Stephan Protschka [AfD]: Da wird der Finger aber nicht mehr runtergehen!)
Danke schön.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Esther Dilcher [SPD])
Herr Hocker, das war ein langer letzter Satz.
Rita Hagl-Kehl, SPD-Fraktion, ist in die nächste Rednerin.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Carina Konrad [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537202 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |