Rita Hagl-KehlSPD - Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen für eine Ernährungswende, das heißt für eine Ernährungspolitik, die auf Gesundheit und Nachhaltigkeit setzt und die Verbraucherinnen und Verbraucher stärker unterstützt. Daher haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir bis 2023 insbesondere mit Blick auf die Kinder gemeinsam mit allen Akteuren eine Ernährungsstrategie erarbeiten, die eine gesunde klima- und umweltschonende Ernährung zum Ziel hat. Das ist uns als SPD ein Herzensanliegen; dafür haben wir schon sehr lange gekämpft.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit. Wissenschaftler und Ärztinnen und Ärzte, Fachverbände, Krankenkassen, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer fordern schon lange ein Umdenken in der Ernährungspolitik. Auch die aktuelle forsa-Umfrage zu den Folgen der Coronakrise bei Kindern hat nochmals deutlich gemacht, dass wir kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit haben und dass wir dringend eine Ernährungsstrategie brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Robin Wagener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind in Zeiten von Corona dicker geworden, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 32 Prozent. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so oft von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder und Jugendliche aus eher einkommensstarken Familien. Hier ist das Verhältnis 23 zu 12 Prozent. 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben angegeben, häufiger als zuvor zu Süßwaren zu greifen. Deswegen freut es mich besonders, dass im Einzelplan 10 unter „Maßnahmen zur Förderung ausgewogener Ernährung“ Mittel zur Verfügung gestellt werden, die ausschließlich für die Ernährungsstrategie auszugeben sind. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, um die Umsetzung unseres Koalitionsvorhabens anzuschieben. Dies soll natürlich in den nächsten Jahren noch stark ausgebaut werden.
Was ist für eine Ernährungsstrategie wichtig? Erstens das Essens- bzw. Lebensmittelangebot verbessern und mithilfe einer Reduktionsstrategie Zucker, Salz und ungesunde Fette in verarbeiteten Lebensmitteln wirksam reduzieren – hier hatte die Vorgängerministerin ja auf Freiwilligkeit als Basis gesetzt –, verbindliche Ernährungsprofile nach den WHO-Kriterien, verbindliche Einführung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung.
Zweitens den Zugang zu gesundem Essen durch positive Anreize und eine gesunde Ernährungsumgebung für alle erleichtern. An Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte wollen wir verbieten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig ist ein finanzieller Anreiz für gesunde Lebensmittel nötig. Das heißt auch, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte käme in Betracht
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und als Ausgleich dafür ein höherer Mehrwertsteuersatz für ungesunde Produkte.
Das Bewusstsein für gesunde und nachhaltige Ernährungsweise müssen wir durch mehr Transparenz und bessere Aufklärung stärken. Wir brauchen Ernährungsbildung an Schulen und Kitas, Aufklärungskampagnen, eine EU-weite Nutri-Score-Kennzeichnungspflicht und Kriterien für ein staatliches Nachhaltigkeitslabel.
Die landwirtschaftliche Erzeugung muss stärker an den Erfordernissen einer nachhaltigen Ernährungsweise ausgerichtet werden, zum Beispiel durch Stärkung der Eiweißpflanzenstrategie.
Die Maßgaben der Zukunftskommission Landwirtschaft wurden schon von meinem Kollegen Matthias Miersch erklärt. Wir müssen sie nur umsetzen; wir brauchen nichts Neues zu entwickeln.
Nun ist es am BMEL, dass Sie diesen Entwurf einer Ernährungsstrategie vorlegen und die zur Verfügung gestellten Mittel für dieses Jahr ausschöpfen.
Zwei wichtige Punkte fehlen mir allerdings in diesem Haushalt. Das ist zum einen der Bereich der Schul- und Gemeinschaftsverpflegung – hier brauchen wir eine Anschubfinanzierung für die Modellregionen –, zum anderen eine Aufklärungskampagne für Verbraucherinnen und Verbraucher zu den Vorteilen einer Ernährung mit pflanzlichen Eiweißalternativen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Uhr tickt: Die Kosten der Folgen ungesunder Ernährung müssen wir alle tragen, auch in Zukunft. Und: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Drum ist es an uns, dies nun endlich umzusetzen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP])
Ich erteile das Wort der Kollegin Christina-Johanne Schröder, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537203 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |