Dagmar SchmidtSPD - Arbeit und Soziales, Mindestlohn
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele vor mir haben es bereits gesagt: Die Preise – und längst nicht mehr nur die Energiepreise – steigen. Viele Bürgerinnen und Bürger insbesondere mit kleinen Einkommen, Familien mit Kindern, Menschen, die besonders belastet sind, alle sie haben schon unter der Pandemie ganz besonders gelitten und tun das jetzt umso mehr. Viele haben Angst um ihre Zukunft, um unsere Zukunft insgesamt, und viel zu viele müssen sich die Frage stellen, ob das Geld noch für Obst, die Fahrt zur Oma, das Heizen oder den Schulausflug reicht.
Was wir also brauchen, um gut durch diese Krise zu kommen, sind als Allererstes ein starker gesellschaftlicher Zusammenhalt und eine soziale Stabilität, die Hoffnung für die Zukunft gibt. Was wir brauchen, ist mehr soziale Gerechtigkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Freundinnen und Freunde von der Unionsfraktion, eine Gesellschaft, in der niemand zurückgelassen wird, wenn der Wind mal schärfer bläst, in der alle mitgenommen werden, schafft man nicht durch Appelle und nicht durch Sonntagsreden. Es erfordert politisches Handeln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Was macht ihr mit den Rentnerinnen und Rentnern? „300 Euro Energiepreispauschale“, sage ich nur!)
– Das kommt noch.
(Bernd Rützel [SPD]: Das kommt noch!)
Wir müssen diese soziale Frage unserer Zeit beantworten, und das tun wir. Wir haben schon in der Vergangenheit bewiesen, dass auf uns Verlass ist: Mit den Überbrückungshilfen haben wir Unternehmen geholfen. Mit der Kurzarbeit konnten Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet und die Einkommen stabilisiert werden. Im Übrigen wurde damit auch die Basis für die anstehende Rentenerhöhung gelegt.
(Bernd Rützel [SPD]: Genau!)
All das fällt eben nicht vom Himmel, und das regelt auch nicht der Markt, sondern es ist allein politisches Handeln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Die Große Koalition, genau! Das habt ihr noch mit uns gemacht!)
– Deswegen habe ich dich ja auch angeguckt. – Das tun wir jetzt auch mit den Entlastungspaketen I und II. Das sind 30 Milliarden gut investierte Euro, zum Beispiel in eine vierköpfige Familie mit geringem Einkommen, die allein durch den Kinderbonus und die Energiepauschale um rund 650 Euro entlastet wird. Das ist wichtig und richtig so.
Auch heute handeln wir wieder und beschließen, den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro zu erhöhen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich hatte diese Woche – und das war sehr schön – endlich wieder Schülergruppen aus meinem Wahlkreis zu Besuch, unter anderem eine Abschlussklasse der Theodor-Heuss-Schule, Azubis, die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte werden. Sie haben mir erzählt, wenn sie dieses Jahr nach ihren Prüfungen in ihren Beruf einsteigen, dann werden sie von unserer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro profitieren; denn bisher liegen die Gehälter für sie meistens deutlich unter 12 Euro. Drei Jahre anstrengende und fordernde Ausbildung, und dann mit weniger als 12 Euro in den Beruf einsteigen: Das ist unanständig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Auch deswegen ist es gut, dass wir mit den 12 Euro eine neue Anstandsuntergrenze für Löhne in Deutschland einführen. Wir erhöhen damit das Einkommen von 6 Millionen Menschen. Wer Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, verdient bisher brutto – der Minister hat es gesagt – rund 1 700 Euro, dann rund 2 100 Euro. Das ist eine Lohnerhöhung um 22 Prozent und trotz hoher Inflation ein echter Kaufkraftzuwachs.
Ein Mindestlohn von 12 Euro ist aber mehr als das. Wir lösen heute eine Zusage, ein Versprechen ein: mehr Respekt; mehr Respekt für diejenigen, die Tag für Tag dafür sorgen, dass der Laden läuft, die Großes leisten für kleines Geld, die dafür sorgen, dass es uns gut geht und dass wir bekommen, was wir brauchen: Verkäuferinnen und Verkäufer, Helferinnen und Helfer in der Landwirtschaft, Paketboten, Friseurinnen und Friseure und viele, viele andere mehr.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen: Die Erhöhung des Mindestlohns ist ein Akt der Notwehr gegen sinkende Tarifbindung und unanständige Löhne. Wer Vollzeit arbeitet, muss davon in Deutschland auch gut leben können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber, Herr Gröhe, 12 Euro Mindestlohn sind nicht das Ende unserer Vorstellungen. Wir wollen wieder mehr Tarifbindung in Deutschland, und auch das geschieht leider nicht ohne politisches Handeln. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag aufgeschrieben: Öffentliche Aufträge des Bundes werden zukünftig nur an die Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen – richtig so. Lohndumping darf eben kein Wettbewerbsvorteil sein. So stärkt man die Tarifpartnerschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Krieg wird morgen nicht vorbei sein, die Energiepreise werden kurzfristig nicht wieder sinken, und die hohe Inflation wird noch ein Stück weit anhalten. Dazu kommen die Herausforderungen durch die Transformation unserer Industrie, durch die Digitalisierung und durch den Umbau unserer Energieversorgung. Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur von heute bis morgen denken, sondern ein langfristig wirkendes Instrument entwickeln, das die Kosten der Veränderung – hin zu einer zukunftsfähigen und klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft – abfedert und gerecht verteilt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Deswegen bin ich Sozialminister Heil für seinen Vorschlag eines sozialen Klimageldes außerordentlich dankbar, sozial gestaffelt: für alle Singles mit einem Einkommen unterhalb 4 000 Euro und Paare mit einem Einkommen unterhalb 8 000 Euro. Denn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen das Geld nicht. Das Geld muss dort ankommen, wo es besonders gebraucht wird, bei den kleinen, bei den mittleren, bei den normalen Einkommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und ich bin mir sicher, dass unser Finanzminister, wie im Entlastungspaket beschlossen, schnellstmöglich eine Auszahlungsmöglichkeit über die Steuer-ID schaffen wird. Dafür schon einmal ein herzliches Dankeschön!
Wir wollen unser Land, unsere Demokratie krisenfest machen: durch gute, zukunftsfähige Arbeit und mit einem starken Sozialstaat, der den Bürgerinnen und den Bürgern den Rücken stärkt und freihält und das Leben ein wenig leichter macht. Ich freue mich darauf, in der Ampel weiterzuarbeiten.
Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Norbert Kleinwächter.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537285 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales, Mindestlohn |