Pascal KoberFDP - Arbeit und Soziales, Mindestlohn
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben der Verabschiedung des Haushaltes für den Bereich „Arbeitsmarkt und Sozialpolitik“ können wir uns heute über die Erhöhung und die Dynamisierung der Minijobgrenze freuen.
(Beifall bei der FDP)
Seit sage und schreibe neun Jahren, seit 2013, ist sie bei 450 Euro einzementiert, und das bedeutete, dass für viele Menschen in unserem Land die Lohnsteigerungen nicht mit mehr Geld in der eigenen Tasche einhergingen, sondern dass sie ihre Arbeitszeit reduzieren mussten. Jetzt werden wir die Minijobgrenze auf 520 Euro erhöhen. Wir werden sie in Zukunft dynamisieren. Das ist eine gute Botschaft für 6 Millionen Menschen in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Jessica Tatti [DIE LINKE]: Was ist denn die gute Botschaft? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: So ein Quatsch!)
„Dynamisieren“ bedeutet, dass wir sie künftig an die Höhe des Mindestlohns koppeln werden. Mit jeder Anhebung des Mindestlohns wird künftig auch die Minijobgrenze steigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine gute Nachricht für all diejenigen, die sich in kleinem Umfang etwas dazuverdienen und nur wenige Stunden in der Woche arbeiten wollen. Es ist aber auch eine gute Nachricht für viele Unternehmen und Branchen, die nur durch die Minijobs ihre Stoß- und Randzeiten abdecken können. Das sollten wir alle nicht vergessen, wenn wir zu jeder Tageszeit volle Regale in den Supermärkten vorfinden, wenn wir am Wochenende frische Brötchen beim Bäcker kaufen können oder wenn wir am Abend im Restaurant noch bedient werden.
Liebe Frau Dr. Launert, Sie haben den Fachkräftemangel angesprochen. Vor diesem Hintergrund ist es aber umso verständlicher, dass die Erhöhung der Minijobgrenze längst überfällig ist, weil sie ein Mittel dafür ist, dass Arbeitszeit ausgeweitet und damit dem Fachkräftemangel – in kleinem Umfang jedenfalls – etwas entgegengesetzt werden kann.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fachkräfte und Minijob? Das beißt sich! Das Beste ist: Fachkräfte kriegen gar keinen Minijob! Die sind nicht sozialversicherungspflichtig!)
Sie sind seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags. Seit 2013 haben Sie bei der Minijobgrenze nichts getan. Auch das sollte hier angemerkt werden.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Kollege Kober, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Gerne.
Frau Präsidentin! Vielen Dank, werter Herr Kollege Kober, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich verstehe ja, dass Sie sich als Mitglied der FDP-Fraktion insbesondere über die Reformen der Mini- und Midijobs in diesem Gesetz freuen.
(Otto Fricke [FDP]: Sie nicht?)
Nachdem Ihre beiden FDP-Vorredner und auch Sie hier bisher noch nichts zum Mindestlohn gesagt haben, würde ich Ihnen gerne einen Kommentar entlocken.
(Otto Fricke [FDP]: Stimmt doch gar nicht! Das ist doch gar nicht wahr! Man sollte schon bei der Wahrheit bleiben! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das ist natürlich leicht peinlich! – Gegenruf von der CDU/CSU: Werdet ihr beide gerade nervös? – Gegenruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Nee, nix nervös! Was liest er vom Zettel ab?)
– Weil es ein Zitat ist, Frau Kollegin. Es ist ein Zitat von Ihrem Kollegen Herrn Vogel,
(Otto Fricke [FDP]: Ja, ganz spontan!)
der am 13. Dezember 2017 zu diesem Punkt Folgendes gesagt hat:
Was aber auf gar keinen Fall passieren darf ... ist, dass wir hier eine Politisierung der Lohnfindung bekommen. ...
(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Das Wesen des Mindestlohns ... ist doch, dass die Höhe ... in der Hand der Tarifpartner in der Mindestlohnkommission verbleibt. …
(Otto Fricke [FDP]: Deswegen enthaltet ihr euch auch!)
Erstens, weil es schon grundsätzlich richtig ist, dass wir hier in keinen politischen Überbietungswettbewerb bei den Lohnhöhen kommen ... und zweitens, weil sonst irgendwann Arbeitsplätze gefährdet werden.
Herr Kober, ich frage Sie deshalb: Hat Ihr Kollege Vogel unrecht, oder haben wir mit unserer Kritik, die auch mein Kollege Gröhe vorhin vorgetragen hat, recht?
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt für oder gegen die Erhöhung des Mindestlohns? Das ist doch billig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben auf jeden Fall unrecht!)
Sehr geehrter Herr Kollege Whittaker, es ist schön, dass Sie sich so gut vorbereitet haben.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich mich recht entsinne, dann hat die Union 2014 der politischen Festsetzung eines Mindestlohns bereits einmal zugestimmt, um danach eine Mindestlohnkommission arbeiten zu lassen. Insofern ist das, was Sie uns hier vorwerfen, bereits in Ihrer eigenen Geschichte geschehen. Da sind Sie in keiner Weise jungfräulich.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat er völlig recht! – Zuruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])
Ich möchte Ihnen dazu noch sagen: Das Wesen dieser Koalition ist es, Fortschritt zu wagen.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Tata! Tata! Tata!)
Fortschritt wagen wir, und Fortschritt erreichen wir dadurch, dass wir uns gegenseitig Dinge geben und nicht nur Dinge nehmen. Dadurch passiert es, dass natürlich auch Projekte der Koalitionspartner, die nicht das Herzensanliegen eines jeden in dieser Koalition sind, Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben und auch gesetzlich umgesetzt werden. Es war nicht das Herzensanliegen der SPD oder der Grünen, die Minijobgrenze zu erhöhen. Aber mit dieser Koalition sind Fortschritte möglich, und das war in 16 Jahren bei Ihnen eben nicht der Fall.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Die FDP war in den 16 Jahren auch eine Zeitlang dabei!)
Deshalb glaube ich, Herr Whittaker: Die Menschen in diesem Land profitieren von dieser Koalition, auch die Wählerinnen und Wähler der Union.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenden wir uns einem der wichtigsten Projekte dieser Legislaturperiode zu: der Reform der Grundsicherung. Wir werden sie nicht nur mit einem anderen Namen versehen, sondern wir werden ihr auch einen anderen Geist geben.
(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Mehr Geld ist wichtig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wichtig ist vor allen Dingen mehr Geld!)
Denn in Zukunft wird die nachhaltige Vermittlung im Mittelpunkt dieser Grundsicherung, die wir neu auf die Beine stellen werden, stehen. Wir werden nicht mehr nur in Beschäftigung vermitteln, sondern wir werden qualifizieren, um nachhaltige Beschäftigung zu ermöglichen,
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Ihr wollt die Regelsätze erhöhen, oder?)
damit die Menschen auch langfristig eine Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Und Regelsätze erhöhen!)
Lieber Kollege Hermann Gröhe, Sie haben sich ja auch intensiv auf die Debatte vorbereitet, sodass Sie die unterschiedlichsten Äußerungen dieser Regierungskoalition zitieren konnten.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: Vorbereitung!)
Aber dann müssten Sie auch so fair sein, sich einmal mit dem Koalitionsvertrag zu beschäftigen.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Den habe ich auch zitiert!)
Dann würden Sie sehen, dass auch die neue Grundsicherung, das Bürgergeld, Mitwirkungspflichten haben wird. Wenn Sie gut informiert sind, dann wissen Sie auch, dass nach dem Sanktionsmoratorium natürlich auch Verstöße gegen diese Mitwirkungspflichten mit Kürzungen von bis zu 30 Prozent, so wie zuletzt zu Ihrer Regierungszeit, sanktioniert werden können.
Insofern ist der Alarmismus, den Sie hier versuchen loszutreten, völlig fehl am Platz.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Die Bundesarbeitsagentur hat das kritisiert, das Hin und Her!)
Es geht darum, die Grundsicherung in Zukunft so zu gestalten, dass die Menschen eine Chance haben, in den Arbeitsmarkt einzutreten und im Arbeitsmarkt aufzusteigen.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu diesem neuen Geiste der Grundsicherung gehört eben auch, dass wir mit einem ganz anderen und neuen Blick auf die Menschen schauen. Wir werden den Eingangsbereich der Grundsicherung dadurch prägen, dass in einem Kompetenzfeststellungsverfahren die Menschen von ihren Kompetenzen, von ihren Möglichkeiten, von ihren Chancen und nicht von ihren Defiziten her begriffen werden. Wir haben ein optimistisches Menschenbild, und das wird sich in dieser Bürgergeldreform auch wiederfinden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden den Sozialstaat auch präventiver ausrichten; wir werden versuchen, Probleme schon zu lösen, bevor sie sich verhärten. Das beginnt natürlich auch schon bei der Förderung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien. Wir werden den sogenannten § 16h SGB II ausweiten, damit auch schon Kinder im jüngeren Lebensalter von Unterstützungsleistungen erreicht werden können. Das ist wichtig; denn wir wollen keinen zurücklassen und die Menschen so früh wie möglich unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)
Wir müssen die Jugendberufsagenturen ertüchtigen; das ist übrigens auch eine Frage des Datenschutzes. Wir sollten noch mal darüber reden, auch mit den Ländern, ob es wirklich notwendig ist, hier an allen Ecken und Enden den Datenschutz in den Mittelpunkt zu stellen; denn es ist am Ende wichtig, dass Schulen und Sozialstaat miteinander kooperieren können, damit die jungen Menschen eine Chance haben, damit die Sozialhilfesysteme von Not erfahren und entsprechend frühzeitig darauf reagieren können.
Wir sind gespannt auf das, was wir gemeinsam in dieser Ampel gestalten können.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir sind auch gespannt!)
Kollege.
Ich weiß, liebe Union, Sie sind es auch. Wir freuen uns auf die Debatten in den nächsten Sitzungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Marc Biadacz das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537288 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales, Mindestlohn |