03.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt VI

Anja SchulzFDP - Rentenanpassung 2022

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen hier heute ein Rentenpaket auf den Weg, das seinen Vorgängern etwas ganz Bedeutsames voraushat: den Fokus auf den Generationenvertrag. Es ist das erste Rentenpaket seit den frühen 2000ern, das nicht nur aus teuren Wahlgeschenken für die Generation Ü 50 besteht, das erste Rentenpaket seit Langem, bei dem nicht einseitig die jetzigen und die künftigen Beitragszahler belastet werden.

Die FDP konnte die Koalitionspartner überzeugen, den Nachholfaktor wieder zu aktivieren.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ganz schlechte Idee! – Zuruf von der FDP: Bravo!)

Die Wiedereinsetzung des Nachholfaktors ist nicht einfach nur eine Maßnahme zur stabilen Finanzierung der Rente, sondern vielmehr eine überfällige Wiedergutmachung eines folgenschweren Fehlers, nämlich seiner Aussetzung. Den Nachholfaktor bei der Rentenanpassungsformel außen vor zu lassen, bedeutet nämlich nichts anderes, als dass die Rentner von Krisen im Verhältnis zu den Einzahlern überproportional profitieren.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Empirisch falsch!)

Das wäre gerade jetzt, wo sich Krise an Krise reiht, unserem sozialen Klima in keiner Weise zuträglich.

(Beifall bei der FDP)

Das soll aber nicht heißen, dass die Rentnerinnen und Rentner sich ihre Rente nicht redlich verdient hätten; ganz im Gegenteil.

(Beifall des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich denke, dass die größte Rentenerhöhung seit 40 Jahren von 6,1 Prozent im Osten und 5,3 Prozent im Westen auf allgemeines Wohlwollen stößt. Diese Menschen haben jahrzehntelang hart gearbeitet, und wir gönnen ihnen jeden Euro, den sie jetzt mehr im Portemonnaie haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katja Mast [SPD])

Und damit das auch so bleibt, müssen wir aufhören, die Generationen gegeneinander auszuspielen. Die Reaktivierung des Nachholfaktors stärkt den Generationenvertrag; denn Rechte und Pflichten gibt es, wie bei allen Verträgen, auf beiden Seiten. Das Verhältnis ist hier allerdings aus dem Gleichgewicht geraten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das wird einem bei Berechnungen schmerzlich bewusst, die kürzlich in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen waren, und wenn man sich mal folgende Zahlen vor Augen führt: Es wurde abhängig vom Geburtsjahr grob errechnet, wie lange jemand Rente beziehen müsste, um die eingezahlten Beiträge in etwa wieder rauszuhaben. Wer zum Beispiel stets im Durchschnitt verdient hat, 1946 geboren wurde und mit 65 Jahren in Rente gegangen ist, hat bereits nach elf Jahren und vier Monaten, also mit 76 Jahren, alle Rentenbeiträge, die er eingezahlt hat, in Form einer Rente wieder zurückerhalten. Würde ein heute 17‑Jähriger mit 67 Jahren in Rente gehen, müsste dieser allerdings bereits 85 Jahre alt werden, um das Gleiche zu erzielen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Lebenserwartung geht Richtung 100! – Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Über diesen Rentennachteil spricht kaum jemand.

Für die jetzigen und zukünftigen Berufsanfänger gibt es große Pflichten. Denn sie müssen die Renten der Generation der Babyboomer finanzieren, und das nicht nur aus ihren Rentenbeiträgen, sondern auch aus ihren Steuerzahlungen – Geld, das dann an anderer Stelle fehlt. Von Rechten im Sinne von Rentenauszahlungen auf einem adäquaten Niveau können sie derzeit allerdings nur träumen. Der Nachholfaktor ist also ein erster Schritt zurück zum Generationenvertrag.

(Beifall bei der FDP)

Neben diesem elementaren Beitrag zur Generationengerechtigkeit enthält das Rentenpaket eine weitere Maßnahme, die in der letzten Legislaturperiode komplett auf der Strecke geblieben ist. Wir haben das gerade schon gehört: Sie betrifft eine besonders sozioökonomisch schwache Gruppe, nämlich die der Erwerbsminderungsrentner, Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keiner Arbeit mehr nachgehen können, um ihren Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten, also diejenigen, die in besonderer Weise auf unseren Sozialstaat angewiesen sind.

Mit der Verbesserung der Erwerbsminderungsrente im Bestand schaffen wir ein Stück mehr Anerkennung für 3 Millionen Erwerbsminderungsrentner, die zwischen 2001 und 2019 erstmals eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben. Das ist lange überfällig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Gesetz unterstützt außerdem eine durch die Pandemie extrem gebeutelte Gruppe: die der Kultur- und Medienbranche. Existenzängste und Planungsunsicherheit haben zwei Jahre lang den Alltag vieler Kulturschaffender geprägt. Umso wichtiger ist es nun, dass durch den Stabilisierungszuschuss für die Künstlersozialkasse ein Signal in ihre Richtung gesendet wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Tanja Machalet [SPD])

Denn die Branche muss erst einmal eine Chance haben, wieder auf die Beine zu kommen, um sich von den finanziellen Folgen der Pandemie erholen zu können.

Trotz des Zuschusses für die Künstlersozialkasse und obwohl wir so viel Geld für die Erwerbsminderungsrente in die Hand genommen haben, werden wir durch das Rentenpaket Einsparungen in der Rentenkasse haben. So halten wir den Beitrag stabil, und so schaffen wir einen fairen Generationenvertrag.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank.

Ich erteile das Wort für die Fraktion Die Linke Matthias W. Birkwald.

(Beifall bei der LINKEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537356
Wahlperiode 20
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Rentenanpassung 2022
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