22.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 3

Dorothee BärCDU/CSU - Regierungserklärung EU Rat, G7-Gipfel, NATO-Gipfel

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Lage nicht so verdammt ernst wäre, hätte man in dieser Debatte ja wirklich einmal lachen müssen. Es erklärt natürlich auch die schlechte Politik der Bundesregierung, wenn man sich die Reden von Frau Dröge und Herrn Dürr einmal nebeneinanderlegt. Es verwundert nicht: Da passt ja nichts zusammen, und zwar gar nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja, das ist wohl wahr! – Christian Dürr [FDP]: Wie, das passt nicht? Das passiert, wenn man nicht zuhören kann!)

Also, da sind so viel Uneinigkeit, so viele differierende, unwahre Geschichten, dass man wirklich sagen muss, Herr Dürr: Das ist der Lage nicht angemessen gewesen.

(Christian Dürr [FDP]: Markus Söder von gestern und heute, da passt nichts zusammen! Das ist viel spannender! Den Söder von gestern und heute mal zusammenlegen! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die einzige Idee, die Sie haben – andere eigene haben Sie nicht –, ist, gegen die Opposition zu schießen. Das ist einfach zu dünn und der Lage nicht angemessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist mehrfach erwähnt worden: Wir haben in dieser Woche den Europäischen Rat, bei dem es um die Frage des Kandidatenstatus der Ukraine geht. Es wurde bereits angesprochen: Wir sagen Ja zum Kandidatenstatus. Deswegen war es richtig, Herr Bundeskanzler, dass Sie, als Sie vergangene Woche endlich in Kiew waren, das auch zum Ausdruck gebracht haben. Aber wir erwarten jetzt, dass Sie das auch durchsetzen.

Sie haben die Latte sehr hoch gelegt. Ich sage deswegen auch so betont „Wir erwarten, dass Sie es durchsetzen“, weil Sie am 27. Februar gute Worte gefunden haben, danach aber nicht viele Taten folgten. Gute Worte finden im Parlament ist das eine; aber wenn keine Taten folgen, ist es zu wenig. Wir stehen momentan leider international sehr beschädigt da.

Wir müssen mit der Ukraine auch ehrlich sein. Seit Monaten versprechen Sie Waffen, die dann nicht kommen, nicht schnell genug kommen oder von denen zu wenige kommen. Es ist auch schofel, wenn Sie jetzt einen schnellen Beitritt versprechen, der dann aber nicht kommt, weil das die Ukraine weiter von Europa wegtreiben würde, und das hätte sie nicht verdient.

Mein Fraktionsvorsitzender hat Ihren außenpolitischen Berater angesprochen. Ich darf noch ein Zitat hinzufügen: „Nur weil man angegriffen wird, wird man ja nicht automatisch ein besserer Rechtsstaat.“ Ich frage mich: Wer berät Sie denn im Bundeskanzleramt? Es ist doch nicht in Ordnung, dass Sie hier Berater haben, die ein „Verhältnis zu Russland“ wollen, dass Sie Berater haben, die die Ukraine in der Öffentlichkeit diffamieren. Da fragt man sich schon, was Sie seit Amtsantritt in den letzten 200 Tagen an Mitarbeitern ausgetauscht haben.

(Beifall des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Zögern und Zaudern ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihre Politik.

(Christian Petry [SPD]: Ist das eine Märchenstunde?)

Die Angriffe werden immer skrupelloser, und weil die Angriffe skrupelloser werden, müssten wir doch viel entschlossener sein, der Ukraine zu helfen. Aber: Je heftiger die Attacken sind, desto verzagter ist unsere deutsche Reaktion.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben in der letzten Sitzungswoche hier am Rednerpult gesagt: „Wir handeln … im Geleitzug mit unseren Verbündeten …“ Unsere Verbündeten haben diesen Eindruck nicht. Unsere Verbündeten werfen uns Wortbruch vor – wie der polnische Präsident. Der ukrainische Außenminister hat erklärt, es gebe Länder, bei denen die Ukraine auf Lieferungen warte, und „Länder, bei denen wir es inzwischen satthaben, zu warten“. Deutschland würde in die zweite Gruppe gehören.

Frau Heinrich, Sie haben dann betont gesagt, dass unsere Hilfe international anerkannt wird. Alleine diese beiden Zitate zeigen ja schon, dass diese Anerkennung nicht stattfindet.

Der Ukraine Support Tracker des Instituts für Weltwirtschaft hat letzte Woche errechnet, dass quasi nirgendwo Ankündigungen und Taten so weit auseinanderliegen wie bei uns Deutschen – und das trotz der sieben Panzerhaubitzen gestern. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, und das ist noch schnell vor dem Gipfel gemacht worden.

Deswegen kann man der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Frau Strack-Zimmermann, auch nur zustimmen, wenn sie sagt: „Es darf nicht sein, dass die Welt Deutschland als kompletten Bremser und Loser empfindet ...“ Da bin ich schon dankbar, dass es in dieser Ampel wenigstens noch ein paar Abgeordnete gibt, die dann auch mal die Wahrheit so aussprechen.

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Dürfen Sie auch gern!)

Ihr Parteivorsitzender – das ist auch erwähnt worden – hat gesagt: Deutschland soll eine Führungsmacht sein. – Er bestellt Führung bei Ihnen. Dann wäre es doch schön, wenn Sie auf Ihren Parteivorsitzenden auch hören würden. Bislang sind das Sinnbild der gesamten Koalition wuchtige Worte, viele Ankündigungen, aber eben keine Taten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Mützenich, Sie haben gestern vor der Fraktionssitzung ein Statement abgegeben. Ich hab mir dieses Statement mehrfach angehört, weil ich es nicht glauben konnte. Sie haben dauernd davon gesprochen, dass es immer nur um schwere Waffen geht, und haben mehrfach das Wort „unverantwortlich“ in den Mund genommen. Dazu sage ich ganz offen: Ich finde es unverantwortlich, dass Sie schwere Waffen unverantwortlich finden.

(Gabriela Heinrich [SPD]: Kontext! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist doch eine klassische Verdrehung der Worte!)

Ich würde Ihnen gerne mal die Frage stellen, ob Sie diese Aussage auch in der Ukraine vor ukrainischen Frauen und Männern, die gerade ihr Leben verteidigen, ihr Land verteidigen, wiederholen würden, ob Sie es auch dort als unverantwortlich diffamieren würden. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich von diesen Aussagen distanzieren, Herr Mützenich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Petry [SPD]: Sie sollten sich jetzt entschuldigen!)

– Ich habe mir das mehrfach angeschaut. Herr Mützenich hat mehrfach von Unverantwortlichkeiten gesprochen.

„Wir haben so viele Krisen parallel zu lösen“, hat Frau Dröge gesagt. Aber Sie wollen es nicht als Krise ansehen, dass wir uns momentan ohne Ende verschulden; das sehen Sie nicht als notwendig an. Ich finde es beeindruckend, dass Ihnen solide Haushalts- und Wirtschaftspolitik nicht wichtig ist. Ich würde mir von den Grünen schon ein bisschen mehr Ehrlichkeit in der Energiepolitik wünschen.

Die Gaskrise zeigt, dass die Energiepolitik der Grünen gescheitert ist, und zwar massiv gescheitert ist. Sie wollen aus der Kernenergie aussteigen. Sie wollen aus der Kohle aussteigen. Der gleichzeitige Ausstieg hat aber die Abhängigkeit von russischem Gas noch verstärkt, anstatt sie zu verringern, und statt Atomenergie zu nutzen, setzt die Bundesregierung auf den Klimakiller Kohle. Wenn Robert Habeck als Antwort auf die drohenden Gasengpässe die Wohnungstemperaturen gesetzlich drosseln will, dann zeigt das doch nur, dass sogar ein Frosterlass für Familien in Deutschland den Grünen lieber ist, als die letzten Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Das ist unverantwortlich, Frau Kollegin Dröge.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht noch nicht mal Ihre eigene Fraktion! – Beifall bei der CDU/CSU)

Ich würde mir wünschen, dass Sie nicht nur Parteipolitik, sondern auch Regierungspolitik machen würden. Wir brauchen jetzt einen nationalen Gasgipfel mit dem klaren Ziel, echte Versorgungssicherheit zu erreichen.

Das Nächste ist die Inflation als die neue soziale Megafrage für Deutschland und Europa. Einkommen, Renten werden durch die Inflation entwertet. Die Sparvermögen verringern sich jede Woche. Die Ampel verweigert bis heute wirksame Maßnahmen, um die Folgen der Inflation abzufedern: Kein Abbau der kalten Progression, Studenten und Rentner sind bei der Energiepauschale ausgeschlossen. Das nenne ich wenigstens mal Generationengerechtigkeit; Sie sind nämlich gegen beide: gegen Studentinnen und Studenten und gegen Rentnerinnen und Rentner. Wenn Sie damit generationengerecht Politik machen wollen!

Der Tankrabatt ist gescheitert. Der Liter Diesel kostet inzwischen mehr als bei der Einführung im Juni. Sie schaffen keine soziale Haushaltsführung. Sie entlasten die Bürgerinnen und Bürger nicht. Sie bauen die kalte Progression nicht ab. Und wie gesagt: Das Energiegeld belastet beide Gruppen, die Jüngeren und die Älteren.

Sie sehen: Die Probleme und Aufgaben in Deutschland, in Europa sind so groß, dass es schade ist, dass es dieses jetzt schon gescheiterte Projekt Ampel gibt. Ich würde mir wünschen, dass Sie uns eines Besseren belehren und dass Sie bei den kommenden drei Gipfeln uns wirklich zeigen, dass die nächsten 200 Tage dieser Bundesregierung besser werden als die ersten 200 Tage, und dass die politische Vertretung auf den künftigen Gipfeln ein besseres Bild abgibt als bislang. Das würde ich mir nicht nur für mich, für unsere Fraktion, sondern für alle Menschen in unserem Land und in Europa wünschen. Sie hätten es sich verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kristian Klinck [SPD]: Ganz peinlicher Auftritt!)

Der nächste Redner ist Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537436
Wahlperiode 20
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung EU Rat, G7-Gipfel, NATO-Gipfel
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