22.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 4

Johann WadephulCDU/CSU - EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn der westliche Balkan in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers und der anschließenden Debatte gerade zu Recht eine Rolle gespielt hat, ist es gut, dass wir der Thematik eine eigene Debatte widmen.

Die CDU/CSU-Fraktion ist seit vielen Jahren diesem Thema verschrieben, auch mit einer eigenen Arbeitsgruppe, die sich nur um das Thema „Westlicher Balkan“ kümmert. Wir sind stolz darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den Berliner Prozess angeschoben und damit dafür gesorgt hat, was in diesen Tagen wieder diskutiert wird, dass Deutschland eine Führungsrolle übernommen hat und innerhalb Europas treibende Kraft ist. Das sollten wir aus unserer Sicht auch bleiben, damit das Versprechen von Thessaloniki an alle Staaten des früheren Jugoslawiens, aber auch Albanien, dass diese Staaten eine Chance haben, Mitglied der Europäischen Union zu werden – der Bundeskanzler hat es erwähnt –, Realität wird. Wir sehen, dass der Prozess lahmt. Deswegen zielt dieser Antrag darauf ab, den sehr breiten Konsens, den es in diesem Hause gibt, der Bundesregierung noch einmal vorzutragen und sie aufzufordern, den Faden von Angela Merkel wieder aufzunehmen. Der westliche Balkan muss wieder Topthema der Außenpolitik Deutschlands werden. Das ist eine Aufforderung, die sich an den Bundeskanzler und auch an die Außenministerin richtet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)

Die Außenministerin hat dort früh ein kluges Besuchsprogramm absolviert und vor allen Dingen den früheren Kollegen Manual Sarrazin, der über sehr viel Fachkunde verfügt, damit beauftragt, sich um den westlichen Balkan zu kümmern. Er war in unserer Arbeitsgruppe. Wir bedanken uns schon jetzt für einen sehr konstruktiven Austausch. Die Reise des Bundeskanzlers ist fast missglückt. Erst nach Pristina und dann nach Belgrad zu reisen, ist schon von der Reihenfolge her hoch problematisch gewesen. Dann hat er den serbischen Präsidenten auch noch in einer großen Pressekonferenz damit konfrontiert, dass alles unter der Bedingung stünde, am Ende dieses Prozesses das Kosovo völkerrechtlich anzuerkennen. Das ist natürlich wünschenswert – das weiß ja jeder –, aber der Vermittlungsprozess ist für Serbien dadurch schwierig geworden. Dass das in dieser etwas amateurhaften Art und Weise sozusagen vor der serbischen Öffentlichkeit gemacht worden ist, hat die Sache jetzt belastet. Insofern ist meine Hoffnung, dass das Auswärtige Amt hier die Führung übernimmt. Bei Annalena Baerbock und Manuel Sarrazin ist das definitiv in besseren Händen als bei Olaf Scholz.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was soll das denn?)

Die Bundesregierung insgesamt muss sich dieses Themas annehmen; denn es drängt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das zeigen insbesondere der Antrag auf Verlängerung des Mandates KFOR und der Antrag auf Neumandatierung von Althea für Bosnien-Herzegowina, die die Bundesregierung uns in dieser Sitzungswoche vorlegen wird. Es sind übrigens nicht weniger Mandate, sondern es ist eines mehr. Aber okay! Das zum Thema Evaluierung, das Sie sich vorgenommen haben; aber das ist Ihr Thema. Die Bundesregierung hat also im Kern erkannt, dass die Region volatil ist, dass wir schnell wieder in der Situation der Kriege der 90er-Jahre landen können und dass wir deswegen jetzt vorankommen müssen.

Weil es vorhin vom Kollegen aus der SPD-Fraktion angesprochen worden ist, möchte ich nur darauf hinweisen: In Bulgarien hat die der EVP-Familie angehörige Fraktion GERB jetzt entschieden, dass sie bereit ist, einem Kompromiss, den die französische Ratspräsidentschaft vorgetragen hat, was Nordmazedonien angeht, zuzustimmen. Deswegen kann ich nur sagen: Christdemokraten in Europa arbeiten gut zusammen und sorgen dafür, dass es auch im westlichen Balkan vorangehen kann. Wenn Sie in Ihren Parteienfamilien freundlicherweise Ähnliches vorantreiben könnten, werden wir gemeinsam erfolgreich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will noch eine Bemerkung machen. Der Bundeskanzler hat hier gesagt, dass es natürlich eine große Ungeduld gibt und dass wir jetzt vorankommen müssen. Was er nicht gesagt hat, was aber dazugehört – das wird immer nur in der Debatte um die Ukraine gebracht –: Auch die Staaten des westlichen Balkans sind von der Fähigkeit, in die Europäische Union aufgenommen zu werden, bedauerlicherweise – und in natürlich unterschiedlichem Maße – sehr weit entfernt. Die kriminellen Clans, die in der Vergangenheit allem Anschein nach Drogenhandel, Menschenhandel und sogar Organhandel betrieben haben, sind in einem so hohen Maße einflussreich, dass die staatlichen Strukturen, die wir in einigen Ländern sehen, nur eine Farce sind. Tatsächlich wird dort Politik von Clans gemacht. Die Kopenhagen-Kriterien sind hart. Sie müssen eingefordert werden, und ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie insbesondere die Beschlüsse, die der Deutsche Bundestag hier zu Albanien und Nordmazedonien gefasst hat, beachtet, dass wir auch hier kein Fast-Track-Verfahren machen und die Kriterien nicht aufweichen. Wenn wir in diesem Sinne weiter zusammenarbeiteten in diesem Hause, wäre das für den Frieden in Europa ein großer Gewinn.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Ahmetovic aus der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537451
Wahlperiode 20
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans
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