Adis AhmetovicSPD - EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans
Eigentlich ist es unfair, wenn man auf seinen Vorredner eingeht, weil er nicht darauf antworten kann, aber ich muss eine Sache sagen, Herr Dr. Wadephul: Ja, die Bundesregierung hat erkannt, dass in den letzten 16 Jahren Fehler gemacht worden sind, und die korrigieren wir jetzt mit der neuen Bundesregierung. Das ist die Wahrheit, und das ist das Richtige.
(Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Wer hat denn den Außenminister gestellt? – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Wer war denn Außenminister? – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Da waren Sie beteiligt!)
Ich bin stolz darauf, dass unser Bundeskanzler und unsere Bundesverteidigungsministerin die richtigen Entscheidungen treffen werden, unter anderem, EUFOR Althea, ein Mandat, das 2012 beendet wurde, wieder aufzunehmen.
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Jetzt haben wir eine Außenministerin der Grünen! Acht Jahre lang kamen sie von der SPD!)
Deshalb: Der Bundeskanzler ist auf dem richtigen Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: So prüfe jeder seine Argumente!)
Sie merken es: Mit der neuen Bundesregierung weht ein neuer Wind im Deutschen Bundestag. Die Region bekommt wieder mehr Aufmerksamkeit. So häufig wie jetzt, in unserer Anfangsphase, wurde der westliche Balkan schon lange nicht mehr thematisiert. Mit der neuen Bundesregierung werden wir wichtige Beschlüsse fassen, damit Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien eine Beitrittsperspektive bekommen. Das ist ebenfalls ein richtiger Plan der neuen Bundesregierung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Es ist richtig: Es sind kleine Länder im Südosten Europas, über die wir heute sprechen. Aber sie sind keinesfalls unbedeutend. Oftmals werden diese Länder und die gesamte Westbalkanregion als Rand, als Hinterhof Europas dargestellt. Meine Damen und Herren, Südosteuropa, der Westbalkan, das ist nicht der Hinterhof, sondern der Innenhof Europas und als solcher fundamental wichtig für Frieden, Stabilität und Sicherheit auf unserem Kontinent.
Knapp vier Monate sind seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vergangen – ein Angriffskrieg, der uns auch vier Monate später noch zutiefst erschüttert. In enger Absprache mit unseren internationalen Partnern haben wir klar gezeigt: Wir stehen an der Seite der Ukraine. – Wir haben eine Zeitenwende ausgerufen, und dies bedeutet auch eine Zeitenwende in der deutschen Westbalkanpolitik.
Die Europäische Union ist eines der wichtigsten Friedensprojekte der Geschichte, ein Garant für Frieden, Freiheit und Fortschritt ihrer Mitglieder. Es liegt deshalb in unserer Verantwortung, die Annäherung des Westbalkans an die EU nun tatkräftig voranzutreiben. Jetzt ist der historische Moment da. Wir müssen die Westbalkanländer auf ihrem Weg in die EU unterstützen. Das hat unser Bundeskanzler heute deutlich gemacht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Was passiert, wenn wir dies nicht tun, zeigt sich bereits heute. Drittstaaten wie China, die Vereinigten Arabischen Emirate und eben auch Russland haben längst die Zögerlichkeit der EU als geostrategische und wirtschaftliche Chance erkannt. Seit Jahren bauen sie ihren autokratischen Einfluss aus und füllen das Machtvakuum, das die EU in Südosteuropa hinterlassen hat. Es sollte uns beunruhigen, wenn in Sankt Petersburg Staatspräsidenten aus der Region hofiert werden und von freundschaftlichen Beziehungen gesprochen wird. Genauso sollte es uns beunruhigen, wenn der russische Botschafter in Bosnien-Herzegowina dem Land droht, sollte es der NATO beitreten. Noch ist es nicht zu spät, aber wir müssen jetzt aktiv werden. Es sind nicht nur der Krieg in der Ukraine oder das Zurückdrängen dieser Drittstaaten, welche das momentane Opportunitätsfenster begründen, sondern es ist auch die Zustimmung der Bevölkerung. Noch befürwortet eine Mehrheit der Menschen auf dem westlichen Balkan einen EU-Beitritt. Obwohl sie lange – teilweise zu lange – warten mussten, sind sie noch immer überzeugt von diesem Friedensprojekt.
Um es einmal ganz klar zu sagen: Ohne schnelle Fortschritte bei den EU-Beitrittsverhandlungen wird diese Zustimmung zur EU auf dem Westbalkan kippen und der europäische Geist erlöschen. Bezeichnendes Beispiel hierfür ist Nordmazedonien. Auf dem Weg in die EU hat das Land 2019 einen Namensstreit mit Griechenland beendet. Was kam ein Jahr später, als es darum ging, Albanien und Nordmazedonien für Beitrittsverhandlungen zuzulassen? Es gab eine Blockade von Bulgarien. Dieses Blockadeverhalten ist nicht nur absurd, sondern schadet der ganzen EU. Deshalb müssen wir daran arbeiten – und ich begrüße die entsprechenden Vorschläge unseres Bundeskanzlers –, die Entscheidungsfindung innerhalb der EU zu reformieren und die EU-Erweiterung Südosteuropas wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Nicht zuletzt durch ihre Reisen in die Region haben Olaf Scholz, Christine Lambrecht und auch Annalena Baerbock gezeigt, welche hohe Priorität die Erweiterung für die Bundesregierung hat. Auch das ist Teil der Zeitenwende.
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Dann können Sie dem Antrag ja zustimmen!)
Zeitenwende – das bedeutet Wandel, den es zu gestalten gilt, indem wir entschlossen auftreten und auch etwas wagen. Was dies für den Westbalkan heißt, möchte ich noch einmal konkret skizzieren: Erstens. Bosnien-Herzegowina sollte den EU-Kandidatenstatus erhalten. Zweitens. Die Visaliberalisierung für den Kosovo muss schnell auf den Weg gebracht werden. Drittens. Die seit 2012 laufenden Beitrittsverhandlungen mit Montenegro brauchen eine neue Dynamik und schnelle und sichtbare Fortschritte. Viertens. Die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sollten schnell beginnen. – Das ist der Plan der Bundesregierung. Darauf können wir als Deutscher Bundestag stolz sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass wir schon beim morgigen EU-Gipfel unter Beweis stellen, dass die EU glaubwürdig und handlungsfähig ist! Lassen Sie uns die Westbalkanstaaten endlich in die Europäische Union, in die europäische Familie aufnehmen! Noch schlagen die Herzen auf dem Westbalkan für die EU. Noch ist es nicht zu spät. Aber wir müssen jetzt aktiv werden.
Herr Bundeskanzler, lieber Olaf Scholz, Frau Außenministerin, liebe Annalena Baerbock, wie Sie lesen, hören und spüren können, gibt es eine große Mehrheit im Deutschen Bundestag, die Ihren Kurs unterstützt. Lassen Sie uns gemeinsam aktiv werden! Jetzt ist der historische Moment da.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für die AfD hat Dr. Harald Weyel das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537452 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans |