22.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 4

Thomas HackerFDP - EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einer Woche besuchten die Premierminister Albaniens und Montenegros bei digitaler Teilnahme des Premiers von Nordmazedonien Präsident Selenskyj in Kiew. Dabei sagte der ukrainische Präsident Folgendes – ich zitiere –:

Unsere Staaten – die Ukraine, die Republik Albanien, Montenegro und die Republik Nordmazedonien – müssen Vollmitglieder der EU werden, und wir sind uns einig, dass unsere Länder auf diesem europäischen Weg keine Konkurrenten sind, sondern sich nur gegenseitig ergänzen und stärken.

Diese Einheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein starkes Signal für die Zukunft Europas.

(Zuruf des Abg. Petr Bystron [AfD])

Nur eines könnte man vielleicht noch hinzufügen: Genauso, wie die Länder des Westbalkans und die Ukraine sich gegenseitig ergänzen und stärken wollen, um ihren Weg in die EU zu bewältigen, muss auch Deutschland diese Länder auf ihrem Weg begleiten und stärken.

Wir in der Ampel haben uns im Koalitionsvertrag genau das zur Aufgabe gemacht. Wir wollen alle Länder des westlichen Balkans bei den Reformbemühungen unterstützen. Für uns ist klar: Die Integration des westlichen Balkans in die EU ist ein Gewinn für Menschen, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in der Region und in der EU gleichermaßen. Sie ist ein wesentlicher Baustein zur Vollendung der europäischen Einheit. Dass die Außenministerin in den ersten Wochen ihrer Amtszeit die Region besuchte, macht das deutlich. Und die Reise des Bundeskanzlers ist ja erst wenige Tage her.

Ja, wir wollen Geschwindigkeit in den Reformprozess bringen. Die erste Beitrittskonferenz mit Albanien und die mit Nordmazedonien dulden keinen Aufschub mehr. Die EU und auch Deutschland stehen hier im Wort. Die Reise des Bundeskanzlers nach Sofia zeigt, dass die Bundesregierung die letzten Hürden überwinden will. Die Regierungskrise in Bulgarien darf jetzt nicht dazu führen, dass wir weitere wertvolle Zeit verlieren. Noch besteht Hoffnung. Herr Wadephul, wenn Ihre Ankündigung wahr ist, dass Ihre EVP-Partner sich ihrer europäischen Gesamtverantwortung bewusst sind, ist das eine gute Nachricht. Wenn Sie daran mitgewirkt haben – da bin ich sicher –, dann danke ich dafür. Auch in Serbien haben Sie einen Partner, auf den Sie noch mäßigend oder motivierend einwirken können.

Mit dem 24. Februar wird noch etwas anderes deutlich. Die Erweiterungsfrage ist die zentrale Sicherheitsfrage für unseren Kontinent geworden. Das gilt nicht nur für die Ukraine. Auch in den Ländern des westlichen Balkans ist die verstärkte Einflussnahme von autoritären Akteuren Realität. Russland und China weiten ihren Einfluss im Herzen Europas aus – wirtschaftlich und dann auch politisch. Und das gefährdet die Stabilität auf dem gesamten Kontinent.

Wir wissen, dass wir auf Albanien, Montenegro, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zählen können. Trotz der teilweise erheblichen wirtschaftlichen und energiepolitischen Verflechtungen mit Russland beteiligen sich diese Länder an den Sanktionen gegen das Putin-Regime. Die serbische Regierung muss wissen, dass eine schrittweise Annäherung an die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU eine wichtige Voraussetzung für den Beitritt ist. Premier Vucic sollte klar sein: Wer nach dem verbrecherischen Angriffskrieg Russlands immer noch nicht bereit ist, mit dem Kreml zu brechen, verlässt den Pfad in die EU.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die sicherheitspolitische Bedeutung der Region wird beim Blick auf die aktuelle Lage in Bosnien und Herzegowina deutlich. Wir brauchen klare Antworten in Form von Sanktionen gegen diejenigen nationalistischen und separatistischen Kräfte, welche die Integrität des Landes infrage stellen und die aus reinem machtpolitischen Kalkül bereit sind, einen erneuten Ausbruch von Gewalt in der Region zu tolerieren. Dazu, liebe Union, wird aktuell in den Ausschüssen ein Antrag von uns Ampelparteien beraten, dem Sie gerne auch zustimmen dürfen.

Mit der geplanten Beteiligung von Bundeswehrsoldaten bei der Operation Althea wollen wir einen weiteren aktiven Beitrag für die Stabilität im Land leisten. Doch uns muss klar sein: Dauerhafter Friede in Bosnien und Herzegowina ist eng mit der Perspektive einer Mitgliedschaft in der EU verbunden. Damit wir in der gesamten Region eine wirklich glaubhafte EU-Perspektive bieten können, müssen nicht nur die Länder des Westbalkans, sondern auch wir in der Europäischen Union unseren Willen zur Reform beweisen. Dazu gehört auch, dass wir die Empfehlungen der Zukunftskonferenz ernst nehmen.

Die Arbeit an der positiven Zukunft der Länder des Westbalkans ist für viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus ein Herzensthema. Der Beitrag, den Deutschland in der Region leisten kann, nutzt diese engen Netzwerke und Kontakte unserer Parlamentarier. Das ist gut. Dadurch tragen wir aber auch eine hohe Verantwortung.

Am wichtigsten, meine Damen und Herren: Viele Menschen aus den Ländern des Westbalkans sind in den letzten 30 Jahren in die Länder der EU gezogen, auch nach Deutschland. Wir leben hier gemeinsam, wir arbeiten gemeinsam, und wir feiern gemeinsam. Diese Menschen sind die Brückenbauer, die unsere Länder schon heute verbinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erweiterungspolitik ist Zukunftspolitik! Bauen wir an der Zukunft des gemeinsamen Hauses Europa mit neuem Elan, mit neuem Tempo und mit neuer Verlässlichkeit!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Matthias Helferich.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Johannes Huber [fraktionslos])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537456
Wahlperiode 20
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans
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