Josip JuratovicSPD - EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Morgen Vormittag werden im Vorfeld der Juni-Tagung des Europäischen Rates die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der Westbalkanländer in Brüssel zusammenkommen. Ich begrüße es sehr, dass sich der Europäische Rat aller Voraussicht nach deutlich für die Integration der Westbalkanländer in die EU aussprechen wird. Einen wirtschaftlich starken und politisch stabilen Westbalkan wird es nur im engen Schulterschluss mit der EU geben. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz den deutschen und europäischen Fokus wieder auf den Westbalkan gerichtet hat, ist ein wichtiger Dienst für die Demokratie und den Frieden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine echte EU-Beitrittsperspektive für alle Länder auf dem Westbalkan ist längst überfällig. Denn inzwischen sinkt in den Westbalkanstaaten der Wille zum EU-Beitritt rapide mit der Gefahr, dass man nach neuen Partnerschaften zunehmend Ausschau hält. Allerdings brauchen wir auch ein klares Bekenntnis der Menschen in der Europäischen Union zur EU-Erweiterung. Allein die Drohung des Ukrainekrieges ist für viele als Argument zu kurz gegriffen.
Wir müssen es den Menschen bei uns sagen: Ein EU-Beitrittsprozess ist noch kein EU-Beitritt. Wir müssen mit allen Ländern des Westbalkans mit EU-Beitrittsprozessen beginnen und den Beitritt nach Regattaprinzip rasch umsetzen. Das ist eine Fairnessfrage und eine Sicherheitsfrage auch für uns.
Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland leben circa 1,5 Millionen Menschen friedlich zusammen, deren Wurzeln in den Westbalkanstaaten liegen. Auch auf dem Westbalkan ist die große Mehrheit der Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Religionszugehörigkeiten gewillt, in Frieden miteinander zu leben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Leider zeigt das politische Bild, das bewusst vor allem von ethnisch-nationalistischen Parteien nach außen getragen wird, das Gegenteil. Deshalb ist es auch von enormer Bedeutung, dass wir das wahre Gesicht des Westbalkans zeigen. Es liegt nicht an den Menschen, sondern am politischen System.
Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die positiven zivilgesellschaftlichen und politisch-demokratischen Kräfte ans Licht holen und unterstützen. Deshalb: Wenn die CDU/CSU von der Fortsetzung der Merkel-Politik spricht, heißt das, dass sie weiterhin sogenannte Stabilokratie unterstützen wollen, auf Kosten der Demokratie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
An dieser Stelle unterscheidet sich die aktuelle Bundesregierung, die ihren Fokus auf Stärkung der Demokratie in den aufnahmewilligen Staaten und auf Stärkung der Demokratie und Sicherheit innerhalb der Europäischen Union setzt.
Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, Ihr Antrag geht im Grunde in die richtige Richtung, bietet aber keinen besonderen Mehrwert. Vielmehr sollten Sie die Anfänge in den eigenen Reihen versuchen. So zum Beispiel sind die autokratischen, zum Teil nationalistischen Parteien des Westbalkans gleichzeitig auch Mitglied der EVP und somit auch Ihre Schwesterparteien.
(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Hört! Hört!)
Bevor Sie also Forderungen an die aktuelle Bundesregierung stellen, wäre es ratsam, ein ernsthaftes Wort mit Ihren eigenen Schwesterparteien zu reden und sie notfalls aus Ihrer Familie auszuschließen, so wie wir Milorad Dodiks Partei ausgeschlossen haben.
(Beifall bei der SPD)
Die bosniakische SDA unter Bakir Izetbegovic und Dragan Covics HDZ sind keine staatstragenden Parteien und erst recht nicht demokratisch, sondern in vielen Facetten kriminelle Organisationen unter dem Deckmantel des praktizierenden Ethnonationalismus.
Was Aleksander Vucic anbelangt, so wird er mit Recht hierzulande als Putin-Freund angeprangert. Gleichzeitig aber hat die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Abschlussreise nach Serbien zu Vucic gemacht und ihn öffentlich in der Vorwahlkampfphase unterstützt. Wir sind gespannt, wie Angela Merkels Zögling Bojko Borissow zum Beginn des Beitrittsprozesses zu Nordmazedonien steht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zivilgesellschaftlichen und demokratischen politischen Kräfte vor Ort müssen von uns namentlich benannt und sichtbar unterstützt werden, statt wie zum Beispiel in Bosnien-Herzegowina mit den Dodiks, Izetbegovics und Covics dieser Welt nach Kompromissen zu suchen. Sie brauchen Hilfe beim Aufbau der funktionierenden demokratischen Institutionen, insbesondere bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und Korruption. Sie wollen, dass das, was auf dem Weg in die EU verlangt wird, auch von der EU vor Ort gelebt wird. Wir sollten es ihnen ermöglichen. Denn es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit und unsere eigene Sicherheit.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat Dr. Christoph Ploß für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537459 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans |