Christoph PloßCDU/CSU - EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Angriffskrieg von Putin-Russland auf die Ukraine stellt eine tiefgreifende Zäsur dar. Das hat man auch in vielen Redebeiträgen in dieser Debatte, aber auch in den Debatten vorher heute wahrgenommen. Dieser Angriffskrieg von Putin hat dazu geführt, dass wir natürlich auch in der deutschen Politik viele vermeintliche Gewissheiten hinterfragen müssen und einiges ändern müssen. Die Ampelkoalition macht das im Moment vor. Sie wirft viele Sachen über Bord, für die sie jahrelang gekämpft und noch im Wahlkampf geworben hat. Die Grünen setzen sich für Kohlekraftwerke ein. Die SPD setzt sich für Aufrüstung ein. Wir erkennen an, dass Sie da eine Änderung Ihrer bisherigen Politik vollzogen haben.
Wir brauchen aber nicht nur eine Änderung in der Energiepolitik, sondern wir brauchen auch eine Änderung in der Außen- und Europapolitik. Denn im Hinblick auf das, was mit dem Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine verbunden ist, lautet die entscheidende Frage: Wie soll Europa in den nächsten Jahren gestaltet sein, damit wir auf einer weltpolitischen Bühne, in der Mächte immer aggressiver auftreten, bestehen können, unsere Werte verteidigen können und unsere Interessen erfolgreich einsetzen können? Die vergangenen Monate haben eines eindeutig gezeigt: Jedes europäische Land – uns eingeschlossen – ist viel zu klein, um auf dieser weltpolitischen Bühne bestehen zu können. Deswegen brauchen wir ein geeintes und starkes Europa. Deswegen brauchen wir auch die Staaten des westlichen Balkans. Das ist eine der klaren Aussagen, die wir mit unserem Antrag hier einbringen wollen.
Wir haben in dieser Debatte auch einige Bedenken wahrgenommen. Es gibt einige, die sagen: Na ja, die Europäische Union ist jetzt schon sehr groß. Was ist denn, wenn wir jetzt noch weitere Staaten aufnehmen? Laufen wir dann nicht vielleicht auch Gefahr, dass wir in Zukunft noch weniger einig sind bei wichtigen außenpolitischen Entscheidungen? – Wir haben bekanntlich das Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union. Das heißt, wir müssen im Prinzip alle Entscheidungen einstimmig treffen, und häufig – das hat die Vergangenheit gezeigt – gibt es deswegen auch Entscheidungen, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner basieren. Je größer die Europäische Union wird, desto größer ist natürlich auch die Gefahr, dass das noch schwieriger wird.
Ich möchte daher noch einen Gedankengang in den Deutschen Bundestag einbringen, der bei dieser Debatte bisher nicht zur Sprache gekommen ist: dass wir nämlich auch eine Reform des Einstimmigkeitsprinzips brauchen, gerade wenn wir als Bundesrepublik Deutschland, gerade wenn wir als Europäische Union das richtige Signal senden, dass wir die Staaten des westlichen Balkans langfristig in die Europäische Union aufnehmen wollen.
(Marianne Schieder [SPD]: Woher nehmen Sie denn die Erkenntnis, dass das nicht zur Sprache gekommen ist?)
Das bedeutet, dass natürlich auch Souveränitätsrechte der Bundesrepublik Deutschland und auch von anderen Staaten auf die europäische Ebene transferiert werden müssen. Diese Debatte müssen wir aus meiner Sicht offen führen. Wir müssen auch die Bereitschaft zeigen, dass wir selber nationalstaatliche Souveränitätsrechte abgeben, weil wir nur so handlungsstark sein können und weil wir nur so zu wirklichen außenpolitischen Entscheidungen kommen können als Europäische Union, um dann einheitlich und stark gegenüber Russland, gegenüber China, aber auch gegenüber anderen großen Nationen in der Welt auftreten zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der aus meiner Sicht noch nicht ganz so stark beleuchtet wurde. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung, hat gerade auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr viele Initiativen angestoßen, damit es eine Annäherung der Staaten im westlichen Balkan an die Europäische Union gibt. Es gibt in vielen Staaten dieser Region sehr gute Fortschritte, was Rechtsstaatlichkeit angeht, was die Einhaltung von demokratischen Prinzipien angeht, auch was die Verankerung von marktwirtschaftlichen Elementen angeht.
Es ist extrem wichtig, gerade für uns als Europäer, dass wir diesen Weg, den wir in den vergangenen Jahren unter einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung begonnen haben, jetzt weitergehen. Wenn der jetzt abgeschnitten und nicht weiter verfolgt wird, würde das bedeuten, dass wir diese Staaten möglicherweise verlieren, dass sich Staaten in Richtung Russland, in Richtung China, möglicherweise auch in Richtung Naher Osten orientieren, und das kann nicht in unserem Interesse sein.
Deswegen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, unterstützen Sie bitte den Antrag der CDU/CSU-Fraktion! Sorgen Sie dafür, dass wir die nächsten Schritte gehen können, um die Staaten des westlichen Balkans an die Europäische Union zu binden! Das ist in unser aller Interesse.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537460 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 43 |
Tagesordnungspunkt | EU-Perspektive für Staaten des westlichen Balkans |