23.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 44 / Zusatzpunkt 2

Kay GottschalkAfD - Teuerspirale - Entlastung der Bürgerinnen und Bürger

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Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Präsidentin! Man muss die Reden hier tatsächlich pausenlos umstellen; denn das war ja schon grandiose Geschichtsvergessenheit, Herr Schrodi.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Geschichtsvergessenheit“ sagt der Richtige!)

Ich habe auch an die CDU zu adressieren: Wieso heißt es im Titel Ihres Antrags eigentlich „Teuerspirale“? Der richtige Titel – ich denke, das ist ein redaktioneller Fehler – lautet „Teurospirale“. Dabei haben Sie genauso mitgemacht. Der Anstieg der Inflation fing nämlich schon 2009 an mit Billionen von Euro für die Rettung der Südstaaten, meine Damen und Herren. Sie lügen den Damen und Herren hier die Hucke voll.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Lügen?)

Die Inflation ist durch Folgendes bedingt – Stichwort „Quantitätstheorie“; ich habe das schon mehrmals gesagt –: Wenn zu viel Geld auf dem Markt ist, dann werden Waren zunächst mal teurer. Und natürlich – ich sage es mal ganz bitter –: Ihnen kommt der Ukrainekrieg da wahrscheinlich ganz schön recht.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist doch unanständig! – Michael Schrodi [SPD]: Unerhört!)

Und diese Lügengeschichten hier aufzutischen! Es ist keine fossile Inflation. Es ist auch nicht der Ukrainekrieg. Hauptsächlich ursächlich ist Ihre verfehlte Energiepolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Schauen Sie nach Polen! Schauen Sie nach Österreich! Die haben die gleichen Wettbewerbsbedingungen. Dort ist der Spritpreis um bis zu 40 oder 50 Eurocent weniger teuer.

(Michael Schrodi [SPD]: Inflation in Euro!)

Das sind die 40 oder 50 Eurocent, die diese Damen und Herren für andere Projekte gerne ausgeben, und das ist der Punkt. Den haben Sie eben ziemlich geschichtsvergessen ausgelassen, Herr Schrodi.

Aber kommen wir doch zu anderen Dingen. Im Übrigen wird die ganze Inflationsmisere ja noch viel deutlicher auf den Punkt gebracht. „ Der Tagesspiegel“ – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – schreibt: Das Rumeiern der EZB sei daran schuld. Es geht um – Achtung, Ohren gespitzt, Fachausdruck – „Schuldentragfähigkeit“, „Fragmentierung“. Da arbeiten Sie schon wieder dran: Wie können wir die Defizitstaaten, etwa Italien, retten? Die Angst vor einer neuen, zweiten Eurokrise geht um, meine Damen und Herren. Das ist die bittere Realität.

(Beifall bei der AfD)

Sie wissen genauso gut wie wir, dass einige Südländer wie Spanien, Italien, aber mittlerweile auch Frankreich, der „Club Med“, die höheren Zinsen nicht mehr tragen können und diese sie an den Rand der Insolvenz bringen. Und wenn wir ehrlich sind: Ohne die Steuergelder von Ihnen, meine Damen und Herren auf der Tribüne, wären Länder wie Italien und Griechenland schon pleite.

Ja, und nun geht es um die Schuldentragfähigkeit oder eigentlich um das Problem, dass diese Party- und Dolce-Vita-Staaten des Südens unsere niedrigen Zinsen haben wollten, aber eben weiter über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das ist die Realität. Deswegen haben wir jetzt diese Krise.

(Beifall bei der AfD – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Realität!)

Herr Gottschalk, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion?

Aber selbstverständlich.

Sie haben das Wort.

Danke, dass Sie die Frage zulassen.

Gerne. Da bin ich anders als einige aus anderen Parteien hier; ich weiß. Bitte.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben davon gesprochen, dass einige Südländer aufgrund der Zinsentwicklung jetzt schon am Rande der Insolvenz sind.

Ja.

Das ist so natürlich nicht richtig. Es gibt eine Duration der Staatsverschuldung. Die Duration im Falle Italiens liegt bei rund sieben, acht Jahren. Das heißt: Es dauert bis zu sieben, acht Jahre, bis sich ein höheres Zinsniveau tatsächlich niederschlägt und auch zu echten Verschuldungsproblemen führt. Woher nehmen Sie die Erkenntnis, dass diese Länder jetzt schon am Rande der Insolvenz sind?

Oh! Ich gebe darauf gerne eine Antwort. Es freut mich. Danke für die Frage. – Also Italien: Wir hatten mal Maastricht-Kriterien. Ich glaube, das haben Sie und Ihr Bundeskanzler Helmut Kohl den Menschen auch gesagt, dass der Euro, wenn er denn eingeführt wird, genauso hart sein wird wie die D‑Mark und dass wir die Deutschen schützen wollen, indem wir entsprechende Kriterien – 60-Prozent-Kriterium bei der Staatsverschuldung des BIP – festlegen.

Ich sage Ihnen, dass Italien mittlerweile auf die 160 Prozent zugeht, an den Zinsmärkten Italien mittlerweile für Staatsanleihen schon mehr als 3 Prozent zahlt. Ich muss Ihnen das Delta dieser Staatsverschuldung nicht erklären! Griechenland ist jenseits der 200 Prozent. Als ich in Frankreich war, hat mir der französische Finanzminister noch erklärt: Wir werden jetzt alles tun, um unter 90 Prozent zu kommen. – Pustekuchen! Sie sind jetzt bei über 100 Prozent, und Macron hat null geleistet als zweit- oder drittgrößte Volkswirtschaft. Wenn wir nach Spanien gucken, da ist es genauso grausam.

Ich glaube, wenn es die Fragmentierung und die Hilfspolitik der EZB – und das ist ein Eingriff – von über 2 Billionen Schuldentiteln, die aufgekauft worden sind zur Staatsfinanzierung – da kann hier einer sagen, was er will –, nicht gegeben hätte, dann wären diese Staaten schon pleite. Denn wer würde denn Griechenland oder Italien allen Ernstes jetzt noch Geld geben in dieser Situation? Dann würde es „Zapp!“ machen und Italien wäre pleite. Die wären weg von der Finanzierung.

(Beifall bei der AfD)

Deswegen ja auch schon 2009 die Verrenkung von Herrn Draghi: „Whatever it takes.“

Also, wir sind uns hoffentlich einig: Wenn die EZB zulasten von Ihnen dort oben nicht mehr als 2 Billionen Staatstitel aufgekauft hätte, dann wäre es morgen schon aus und Italien müsste wahrscheinlich über 10 Prozent zahlen. Deswegen haben wir ja auch mal über 375 Milliarden Euro gesprochen. Wir haben Griechenland einen Schuldenschnitt gegeben und haben uns auch über den berühmten Haircut unterhalten.

Also ich bitte Sie von der Union ganz inständig: Wir gehören zusammen.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ganz sicher nicht!)

Kommen Sie auf den Pfad der Tugend zurück! Lassen Sie uns doch wieder zusammen währungspolitisch zur Vernunft kommen! Wir machen die Menschen dort draußen arm. Also kehren Sie zurück zu dem, was Sie und Ludwig Erhard mal stark gemacht hat! Da würde ich mich freuen.

(Beifall bei der AfD)

Tatsächlich haben Sie – ich habe es eben ausgeführt –, meine Damen und Herren dort draußen und auf den Tribünen, durch die Nullzinspolitik – und das war schon ein Teil dieser Staatsrettung – mit Ihren Ersparnissen, mit Ihren Renten schon mal die Staaten des Südens finanziert. Und nun kommt eben die Endstufe einer jeden Währung – viele der Älteren haben es erlebt –: eine galoppierende Inflation. Auf der anderen Seite belastet nämlich diese hohe Inflation nicht nur die Menschen, die geringe Einkommen haben, sondern auch Normalverdiener – ich zitiere aus dem „Handelsblatt“ mit Erlaubnis der Präsidentin –: Bis zu 672 Euro haben diese Menschen weniger.

Und dann kommt noch – und da sperren Sie sich ja auch; machen Sie endlich mit – die kalte Progression. Das heißt: Das kennen Sie. Wenn Sie Ihr Weihnachtsgeld bekommen, dann schauen Sie sehr verwirrt auf den Lohnzettel und sagen: Da kommt ja wenig an. Da nehme ich ja vielleicht mehr Urlaub.

(Lachen des Abg. Markus Herbrand [FDP])

Das ist genau die kalte Progression, die in unserem Steuertarif festgelegt ist. Auch da entlasten Sie viel zu wenig und haben mich immer hier der Lüge und der Falschaussage bezichtigt. Sie haben dort gelogen. Sie entlasten die Menschen nicht um den vollen Betrag der kalten Progression.

(Beifall bei der AfD)

Also auch hier: kein Umdenken zu erkennen.

Die Schuldenkoalition macht weiter so. Nach Gutdünken verteilt sie ein paar Almosen. Meine Damen und Herren, wie finden Sie es, dass Ihnen bei einer Nachzahlung von vielleicht 1 000 Euro, 2 000 Euro für Gas und Strom zusammen 300 Euro, die auch noch versteuert werden müssen – viel Spaß! –, als großes Geschenk dieser Regierung verkauft werden? Meine Damen und Herren, das ist nichts.

Wir als AfD sagen, dass das Thema Inflation kommt, schon seit mehr als fünf Jahren, seit wir hier im Bundestag sind. Es ist Zeit, umzudenken. Es ist Zeit, umzudenken für die Union. Meine Damen und Herren, glauben Sie bitte nicht diesen Geschichten, die Ihnen hier eben aufgetischt worden sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Während Ihrer Rede? Denen soll man nicht glauben? Okay!)

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Andreas Audretsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537515
Wahlperiode 20
Sitzung 44
Tagesordnungspunkt Teuerspirale - Entlastung der Bürgerinnen und Bürger
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