23.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 44 / Tagesordnungspunkt 10

Frauke HeiligenstadtSPD - Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Zweifel: Die Inflation ist mit 7,9 Prozent im Mai 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat sehr hoch. Sie ist insbesondere für viele Menschen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, deutlich zu hoch. Erheblich teurer sind Speisefette und Speiseöle – über 38 Prozent –, Fleisch und Fleischwaren – über 16 Prozent –, Molkereiprodukte und Eier – über 13 Prozent – sowie Brot und Getreideerzeugnisse, die im Vergleich zum Mai 2021 immer noch um über 10 Prozent teurer sind.

Gerade für meine Fraktion ist das sehr alarmierend. Wir sind sehr besorgt darüber, dass die Inflation insbesondere im Bereich der Energie und der Grundnahrungsmittel so hoch ist, weil gerade diese Bereiche nicht von den Verbraucherinnen und Verbrauchern umgangen werden können. Denn natürlich braucht fast jeder Haushalt Kraftstoffe und Heizenergie – abgesehen von energieautarken Haushalten, von denen es noch nicht so viele gibt. Genauso ist jeder Haushalt auf Grundnahrungsmittel angewiesen. Insbesondere Bezieherinnen und Bezieher kleiner Einkommen werden hier proportional stärker belastet als Menschen mit höheren Einkommen. Genau deshalb ist es jetzt wichtig, über geeignete Maßnahmen für Bezieherinnen und Bezieher von kleineren Einkommen zu diskutieren, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen und diese dann auch umzusetzen.

Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Diese Bundesregierung hat bereits ein Entlastungspaket in einer Größenordnung von mehr als 30 Milliarden Euro beschlossen und umgesetzt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Aber es kommt ja nicht an!)

Es handelt sich hierbei um umfangreiche Entlastungsmaßnahmen, die zum Teil noch gar nicht wirken können, weil sie erst in einigen Wochen in die Umsetzung gehen, zum Beispiel die Steuerfreibeträge oder auch die Heizkostenzuschüsse, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Aus dem Entlastungspaket werden in der Öffentlichkeit eigentlich immer nur zwei Maßnahmen diskutiert, nämlich das 9‑Euro-Ticket und der Tankrabatt. Beim 9‑Euro-Ticket, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann man sagen: Das ist ein voller Erfolg. Das trägt dazu bei, dass viele Menschen, die zum Beispiel täglich zur Arbeit pendeln und sonst teure Monatsfahrkarten kaufen müssten, deutlich entlastet werden. Beim Tankrabatt dagegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, merken wir deutlich, wie schwierig es ist, dass die beabsichtigte Steuersenkung – denn der Tankrabatt ist nichts anderes als eine Steuersenkung – auch tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.

Das Gleiche kann uns übrigens auch bei einer Mehrwertsteuersenkung für Grundnahrungsmittel passieren.

(Marianne Schieder [SPD]: Ganz genau!)

Wer garantiert uns denn, dass das Landbrot, das momentan 4 Euro kostet, nach einer Mehrwertsteuersenkung zukünftig wirklich nur 3,74 Euro kostet? Das funktioniert vielleicht noch beim Bäcker um die Ecke, weil er ehrlich ist und seinen Vorteil an seine Kunden weitergibt. Aber im Supermarktregal? Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können doch relativ sicher sein, dass die Handelsketten die Spanne dieser Preissenkung nicht an die Kundinnen und Kunden weitergeben.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Angesicht der Preissteigerungen in Deutschland hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aber auch schon auf die Grenzen staatlicher Eingriffsmöglichkeiten hingewiesen. Er hat deutlich gemacht: Der Staat kann nicht alles für alle ausgleichen. – Und, meine Damen und Herren, ich denke, wir müssen auch deutlich machen, wo die Grenzen der Finanzierbarkeit liegen.

(Marianne Schieder [SPD]: Ja!)

Sie können sich aber sicher sein, dass diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen intensiv darüber beraten werden, welche weiteren Maßnahmen wir in den kommenden Wochen neben den bereits gefassten Beschlüssen zum Entlastungspaket im Kampf gegen die Preissteigerung umsetzen können.

Eines ist aber auch klar: Wir sollten nicht die Menschen entlasten, die ein sehr hohes Einkommen haben; denn die Spielräume des Haushaltes sind eindeutig begrenzt. Das wäre aber bei einer Mehrwertsteuersenkung genau der Fall; damit würden wir auch die Menschen mit hohem Einkommen entlasten, und das wäre nicht zielgerichtet.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sind dabei, zu sondieren, wie man Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt entlasten kann. Oder anders ausgedrückt – das hat Hubertus Heil auch gesagt –: Wir müssen die Folgen der Preisentwicklung gezielt für die Menschen abfedern, für die sie eine wirklich existenzielle Bedrohung ist. Das ist das wichtigste Ziel.

(Michael Schrodi [SPD]: So ist das!)

Ich bin sehr froh, dass unser Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang Juli zu einer konzertierten Aktion eingeladen hat, um mit Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Politik darüber zu beraten, wie man konkrete Verabredungen treffen kann bzw. was die jeweiligen Partner dazu beitragen können, um auf die Preisentwicklung Einfluss zu nehmen. Bei diesem Treffen mit dem Ziel einer konzertierten Aktion soll gemeinsam über geeignete Maßnahmen gesprochen werden.

Wir wissen nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie lange diese Inflation tatsächlich noch anhalten wird. Aber wir hoffen natürlich, dass die Preissteigerungsrate wieder auf das von der EZB angestrebte Normalmaß von rund 2 Prozent sinken wird.

Frau Kollegin.

Eines ist aber klar: Da die Preise für die Energie weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben, müssen wir darüber nachdenken, wie wir die kleinen und mittleren Einkommen entlasten können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da einige Kolleginnen und Kollegen die Redezeit etwas ausgedehnt haben: Es ist immer gut, an die zu denken, die heute Nacht noch hier sitzen werden.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Oha! Das ist eine Drohung! – Frauke Heiligenstadt [SPD]: Da gebe ich schon eine Rede zu Protokoll!)

Ich weiß nicht, ob Sie das dann sein werden. Das geht nicht an Sie konkret, sondern auch an einige andere.

Ich habe aber sozusagen noch eine Altlast hier. Frau Magwas hatte das Protokoll angefordert. Herr Brandes hat vorhin in einer Debatte von einem „politisch gleichgeschalteten Block der schon länger hier Sitzenden“ geredet. Ich erteile Ihnen dafür wegen bewussten Andockens an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte, die einem demokratischen Parlament unwürdig sind, einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Das gibt es doch nicht!)

Ich gebe das Wort dem Kollegen Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537558
Wahlperiode 20
Sitzung 44
Tagesordnungspunkt Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel
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