Andreas LenzCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Versorgungssicherheit im Winter
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es schon ein bisschen albern, wenn man jetzt darauf hinweist, wer was zu welcher Zeit nicht gewusst hat.
(Michael Kruse [FDP]: Das kann ich mir vorstellen! – Stephan Brandner [AfD]: Das ist die Wahrheit! Die Wahrheit tut weh!)
Wir könnten ja auch in den Koalitionsvertrag der Ampel schauen. Da hat auch noch nicht jeder gewusst, was dann alles im Februar stattfinden würde.
Natürlich ist die jetzige Situation ernst. Die Eskalationshandlung von Putin, der die Gaslieferungen noch mal einseitig einschränkt, bringt uns in eine noch schwierigere Situation. Die Bundesregierung hat die zweite Stufe, die Alarmstufe des Notfallplans Gas, richtigerweise ausgerufen. Diese Maßnahme war sogar überfällig, wenn man die Situation bei Lichte betrachtet. Wir müssen als Land, aber natürlich auch als Gesellschaft zusammenrücken und auch zusammenstehen. Das heißt natürlich auch, dass wir gerade jetzt sämtliche Gaslieferungen aus Russland verstärkt zum einen durch Gas anderer Lieferanten, zum anderen natürlich auch durch Erneuerbare ersetzen müssen. Wir müssen aber auch Gaspotenziale erschließen. Wir müssen andere Ressourcen nutzen, und wir müssen einsparen – das ist überhaupt keine Frage –: durch Anreize, aber auch durch Belohnungen.
Wir verlangen in der Tat seit März einen Plan, wie das russische Gas ersetzt werden soll. Die Regierung hat diesen Plan auch zugesichert. Das muss man dann schon aushalten, wenn wir darauf hinweisen, dass dieser Plan eben noch nicht vorliegt, liebe Damen und Herren. Die Bundesregierung handelt in der Tat sehr zaghaft. Es ist viel Zeit verstrichen. Wir müssen die Menschen, wir müssen aber auch die Wirtschaft vor Mangel und vor Not schützen; denn beides droht in Zukunft.
Bundesminister Habeck hat ja recht, wenn er sagt, es gehe um jede Kilowattstunde. Umso unverständlicher ist es übrigens, dass im März noch der Block A des Kohlekraftwerks Neurath mit 300 Megawatt von Ihnen vom Netz genommen wurde. Allein mit diesem Block hätten Sie ein Zehntel des monatlich verstromten Gases einsparen können. Keiner kann alles wissen und alles richtig machen; aber das war eben nicht richtig zur damaligen Zeit, und darauf weisen wir hin.
Umso unverständlicher ist es übrigens auch, dass der begrenzte Weiterbetrieb der noch laufenden AKWs nicht ernsthaft aufs Tableau kommt. Da geht es nicht um neue Atomkraftwerke, wie sie die AfD beispielsweise fordert. Es geht auch nicht darum, dass Unmengen an zusätzlichen Brennstäben endgelagert werden müssen. Es geht darum, dass wir mit den drei verbliebenen Kernkraftwerken – immerhin mit einer Nennleistung von 4,3 Gigawatt – ein Drittel des verstromten Gases einsparen könnten. Allein das Kernkraftwerk Isar 2 produziert so viel Strom wie alle Gaskraftwerke in Bayern, ähnlich das Kraftwerk in Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Wir müssen, wenn es um Netzstabilität, wenn es um Versorgungssicherheit geht, natürlich auch die regionalen Besonderheiten berücksichtigen. Es ist doch schlicht nicht glaubhaft, dass die Reaktoren, die im Dezember noch sicher laufen können und werden, dies im Januar, im Februar und im März nicht mehr können. Deshalb fordern wir eine ideologielose Prüfung eines Weiterbetriebs, wie das ja auch Teile der FDP tun.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Und der AfD!)
In Deutschland wurde im Mai so viel Gas verstromt wie noch nie, nämlich rund 4 Terawattstunden. Das ist doch Wahnsinn in der jetzigen Situation. Wir laufen in eine Gasmangellage und verstromen gleichzeitig Gas, das wir gar nicht verstromen müssten. Im Moment geht es nicht darum, entweder das Kohlekraftwerk oder das Atomkraftwerk einzuschalten oder zu reaktivieren. Wir brauchen ein Sowohl-als-auch, und Sie handeln hier einfach zu spät. Sie machen zu wenig und sind auch zu unentschlossen angesichts der Tragweite der Schwierigkeiten, denen wir uns ausgesetzt sehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen jetzt wirklich alle Kapazitäten nutzen. Wie gesagt: Wir müssen die Laufzeiten der AKWs verlängern, die Kohlekraftwerke nutzen, alle Erneuerbaren nutzen und natürlich massiv ausbauen. Wir müssen aber auch die Biomasse nutzen, und dazu hören wir nicht mehr als Ankündigungspolitik. Viele dieser Anlagen wären in der Lage, kurzfristig ihre Strom-, Wärme-, aber auch Gasproduktion signifikant zu erhöhen und damit auch die Gasspeicher zu schonen. Sie haben es in der Hand, mit vergleichsweise leicht umzusetzenden regulatorischen Anpassungen dieses Potenzial zu heben. Stattdessen schalten Sie mit dem Osterpaket die Wasserkraft ab.
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)
Sie ignorieren konsequent das Potenzial der Geothermie, und Sie zeigen keinen Fahrplan auf. Den brauchen wir aber, weil die nächsten Wochen und Monate nicht leicht werden.
Wie gesagt: Wir müssen einsparen, ersetzen, erschließen und natürlich letzten Endes auch auf etwaige Notsituationen reagieren. Wir sind gerne gesprächsbereit, wenn es um Lösungen geht, bitten Sie aber auch, Ihrer Verantwortung nachzukommen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als Nächstes erhält Timon Gremmels das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537590 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 44 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Versorgungssicherheit im Winter |