Gerald UllrichFDP - Innovationsschub für Ostdeutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Riemser Erklärung vom 13. Juni dieses Jahres fasst eine Vielzahl von Punkten zusammen, die wir als Ampelkoalition zusammen mit den ostdeutschen Landesregierungen voranbringen wollen. Jetzt bringen die Union und Die Linke als Oppositionsfraktionen die Punkte der Erklärung unkonkret zusammengefasst noch einmal als Antrag in den Bundestag ein.
Das ist sehr interessant. Denn zum einen ist es überflüssig, weil die Bundesregierung schon dargelegt hat, was sie zur Unterstützung Ostdeutschlands vorhat. Zum anderen sitzen Sie, entweder die CDU oder Die Linke, in allen ostdeutschen Ländern mit in den Regierungen, in Thüringen sogar quasi gemeinsam. Somit waren Sie beide als Parteien doch aktiv an den Verhandlungen beteiligt. Es ist ja nicht so, dass Sie in den Ländern nicht genügend Hausaufgaben zu machen hätten: moderne Verwaltung, funktionierende Schulen, gute Infrastruktur – um nur ein paar zu nennen.
Ziel muss es doch sein, dass Ostdeutschland aus seinem Rückstand zum Westen herauswachsen kann. Ich möchte daran erinnern: Ostdeutschland ist nicht das Versorgungsgebiet von Berlin, sondern die Heimat von Millionen Menschen.
Der demografische Wandel ist sicherlich das größte Problem; das wurde schon angesprochen. Dazu mal ein Fakt: Allein in Thüringen hatten wir letztes Jahr einen Sterbeüberschuss von 20 000 Menschen. Stellen Sie sich das vor! Thüringen ist nicht sehr groß, und wir haben 20 000 Menschen nur durch den Sterbeüberschuss verloren.
Das wird uns aber nicht gelingen, wenn die Menschen in Ostdeutschland immer wieder Steine in den Weg gelegt kriegen. Das sehen wir ja zum Beispiel an der Energieversorgung. Natürlich ist das ein gesamtdeutsches Problem. Aber wie wir alle wissen, ist es auch ein besonderes ostdeutsches Problem.
Ich war vor einigen Wochen schockiert, als ich zum ersten Mal die Deutschlandkarte der Öl- und Gaspipelines gesehen habe. Man muss es an dieser Stelle wirklich so hart sagen: Hier hat die Wiedervereinigung nicht stattgefunden. Das müssen wir definitiv ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb dürfen wir jetzt die Menschen in Ostdeutschland nicht alleine die Suppe auslöffeln lassen.
Auch bei den Verteilstromnetzen sehen wir wirklich große Probleme, vor allem in Ostdeutschland. Diese sind nach einer kompletten Transformation jetzt 30, manche auch nur 20 Jahre alt, haben aber bis 50, bis 60 Jahre Nutzungsdauer. Das heißt, dass sich diese Projekte für die Netzbetreiber noch gar nicht refinanziert haben. Jetzt stehen sie wieder vor einem kompletten Umbau der Netze für die Energiewende. Hierdurch werden diese aber zusätzlich belastet – bei sinkendem Eigenkapitalzins. Hier bräuchten die ostdeutschen Länder wirklich Unterstützung. Deshalb begrüßen wir es auch, dass wir die Region jetzt energieunabhängiger machen wollen.
(Beifall des Abg. Reinhard Houben [FDP])
Um Energieunabhängigkeit zu erreichen, benötigen wir meiner Ansicht nach selbstverständlich alternative Kraftstoffe. Hier bittet die Riemser Erklärung explizit um ein vom Bund gefördertes Projekt.
Meine Damen und Herren, wenn wir dem Verbot von Verbrennungsmotoren auf europäischer Ebene zustimmen, ist eine solche Initiative aber obsolet. Dann können wir damit nichts mehr anfangen. Setzen wir uns aber für einen technologieoffenen Wandel ein, geben wir den Menschen im Osten eine zusätzliche Chance auf Wachstum und Wohlstand.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Forschung und Entwicklung, das sind die Mittel, um dies zu erreichen. Dazu brauchen wir aber auch Menschen vor Ort, die genau das machen. Die ostdeutsche Wirtschaft ist sehr mittelständisch geprägt, wie jeder weiß. Selbiges gilt auch für die Forschungslandschaft im Osten. Die gemeinnützigen industrienahen Forschungseinrichtungen sind gerade im Osten ein großer Gewinn für Unternehmen und die Entwicklung von Produkten. Hier entstehen Ideen und Innovationen, und das vor allem in der Praxis und auch wirtschaftsnah.
Gleichzeitig befürchte ich, dass viele dieser Institute bald die Segel streichen müssen. In der Riemser Erklärung wird ja auch auf diese Problematik verwiesen. Übrigens sagt die CDU kein Wort davon, weil das eine sehr komplexe Sache ist, die man auch durchdringen muss. Sie nennen einfach nur die relativ einfachen Fakten, die ohnehin bekannt sind und mit denen wir hier im Parlament nicht allzu viel anfangen können.
Ich selbst habe mich in den vergangenen Monaten intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Es ist kompliziert; aber wenn wir hier nicht tätig werden, verlieren wir Fach- und Führungskräfte im Osten, und das ist ja gerade das, was wir eigentlich verhindern wollen.
Wichtig ist erst einmal, dass wir die vom BMWK gesetzte Frist zur Einhaltung des TVöD bis zum Jahresende rechtzeitig verlängern. Von den Instituten sind Kündigungsfristen einzuhalten; deswegen ist eine Verlängerung im Oktober oder November zu spät. Wir müssen den Instituten erst einmal Luft zum Atmen verschaffen, bis wir eine Lösung umsetzen können.
Ich kann Ihnen hier sagen, dass die Übernahme in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz leider nicht funktionieren wird, so wie sie von manchen angedacht wurde. Man kann Ungleiches nicht mit Gleichem regeln. Wir brauchen hierfür eine klare, definierte, unbürokratische Ausnahme vom Besserstellungsverbot für diese Institute. Dafür möchte ich auch noch mal explizit in diesem Hause werben.
Die letzten Sätze sind an die Fraktion der Linken gerichtet. Herr Pellmann, dass Sie einen Schutzschirm für Ostdeutschland fordern, zeigt meiner Meinung nach wieder mal Ihr völlig falsches Verständnis von unserer Region. Die Menschen wollen nicht alimentiert werden. Die Menschen wollen nicht behandelt werden, als wäre Ostdeutschland eine Förderschule. Sie wollen sich selbst verwirklichen und durch Leistung auffallen und nicht durch eine Alimentierung von Staats wegen.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Geben Sie den Menschen in Ostdeutschland auch die Chance dazu.
Danke.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Das ist ja unfassbar!)
Ich erteile das Wort Simone Borchardt, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537616 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 44 |
Tagesordnungspunkt | Innovationsschub für Ostdeutschland |