23.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 44 / Tagesordnungspunkt 15

Joe WeingartenSPD - Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Zeitenwende verändert auch unseren Blick auf Konflikte außerhalb Europas. Auch Auseinandersetzungen im östlichen Mittelmeer können Auswirkungen auf unsere Sicherheit haben. Wir wollen, dass dort die brisante Situation nicht weiter eskaliert. Das ist nicht nur ein Gebot humanitärer Verpflichtung, sondern auch der politischen Klugheit und der strategischen Absicherung. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass uns jemand mit zweifelhaftem Verfassungsleumund, für den ein Uniformtrageverbot bei der Bundeswehr gilt, hier das Gegenteil erklären will, ist ein starkes Stück.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU] – Jan Ralf Nolte [AfD]: Gehen Sie doch mal auf die Argumente ein, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, der Libanon ist schwer angeschlagen; das ist hier schon oft angesprochen worden. 1,5 Millionen Flüchtlinge, Inflationsrate über 200 Prozent, zwei Fünftel der Bevölkerung arbeitslos – die Zahlen sind dramatisch. Auch dass die libanesische Regierung zu einem großen Teil handlungsunfähig und ohne funktionierenden Haushalt ist, erschwert die Lage. Die Wahlen haben die reformorientierten Kräfte zwar gestärkt, aber das grundsätzliche Patt im libanesischen Parlament nicht beseitigt. Die verbrecherische Taktik Russlands, die Welt vom ukrainischen Weizen abzuschneiden und bislang belieferte Länder auszuhungern, trifft den Libanon besonders hart. Die Brotpreise haben sich in den letzten zwei Wochen verdoppelt. Deswegen geht auch in dieser Debatte der Appell an den Kreml: Hört auf, Nahrungsmittel als Waffe zu verwenden! Öffnet die ukrainischen Häfen für dringend benötigte Weizenexporte!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])

Frau Kollegin Nastic, wenn Sie eben über die Blockade Syriens reden, aber kein Wort über das, was Russland macht, über die Lippen bringen,

(Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Da haben Sie nicht zugehört!)

dann ist das auch ein bisschen traurig und ein weiterer Beweis dafür, dass Die Linke im internationalen Bereich nicht handlungsfähig ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die militärische Lage darf nicht weiter eskalieren. Ich kann nur allen zustimmen, die darauf hingewiesen haben, dass wir dafür sorgen müssen, dass der Einfluss der im Südlibanon aktiven Hisbollah-Milizen nicht noch zunimmt und sich nicht auf die Seeregion im östlichen Mittelmeer erstreckt. Deshalb ist es richtig, dass die Bundeswehr Teil der UNIFIL-Mission bleibt und dass wir heute dem Antrag der Bundesregierung zustimmen, das Mandat bewaffneter deutscher Streitkräfte um ein Jahr bis längstens zum 30. Juni 2023 zu verlängern. Deutschland übernimmt dabei Aufgaben bei der Überwachung vor der Küste des Libanon und bei der Ausbildung von Marinesoldaten. Die libanesische Marine macht dabei Fortschritte – das können wir feststellen –, aber sie wäre aktuell immer noch nicht in der Lage, diesen Aufgaben alleine nachzukommen.

Neben diesen lokalen Aspekten müssen wir bei der Bewertung der Sinnhaftigkeit der Mission aber auch das größere Bild im Auge behalten. Ich bin sehr dankbar, dass von mehreren Fraktionen hier auf die Sicherheit Israels hingewiesen wurde. Der geschwächte libanesische Staat wird von fremden Mächten, allen voran vom Iran, aber auch von Syrien, vereinnahmt und unterwandert, und das gefährdet auch die Sicherheit Israels.

Wir konnten uns als Verteidigungsausschuss ein Bild von der Situation an der Waffenstillstandslinie, der Blue Line, machen und haben gesehen, wie die vom Iran finanzierte Hisbollah versucht, Israel durch Raketenangriffe anzugreifen, wie Tunnels gegraben werden und dass es permanente Angriffe gibt. Es ist sehr gut, dass die UNIFIL dort stationiert ist und versucht, dieser Situation entgegenzuwirken.

Die Präsenz der Bundeswehr in dieser Region dient aber auch unseren Sicherheitsinteressen. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Maritime Task Force ein multinationaler Flottenverband ist, der ab Ende Juni durch die Korvette „Erfurt“ der Deutschen Marine verstärkt wird. Damit stärken wir nicht nur UNIFIL, sondern wir haben auch einen wesentlichen Informationszugriff auf das wichtige Seegebiet zwischen israelischer und libanesischer Küste, Syrien, der Türkei und Zypern. Das ist auch für unsere Verteidigung von Bedeutung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen bei der internationalen Krisenbewältigung. Das größte und wirtschaftlich stärkste Land Europas übernimmt Verantwortung für die Konflikteindämmung – humanitär, wirtschaftlich und, wenn es notwendig ist, auch militärisch. Das ist die Verantwortung einer Führungsnation, nicht weil wir sie um jeden Preis anstreben, sondern weil sie von uns erwartet wird, auch vom Libanon und von Israel.

Ich danke im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion – ich freue mich, dass das auch die anderen demokratischen Fraktionen getan haben – allen deutschen Soldatinnen und Soldaten, die sich im Rahmen von UNIFIL für Frieden, Freiheit und Sicherheit einsetzen, im Einsatz vor Ort, in den Stäben, auf der „Erfurt“ und auch in der Einsatzführung hier in der Heimat. Geben wir ihnen durch das klare politische Signal der Mandatsverlängerung Rückendeckung!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537631
Wahlperiode 20
Sitzung 44
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL)
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