Claudia TausendSPD - Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen das kommunale Vorkaufsrecht wiederherstellen, vollumfänglich und rechtssicher, und unseren Kommunen damit ein bewährtes und 35 Jahre lang unbeanstandetes Instrument des Milieuschutzes zurückgeben, ein Instrument – um das klarzustellen –, das sie anwenden können, aber nicht anwenden müssen. Es handelt sich um ein Vorkaufsrecht, nicht um eine Vorkaufspflicht.
(Beifall bei der SPD)
Ich bin überzeugt, dass unsere Kommunen sehr verantwortungsvoll damit umgehen, und zwar zum Schutz der Zusammensetzung der angestammten Wohnbevölkerung und zur sozialen Stabilisierung der Quartiere, wie es im Gesetz vorgesehen ist.
Wir wollen doch alle keine Situation wie in London oder Paris. Wir kennen die schmucken Innenstädte, die schmucken Citys; sie sind für uns Touristen sehr attraktiv. Aber leisten kann sie sich niemand mehr, vor allem nicht die Menschen, die die Stadt am Laufen halten, die jeden Tag anderthalb Stunden mit Vorortzügen ein- und auspendeln. Das wollen wir nicht. Im Gegenteil: Wir wollen in unseren Städten lebendige und durchmischte Quartiere, gerade in den begehrten innerstädtischen Lagen, und werden daher alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit die Menschen, die dort seit Jahrzehnten leben, nicht durch Spekulationen verdrängt und vertrieben werden. Das kommunale Vorkaufsrecht ist ein Baustein dafür.
(Beifall bei der SPD)
Das wird aber nicht der einzige Baustein zur Sicherung von bezahlbarem Wohnraum sein. Wir werden auch die Kappungsgrenze absenken, die Mietpreisbremse verlängern und den Mietspiegel überarbeiten. Bereits in der letzten Legislaturperiode haben wir den Kommunen mit dem Baulandmobilisierungsgesetz eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, preisdämpfend auf den Wohnungsmarkt einzuwirken, teilweise leider über den Umweg der Länder, die eine Rechtsverordnung erlassen müssen. Dies haben bis zum heutigen Zeitpunkt vollumfänglich leider nur Berlin und Hamburg geleistet. Aber das zeigt: Diese Instrumente wirken, vor allem das allgemeine Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen, wie man an den eindrucksvollen Zahlen hier in Berlin sieht. – Berliner hätten jetzt klatschen dürfen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Kolleginnen und Kollegen, für uns Sozialdemokraten ist die Schaffung, aber auch die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum gerade in Ballungsräumen die zentrale soziale Frage;
(Beifall bei der SPD)
darauf hat Hans-Jochen Vogel unermüdlich hingewiesen. Er hat betont: Der Wohnungsmarkt ist eben kein funktionierender Markt, auch wenn er so heißt, weil das knappe Gut „Grund und Boden“ nicht vermehrbar ist wie ein x‑beliebiges Gut. Deshalb ist der Staat, deshalb sind wir in der besonderen Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass Wohnen bezahlbar bleibt. In diesem Ziel unterstützen uns nicht nur die Mieterverbände und zahlreiche Mieterinitiativen, sondern auch die Bürgermeister und Oberbürgermeister, namentlich die aus den hauptbetroffenen Städten Berlin, Hamburg und – bei mir natürlich Dieter Reiter – München, der Städtetag, aber auch der Bundesrat.
Die öffentliche Anhörung am 9. Mai hat uns gezeigt, dass wir hier sehr genau hinschauen müssen, um zu einer rechtssicheren Lösung zu kommen. Das ist durchaus eine herausfordernde Aufgabe. Es wird leider nicht reichen – das hat die Linkspartei erkannt –, das Vorkaufsrecht durch das Hinzufügen eines einfachen Halbsatzes zu reparieren. Wir müssen die andere Seite der Medaille mit betrachten, nämlich die Abwendungserklärung, und beides ins Verhältnis setzen zu § 172 BauGB, zum Milieuschutzparagrafen. Wir werden einige Präzisierungen vornehmen müssen, zum Beispiel dass Abwendungserklärungen dem demografischen Wandel und der notwendigen Barrierefreiheit, aber auch den klimapolitisch erwünschten energetischen Sanierungen nicht im Wege stehen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das ist gut! Aber die Realität ist anders!)
Kolleginnen und Kollegen, Die Linke hat ihren Gesetzentwurf nach der Anhörung nachgebessert; aber es fehlen noch einige Aspekte. Wir werden den Vorschlag daher ablehnen und nach der Sommerpause einen eigenen, ausgewogenen, handhabbaren Gesetzentwurf einbringen, der sich an den Kriterien der Vollziehbarkeit und Verhältnismäßigkeit orientiert. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen nach der Sommerpause und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ganz herzlichen Dank, vor allen Dingen für die Einhaltung der Redezeit. Ich möchte alle noch einmal daran erinnern, dass es heute recht lang werden kann. Deswegen bitte ich Sie, auf die Redezeit sehr genau zu achten.
Das kann als Allererstes Enak Ferlemann für die CDU/CSU-Fraktion machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537664 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 44 |
Tagesordnungspunkt | Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten |