Carl-Julius CronenbergFDP - Transparente Arbeitsbedingungen in der EU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kerstin Griese, Frau Staatssekretärin! Die Arbeitswelt ist im Wandel. Arbeit ist globaler, mobiler und digitaler als je zuvor. Das wird auch noch viele Jahre so anhalten. Folgerichtig hat die EU ihre Richtlinie zu transparenten Arbeitsbedingungen überarbeitet und dabei den Arbeitnehmerschutz gestärkt und gleichzeitig dem Wandel der Arbeitswelt Rechnung getragen. Die neue Richtlinie schafft den Rahmen für bessere Arbeitsbedingungen nicht nur, aber auch in einer digitalen Arbeitswelt mit Öffnungsspielräumen für die Sozialpartner. Das ist genau der richtige Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist eine gute Grundlage.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Umsetzung in deutsches Recht liegt nun vor. An einigen Stellen geht sie über eine Eins-zu-eins-Umsetzung hinaus; das kritisiert die Union in ihrem Entschließungsantrag.
Aber, Kollege Oellers, mal ganz ehrlich: Als Sie in der Regierung waren, waren sie großzügiger mit Draufsatteln und Gold-Plating, oder? Da kann ich mich aber noch richtig erinnern, nicht?
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Aber Ihr Ansatz war noch ein anderer, Herr Cronenberg! Wo ist denn die FDP?)
Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass das Gesetz die Möglichkeit einer Tariföffnungsklausel nutzt. Das hätte denjenigen, die das betrifft, bei der Ausgestaltung sinnvoller Rahmenbedingungen mehr Spielraum gegeben.
Der DGB hat es in der Anhörung auf den Punkt gebracht: Das Gesetz zielt auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Bereich der prekären Beschäftigungsverhältnisse. Na ja, meine Definition von „prekär“ und die des DGB mögen nicht gänzlich übereinstimmen; da verrate ich wohl kein Geheimnis. Aber sei’s drum, das vorliegende Gesetz erreicht dieses Ziel, und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun sind – Gott sei Dank – nicht alle Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland prekär. Circa 80 Prozent der Arbeitsverträge sind schriftlich und enthalten alle wesentlichen Vertragsbestandteile im Sinne des Nachweisgesetzes. 80 Prozent der Beschäftigten haben also einen nachweisersetzenden Arbeitsvertrag in der Hand – dachten wir jedenfalls. Das dachte vermutlich auch das BMAS, als es das Gesetz entwickelt hat. Die Annahme war: Für 20 Prozent verbessern wir, für 80 Prozent ändert sich nichts. Diese Annahme hat unserem Praxischeck leider nicht standgehalten. Teile der Wirtschaft haben längst ihre Personalverwaltung digitalisiert, Start-ups sowieso. Das spart unnötige Kosten und Bürokratie. Fachkräfte, sofern man überhaupt welche findet, sollen Werte schaffen und nicht Papier verwalten.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Und jetzt? Was macht jetzt das Gesetz damit?)
Viele Unternehmen haben ihre Personalverwaltung also längst digitalisiert. Digitale Arbeitsverträge sind erlaubt und bleiben es auch, den Nachweis ersetzen können sie jedoch nicht, und das ist auch richtig so.
Im Kern geht es also um die Frage, ob der Nachweis in Schriftform erfolgen muss oder in elektronischer Form mit qualifizierter Signatur erbracht werden kann, solange der Arbeitnehmer damit einverstanden ist; das ist selbstverständlich die Voraussetzung. Befürchtungen, dass die Schriftform und die qualifizierte elektronische Signatur nicht gleichwertig sind, sind also unbegründet. § 126a BGB erkennt die Gleichwertigkeit mit der Schriftform ausdrücklich an, und die Prozessordnungen setzen diese Gleichwertigkeit für die Klageverfahren um. Das hat die Anhörung bestätigt. Die Branchen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes würden bei einer Öffnung ebenso ausgeschlossen wie die geringfügige Beschäftigung. Aber es ist, wie es ist. Die gesetzliche Umsetzung erfolgt nun fristgerecht zum 1. August und verbessert den Arbeitnehmerschutz im Bereich der sogenannten prekären Beschäftigungsverhältnisse. Das ist gut. Die digitale Rückständigkeit des deutschen Arbeitsrechts
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: … wird nicht aufgehoben!)
besteht fort, und das ist schlecht. Für viele Unternehmen bedeutet das Nachweisgesetz tatsächlich einen Rückschritt, ein Zurück zum Papier.
(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Die FDP ist eine Rückschrittspartei!)
In Zeiten von Fachkräftemangel und Inflation dürfen wir da nicht stehen bleiben.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei Beate Müller-Gemmeke und Jan Dieren
(Maximilian Mörseburg [CDU/CSU]: Wofür? – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Für die Mehrbelastung, die Sie gerade feststellen!)
für die wirklich sehr konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Hieran gilt es anzuknüpfen. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir Versäumtes werden nachholen können. Es ist nicht klug, Positionen erst zu korrigieren, wenn Krieg oder Krise da ist. Diese schmerzliche Erfahrung habe ich, haben wir wahrscheinlich alle gemacht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bitte, bei weiteren Redebeiträgen Danksagungen und Ähnliches in die reguläre Redezeit einzupreisen. – Das Wort hat der Kollege Pascal Meiser für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537681 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 44 |
Tagesordnungspunkt | Transparente Arbeitsbedingungen in der EU |