24.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 45 / Tagesordnungspunkt 7

Josephine OrtlebSPD - Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Heute machen wir das zur Geschichte, was gesellschaftlich schon längst der Vergangenheit angehört. Wir schlagen ein neues Kapitel der Selbstbestimmung auf. Endlich streichen wir § 219a!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, viele fragen sich zu Recht, warum wir erst heute zu dieser Entscheidung kommen. Die Argumente liegen seit Jahren auf dem Tisch, Gutachten der Sachverständigen wurden erstellt, und der Druck der Betroffenen war immer hoch. Diesen Menschen können wir heute sagen: Dort, wo es keine konservativen Bremsklötze mehr gibt, wird fortschrittliche Gesellschaftspolitik endlich zur Realität.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Für uns als SPD-Fraktion war immer klar: § 219a muss weg. Wir haben die Fahne für Selbstbestimmung hochgehalten, auch bei Gegenwind. Heute machen wir mit der Streichung drei Selbstverständlichkeiten ganz klar: Frauen entscheiden selbst über ihren Körper; Selbstbestimmung braucht Information und keine Verfolgung; Ärztinnen und Ärzte werben nicht, sie helfen in schwierigen Situationen. Obwohl dies so selbstverständlich scheint, versuchen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, die Debatte – wir haben es heute wirklich wieder gehört – immer wieder mit dem Argument der Werbung zu verzerren oder zu verfälschen.

(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: So heißt die Debatte! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was steht da oben?)

Sosehr Sie auch versuchen, die Wahrheit zu verdrehen: Wenn eine Ärztin auf ihrer Homepage über Schwangerschaftsabbrüche und die angewandten Methoden informiert, dient das der Aufklärung der Patientinnen und hat nichts mit Anpreisung oder Kommerzialisierung zu tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und überhaupt – das ist für mich auch das Erschreckendste von all dem, was wir jetzt von Ihnen gehört haben –: Was ist denn das für ein Frauenbild, das dahintersteckt, wenn Sie den § 219a beibehalten wollen? Hoffen Sie heimlich, Frauen entscheiden sich gegen einen Schwangerschaftsabbruch, wenn man sie bloß im Dunkeln lässt über Methoden?

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das hat überhaupt keiner gesagt!)

Das ist Ihr Frauenbild. Für uns ist klar: Wer den freien Zugang zu Informationen versperrt, will eine freie Entscheidung verhindern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir als SPD-Fraktion setzen auf Information und Aufklärung und nicht auf Bevormundung und Angst. Es ist doch ganz offensichtlich – wir haben es schon gehört –: Keine Frau trifft eine so weitreichende Entscheidung, ob sie ein Kind austragen will, leichtfertig. Niemand denkt so unbeschwert über einen Schwangerschaftsabbruch nach wie über einen Handyvertrag oder ein neues Kleid. Diese Behauptungen sind lächerlich und schlichtweg für diese vielen Frauen verletzend.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Als ehrenamtliche Landesvorsitzende der pro familia Saar erlebe ich täglich, dass es für Frauen immer schwerer wird, Arztpraxen und Kliniken zu finden, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Im Saarland gibt es kaum noch Ärztinnen – ich glaube, es sind zwei –, die diese medizinischen Leistungen durchführen. Deutschlandweit werden diese weißen Flecken immer größer. Schon jetzt müssen Frauen auf dem Land teils Hunderte Kilometer fahren. Diese weißen Flecken sind Flecken der Unsicherheit, der Angst und der Entmündigung. Wenn Medizinerinnen und Mediziner strafrechtliche Verfahren fürchten müssen, wenn sie von fundamentalen Abtreibungsgegnern regelrecht verfolgt und persönlich angegriffen werden, ist der Schaden für diese Ärztinnen und Ärzte, für die Frauen und uns als Gesellschaft groß. In Zukunft können Ärztinnen und Ärzte nicht mehr strafrechtlich verfolgt und an den Pranger gestellt werden, nur weil sie ihren Job machen. Ich bin sicher, das wird auch die gesundheitliche Versorgungslage für Frauen verbessern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicole Bauer [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon viele haben versucht, das Recht der Frau auf körperliche Selbstbestimmung für politische Zwecke zu missbrauchen. Und immer gab es Mutige, die für ihre Rechte gekämpft haben. Diesen Kampf müssen wir weiterführen; denn um nichts weniger geht es heute.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Tina Rudolph.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537767
Wahlperiode 20
Sitzung 45
Tagesordnungspunkt Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch
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