Tina RudolphSPD - Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen! Dass der § 219a heute aus dem Strafgesetzbuch fällt, ist längst überfällig. Es war nie richtig, dass es diesen Paragrafen gab, aber erst recht gehört er nicht in dieses Jahrhundert. Es gehört sich nicht, einen Paragrafen zu haben, der unterstellt, man könne über Schwangerschaftsabbrüche nicht angemessen informieren, ohne dass das in Werbung ausartet, in anstößige Werbung, und der unterstellt, dass jemand vorhätte, sich auf anstößige Art und Weise mit einem so ernsthaften Thema zu befassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen ist es wichtig, dass dieser Paragraf der Vergangenheit angehören wird.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Es ist aber auch wichtig – das zeigt die Debatte, die wir geführt haben –, dass es sich um eine stellvertretende Debatte handelt. Eigentlich geht es darum, wie wir gesellschaftlich mit Schwangerschaftsabbrüchen umgehen und ob wir davon ausgehen, dass sie unter gewissen Umständen möglich sein müssen. Um diese Frage geht es, und wir sagen: Ja, wenn sich eine Frau in einer Notlage befindet, in einer Situation, in der sie sich ihre Entscheidung nie einfach machen wird, die für keine Frau einfach ist, dann müssen wir es ihr ermöglichen, eine gut überlegte Entscheidung treffen zu können. Wir aus der sozialliberalen Koalition sagen: Ja, dann muss es möglich sein, diese Entscheidung auch treffen zu können.
(Beifall bei der SPD und der FDP – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und wenn man zu diesem Schluss kommt: Ist es dann nicht nur folgerichtig, dass auch die Informationen über diesen Eingriff zugänglich sein müssen? Ist es dann nicht folgerichtig, dass diese Informationen zugänglich sein müssen und dass Frauen, die in dieser Notlage sind, diese Informationen auch finden, ohne dass wir es ihnen schwer machen? Und auch hier sagen wir: Ja. Ja, das ist unsere gesellschaftliche Verpflichtung.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wenn Sie wirklich noch Hinweise in Sachen Evidenz brauchen – es ist ja angesprochen worden, dass Sie erst einmal prüfen wollen, ob es wirklich so schwierig ist, diese Information zu finden –: Wenn man sich die Liste der Bundesärztekammer anguckt und die einmal durchtelefoniert – es gibt Personen, die das gemacht haben –, dann findet man dort Falscheinträge, Nummern, die ins Leere laufen. Das ist der Beweis, dass es nicht möglich ist, diese Informationen zu finden, so wie es sein sollte. Der wesentliche Punkt ist aber, dass es in einer solchen Situation nicht davon abhängig sein sollte, ob ich eine solche Liste finde. Es kann nicht sein, dass in einer solchen Situation das darüber entscheidet, ob eine Entscheidung informiert getroffen werden kann. Deswegen müssen wir einen besseren Zugang zu diesen Informationen schaffen. Vor allem müssen wir aufhören, diejenigen zu kriminalisieren, die genau dafür sorgen, die aufklären und sich ihrer Verantwortung sehr, sehr bewusst sind.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die zweite Einlassung zur Evidenz – auch das muss ich hier einfach noch mal bemerken – ist, dass es Ihr ehemaliger Gesundheitsminister noch geschafft hat, 5 Millionen Euro für eine Studie zum Post Abortion Syndrome rauszuschlagen, ein Konzept, das seit den 80ern durch diverse Studien und Metaanalysen widerlegt ist.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Sehr richtig!)
Das ist die Auffassung von Evidenz der Union, und ich bin froh, dass wir damit heute abschließen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Mir bleibt es, all denjenigen zu danken, die sich in den letzten Jahren unermüdlich eingesetzt haben, dass Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche möglich ist. Ich weiß, dass wir hier nicht aufhören dürfen, da wir vor dem Problem stehen, dass in den nächsten Jahren viele der Ärztinnen und Ärzte wie Kristina Hänel, die das aus Überzeugung gemacht haben, auch aus anderen Fachrichtungen als der Gynäkologie, zum Beispiel aus der Allgemeinmedizin, in den Ruhestand gehen werden und dann ein wirklicher Versorgungsengpass droht.
Deswegen ist es so wichtig, was wir heute machen: dass wir gesellschaftlich diese Frage diskutieren und noch mal klarmachen, dass Schwangerschaftsabbrüche möglich sein müssen, dass niemand sich diese Entscheidung leicht macht. Aber wir sehen auch in anderen Ländern ganz genau, dass ein restriktiver Zugang nicht zu weniger Schwangerschaftsabbrüchen führt, sondern zu unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen, und das gilt es zu verhindern.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deswegen bin ich stolz, heute hier zu stehen, und bin stolz, dass wir als Ampelkoalition für ein Frauenbild stehen, das unterstreicht, dass wir Frauen diese Entscheidung zutrauen, dass es eine Entscheidung der Betreffenden ist und dass niemand ihr diese Entscheidung abnehmen kann, dass wir gesellschaftlich die Verpflichtung haben, für gute Rahmenbedingungen und dann auch für eine gute medizinische Versorgung zu sorgen. Das ist unser Frauen- und unser Menschenbild. Dafür stehen wir, und darauf bin ich heute sehr stolz.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537768 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch |