Günter KringsCDU/CSU - Kinderschutz vor Datenschutz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag wird vielen in den Ampelfraktionen wohl nicht gefallen; denn er deckt einmal mehr auch hier das Zaudern und Zögern dieser Bundesregierung auf. Gerade bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie ist ein Abwarten aber fatal. Schon der römische Kaiser Marc Aurel wusste – ich zitiere –: Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut. Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er es kann, der befiehlt es. – Der Schutz unserer Kinder ist uns nicht nur in Sonntagsreden ein wichtiges Anliegen, sondern wir wollen die Schwächsten in unserer Gesellschaft tatsächlich und effektiv schützen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Unser Antrag hat eine ganz klare Zielsetzung. Es geht hier nicht um allgemeine Kriminalitätsbekämpfung, sondern es geht einzig und allein um den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch unserer Kinder, ja – es fällt schwer, das auszusprechen –, zum Teil von Kleinstkindern und Säuglingen.
Wer meint, es gebe hier keinen Handlungsbedarf, ignoriert offenbar die dramatische Entwicklung in diesem Bereich. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 2021 haben sich die Fälle der Verbreitung, des Erwerbs, des Besitzes, der Herstellung von Kinderpornografie mehr als verdoppelt, auf inzwischen 39 000 Fälle. Hinter jedem Bild, hinter jedem Video steht ein ekelhafter, realer Missbrauch. Jedes Opfer solcher Delikte ist eines zu viel; aber die nochmalige Steigerung der Fälle erschüttert und alarmiert uns. Wir als CDU/CSU werden es nicht hinnehmen, wenn immer mehr Kinder zu Opfern werden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was müssen wir deshalb für einen besseren Schutz unserer Kinder tun? Natürlich brauchen wir mehr Personal, wie es in NRW etwa Innenminister Herbert Reul vorgemacht hat. Er hat die Zahl der Polizeibeschäftigten in diesem Bereich nahezu vervierfacht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und die Ermittler brauchen für ihre unglaublich belastende Arbeit noch bessere technische Unterstützung, etwa durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz, die relevante Bilder vorsortiert.
Aber Personal und Technik allein reichen eben nicht. Wir brauchen vor allem auch die notwendigen und wirksamen rechtlichen Werkzeuge im Kampf gegen Kindesmissbrauch. Zur Aufklärung solcher Taten sind wir vor allem auf Hinweise des US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children angewiesen; denn die Internetanbieter teilen diesem Center die strafrechtlich relevanten Sachverhalte mit, während bei uns die Meldepflicht nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz faktisch auf Eis liegt.
Im Jahr 2019 waren das 16,8 Millionen Hinweise auf potenzielle Straftaten weltweit, 2020 bereits 21,4 Millionen. Bei sage und schreibe 19 150 Hinweisen an das Bundeskriminalamt führte eine Bestandsdatenabfrage in den letzten fünf Jahren nicht zu einer Identifizierung des benutzten Anschlusses, und das nur deshalb nicht, weil in diesen Fällen als einziger Ansatz die IP‑Adresse zur Verfügung stand, diese aber in unserem Land nicht mehr bei den Providern gespeichert war.
Jetzt kann man das auf die Gerichtsurteile zur Vorratsdatenspeicherung schieben
(Konstantin Kuhle [FDP]: Auf die Union!)
und sich als Politiker achselzuckend zurücklehnen. Oder man kann den Spielraum, den die Rechtsprechung uns lässt, konsequent zugunsten der Kinder nutzen. Wir haben uns für Letzteres entschieden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
„Spielräume nutzen“ heißt bei uns: wirksam handeln; denn keinem missbrauchten Kind ist mit reiner Symbolpolitik geholfen. Symbolpolitik ist es, wenn man etwa salbungsvoll über ein Kindergrundrecht redet, aber sich in die Büsche schlägt, wenn es ernst wird beim Schutz von Kindern, die ganz besonders die Hilfe von uns allen hier im Bundestag brauchen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Symbolpolitik ist es auch, wenn FDP-Justizminister seit Leutheusser-Schnarrenberger gebetsmühlenartig das Heil in einem sogenannten Quick-Freeze-Modell suchen. Danach werden Verbindungsdaten erst nach einem Verdachtsfall gespeichert. Ein Verdacht wird aber häufig erst erkennbar, wenn die Daten schon längst gelöscht sind. Das kennen wir alle von zu Hause: Wenn das Kühlfach leer ist, kann man eben auch nichts mehr rausholen. Meine Damen und Herren, so beruhigen Sie vielleicht Ihr schlechtes Gewissen, geholfen wird dadurch aber kaum einem Opfer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen den von Missbrauch betroffenen Kindern spürbar und effektiv helfen, indem wir Telekommunikationsanbieter zu einer sechsmonatigen Speicherung nur von IP‑Adressen verpflichten, ausschließlich zum Zwecke der Bekämpfung von schweren Straftaten gegen Kinder. Mit der zweifachen Einschränkung gegenüber der geltenden Verkehrsdatenspeicherung knüpfen wir direkt an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts an. Wir stellen damit die Verfassungs- und Europarechtskonformität dieses Modells sicher.
Bemerkenswert ist, dass die Innenministerin inzwischen erkannt hat, dass diese streng zweckgebundene IP‑Adressen-Speicherung richtig ist und eben etwas ganz anderes ist als die allgemeine Vorratsdatenspeicherung. Es wäre schön, wenn auch der Justizminister sich diesem Lernprozess nicht länger verschließt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Konstantin Kuhle [FDP]: Doch!)
Es täte der Sache auch gut, wenn die Ampelfraktionen sich nicht reflexartig in Kampfrhetorik gegen eine vermeintliche Vorratsdatenspeicherung ergingen,
(Konstantin Kuhle [FDP]: Aus gutem Grund!)
sondern sich dem Antrag in der Sache widmeten.
Ich fordere daher die linke Seite dieses Hauses auf: Helfen Sie den Kindern, die leider auch genau in diesem Moment, während wir hier heute Morgen debattieren, missbraucht und dabei aufgenommen werden! Für uns als Gesetzgeber ist es nur eine kleine Rechtsänderung; für viele Kinder kann es die Rettung aus unvorstellbarer Pein sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Sebastian Fiedler.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537774 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Kinderschutz vor Datenschutz |