24.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 45 / Zusatzpunkt 9

Alexander ThromCDU/CSU - Kinderschutz vor Datenschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns alle einig, dass Straftaten im Bereich Kinderpornografie und Kindesmissbrauch zu den widerwärtigsten Taten zählen, die es gibt. Das höre ich von allen meinen Vorrednern. Wenn es aber konkret wird, etwa bei der Speicherung von IP‑Adressen, dann verweigert sich die komplette Ampel. Das ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Fiedler [SPD]: Sie haben nicht zugehört! – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist, als hätten Sie nicht zugehört!)

Das fehlende Interesse der Ampelkoalition zeigt sich auch dadurch, dass keiner der betroffenen Minister hier anwesend ist, weder die Familienministerin noch die Innenministerin noch der Justizminister, und alle unentschuldigt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sehr bedauerlich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, Sie haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag selbst Fesseln angelegt, indem Sie sich auf die anlassbezogene Speicherung bzw. das Quick-Freeze-Verfahren beschränken. Alle Fachleute, auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter, Herr Kollege Fiedler, sagen uns, dass das Quick-Freeze-Verfahren keinesfalls ausreichend ist, um die Täter tatsächlich zu erwischen und vor allem zukünftige Taten zu verhindern.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: So ist es!)

Wenn Sie bei diesem Standpunkt bleiben, dann schützen Sie die Schwächsten in unserer Gesellschaft nicht. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, lassen sie im Stich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Das ist nicht wahr! -Sebastian Fiedler [SPD]: Das müssen Sie noch mal nachlesen! – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So eine Polemik!)

Erfreulicherweise hat das – ich habe es begrüßt – die Innenministerin erkannt, und zwar nach einem Besuch des BKA in Wiesbaden Ende Mai. Die dortigen Ermittler haben ihr die Situation dargestellt, und Präsident Münch hat sie aufgefordert, wie er es schon seit langer Zeit tut, Möglichkeiten zu schaffen, die IP‑Adressen speichern und auswerten zu dürfen,

(Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Rechtsstaat vergessen!)

und zwar mindestens sechs Monate rückwirkend.

(Sebastian Fiedler [SPD]: Haben Sie mir gerade zugehört?)

– Ich komme gleich auf Sie zurück, Herr Kollege Fiedler.

In diesem Bereich ist die Ministerin weiter als die Ampel. Denn die Ampel, Herr Kollege Kuhle, bleibt mit dem, was Sie gesagt haben und was im Koalitionsvertrag steht, hinter den Möglichkeiten zurück, die der EuGH uns gewährt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der EuGH ist nun wirklich nicht bekannt dafür, dass er mit dem Datenschutzrecht lax umgeht oder Grundrechte missachtet. Erst im April dieses Jahres hat er in einem Urteil zu einem Fall aus Irland erklärt, dass bei schwersten Straftaten – und das sind doch wohl Kindesmissbrauch und Kinderpornografie – die Speicherung, auch die rückwirkende Speicherung von IP‑Adressen zulässig ist. Er sieht nämlich in der Speicherung von IP‑Adressen einen geringeren Grundrechtseingriff und deswegen einen geringeren Schutzbedarf.

Aber der selbsternannte Freiheitskämpfer Justizminister Buschmann,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Guter Mann!)

insbesondere die FDP

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Gute Partei!)

und auch die Grünen sitzen hier schon seit Jahr und Tag im Bremserhäuschen,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht wahr! Wir haben immer gute Vorschläge gemacht!)

aber – Herr Kollege Fiedler, ich komme auf Sie zurück – auch die SPD. Zu dem Vorwurf „Warum haben Sie das nicht schon lange gemacht?“: Wir haben bereits 2020, bei der Verabschiedung des letzten Gesetzespakets zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch, genau diesen Vorschlag, den wir heute singulär einbringen, der damaligen Justizministerin Lambrecht unterbreitet, die ihn für die SPD abgelehnt hat. Wir hätten das schon in der letzten Koalition umsetzen können, wenn die SPD mitgemacht hätte. Herr Kollege Fiedler, jetzt ist es an Ihnen, gemeinsam mit der Innenministerin endlich für Vernunft in dieser Koalition zu sorgen und die Speicherung von IP‑Adressen zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht anlasslos!)

Ein letztes Wort insbesondere an die Kollegen der FDP. Herr Kollege Kuhle, wir hatten uns schon in den Haushaltsberatungen bei einer Zwischenfrage von mir über das Thema ausgetauscht. Ich fand es schon bemerkenswert, dass Sie auf die Frage, ob man IP‑Adressen rückwirkend speichern können soll, mit einem einzigen Wort geantwortet und Nein gesagt haben.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist doch mal eine klare Ansage! Sie haben ja gefragt: Ja oder nein?)

– Jawoll. – Aber ich fand es bemerkenswert, dass Sie noch nicht einmal darüber nachgedacht, das reflektiert haben, sondern nur auf die Vergangenheit, auf die letzten Regierungsjahre eingegangen sind.

(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat eine Position!)

Das finde ich nicht verantwortungsbewusst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich lese Ihnen den Text vor, den Sie vor einem Jahr ins Grundgesetz schreiben wollten: Jedes Kind hat das Recht auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit. – Ja, das hat es. Aber Missbrauch macht das weitestgehend unmöglich. Die körperlichen und seelischen Schäden sind so schlimm, dass die Kinder ein Leben lang darunter leiden. Sie lassen diese Kinder, die Schwächsten in unserer Gesellschaft, im Stich,

(Beifall bei der CDU/CSU – Konstantin Kuhle [FDP]: 92,3 Prozent Aufklärungsquote!)

wenn Sie aus ideologischen Gründen, die Möglichkeiten, die der EuGH uns, auch Ihnen gewährt, nicht nutzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jens Zimmermann [SPD]: 16 Jahre! Wir könnten schon viel weiter sein! Jedes Mal das Gleiche mit euch, jedes Mal! – Gegenruf der Abg. Nina Warken [CDU/CSU]: Wegen euch sind wir ja nicht weiter! Ihr seid die Bremser! Könnt ihr jetzt alles machen, was ihr ausgebremst habt!)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anna Kassautzki, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537780
Wahlperiode 20
Sitzung 45
Tagesordnungspunkt Kinderschutz vor Datenschutz
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