Christoph de VriesCDU/CSU - Kinderschutz vor Datenschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe erst jetzt im Mai an einer Fachtagung zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch im Internet“ teilgenommen. Dort waren alle Fachleute vertreten, und was sie dort über die Art und Weise des sexuellen Missbrauchs an Kindern berichtet haben, ist so unvorstellbar, dass es einem fast die Sprache verschlägt; einige haben das heute schon gesagt. Das jüngste Kind, das live im Netz, wo Tausende zuschauen, missbraucht wurde, war noch nicht einmal einen Monat alt – einen Monat, liebe Kolleginnen und Kollegen! –, und die Täter konnten bis heute nicht gefasst werden.
Das ist kein Einzelfall. Laut IJM sind während der Coronapandemie die Uploadzahlen noch einmal um 200 Prozent gestiegen. Allein Europol verfügte im Jahr 2020 über 51 Millionen Bilder, Filme und Texte. Während wir hier sitzen und dieses Thema diskutieren, werden weltweit über 200 Bilder und Videos pro Stunde hochgeladen. Die Verbreitung dieses widerlichen Materials findet immer rasanter statt.
Und immer häufiger kommen Täter ungeschoren davon. Es ist angesprochen worden – ich hatte die Bundesregierung gefragt –: 19 150 Hinweise konnten nicht verfolgt werden, weil es in Deutschland keine Pflicht der Provider zur Speicherung von Verkehrsdaten gibt. Um das einmal ganz deutlich zu sagen: Alle Fachleute in den Landeskriminalämtern, im Bundeskriminalamt, in den Kinderschutzorganisationen fordern unisono eine allgemeine, zeitlich begrenzte Speicherung der IP‑Adressen.
(Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)
Und wir als Union fordern das deshalb auch, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist ganz klar: Es gibt kein besseres, schnelleres und effektiveres Mittel zur Ermittlung der Täter. Weil das so ist und weil der Bundesjustizminister an dieser Stelle immer auf der Bremse steht, will ich Sie auch einmal ganz persönlich fragen: Wollen Sie wirklich weiterhin in Kauf nehmen, dass Tausende Kinder sexuell missbraucht werden und die Täter weiterhin nicht ermittelt werden können?
(Benjamin Strasser [FDP]: Kein Argument zu blöd! – Gegenruf des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Ich will Ihnen auch diese Frage stellen: Ist Ihnen der Datenschutz denn wirklich so heilig, dass er an dieser Stelle – nicht allgemein, aber an dieser Stelle – die Täter mehr schützen soll als die Opfer?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und ich will Ihnen eine dritte Frage stellen: Wollen Sie als Justizminister unsere Ermittlungsbehörden eigentlich bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützen, oder wollen Sie sie weiter dabei behindern?
Das sind nicht meine Fragen, das sind die Fragen, die der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe in einer Pressemitteilung am 20. Juni sinngemäß aufgeworfen hat. Und wir stellen uns diese Fragen eben auch, Herr Minister. Ich frage mich: Wie empathielos muss man eigentlich sein, um liberale Prinzipienreiterei bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch über den Kinderschutz zu stellen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unverschämt! – Zuruf des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])
Wir reden doch hier nicht über eine Steckdosenverordnung der EU oder Ähnliches. Ich sage Ihnen: Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das stimmt! Dafür haben Sie wirklich kein Verständnis!)
Und ich habe auch kein Verständnis dafür, dass immer wieder der Eindruck erweckt wird, mit einer befristeten Speicherung von IP‑Adressen und einer Herausgabe auf richterlichen Beschluss hin
(Konstantin Kuhle [FDP]: Null Verständnis!)
wäre hier staatlichem Datenzugriff Tür und Tor geöffnet. Das ist einfach Unsinn, meine Damen und Herren, und es ist falsch, dass hier immer wieder dieser Eindruck erweckt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Wir richten unseren hoffnungsvollen Blick hier auf Innenministerin Faeser, die sich für die Speicherpflicht ausgesprochen hat. Herr Fiedler, ich kann nur sagen: Unterstützen Sie sie! Bleiben Sie an dieser Stelle mal standhaft und wehrhaft gegen FDP und Grüne! Sie würden dem Kinderschutz in Deutschland wirklich einen großen Dienst erweisen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich will jetzt einfach nur geschäftsleitend darauf hinweisen, dass meiner Bitte, zum Schluss zu kommen, von den nächsten Rednern Folge zu leisten ist, sonst werde ich ihnen das Wort entziehen. Das ist diesmal gnädigerweise von mir nicht vollzogen worden; aber es macht keinen Sinn, die Redezeit regelmäßig um 10 Prozent zu überziehen.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Carmen Wegge, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537785 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Kinderschutz vor Datenschutz |