24.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 45 / Tagesordnungspunkt 31

Oliver Luksic - Fahrpersonalmangel in der Verkehrswirtschaft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Logistikketten sind in Deutschland in der Tat aus verschiedenen Gründen, die eben erörtert wurden, angespannt. Aber sie halten.

Es ist gut, dass wir über dieses Thema heute diskutieren. Es gibt ja nicht nur einen Mangel im Straßengüterverkehr, sondern auch auf der Schiene, auch bei der Binnenschifffahrt beispielsweise; deswegen hat diese Koalition ihn auch im Koalitionsvertrag adressiert. Wir haben eine Arbeitsgruppe innerhalb der Bundesregierung, und wir brauchen hier vor allem einen Dreiklang. Wir müssen – und das war bisher noch gar kein Thema – neben den Gesetzen auch auf Technik, auf Automatisierung, Digitalisierung, autonomes Fahren, aber vor allem auch auf Einwanderung setzen. Wir brauchen gezielte Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt. Da ist in den letzten Jahren in Ihrer Regierungszeit zu wenig passiert. Da werden wir ganz neue Akzente setzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine Reihe an Themen – und da ist der Katalog in dem Antrag der Union noch nicht abschließend –, die wir angehen müssen. Viele sind in Federführung beim BMAS, beim BMI, teilweise beim AA, auch bei der Industrie- und Handelskammer – Stichwort „Anerkennung von Abschlüssen“ –, bei den Bundesländern. Das ist also ein breiter Katalog, den wir angehen wollen.

Auf einige Themen möchte ich kurz eingehen. Dabei muss ein Aspekt, der eben schon genannt wurde, zunächst herausgestellt werden: Das Entscheidende sind ja nicht die Gesetze; das Entscheidende ist doch, dass der Beruf attraktiv wird. Deswegen brauchen wir zum einen angemessene Löhne – wenn wir schauen, was teilweise in den USA für Fernfahrer gezahlt wird, merken wir: da ist es noch ein weiter Spagat –

(Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])

und zum anderen bessere Arbeitsbedingungen; das wurde eben zu Recht angesprochen. Und da – das sage ich auch als Liberaler – muss auch der Mittelstand dafür sorgen, dass wir bei den Speditionen beispielsweise angemessene Aufenthaltsräume haben, dass die Fahrer an der Rampe ordentlich behandelt werden, dass es aber auch – und das ist auch ein Unterschied zu früher – gesellschaftliche Akzeptanz und Anerkennung gibt. Früher war der Fernfahrer mal der König der Landstraße. Wenn man schaut, wie sie an den Raststätten heute behandelt werden: Da fehlt es an gesellschaftlicher Akzeptanz und Wertschätzung.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in unserem Haus bereits einige Maßnahmen im wichtigen Feld der Aus- und Weiterbildung ergriffen; dabei stimmen wir uns eng mit dem Gewerbe ab und entwickeln die vorhandenen Programme immer weiter. Es wird sich jetzt vieles neu auf Digitalisierung fokussieren. Wir werden natürlich auch – es wurde eben von den Kollegen angesprochen – die Arbeitsbedingungen besser kontrollieren. Durch das Mobilitätspaket wird sich hier jetzt einiges ändern. Das BAG bekommt mehr Stellen, vor allem auch bessere Technik, um die Durchsetzung von Kontrollen zu verbessern. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt.

Wir müssen – es wurde eben auch genannt – sowohl im Unterricht als auch bei der Abnahme von Prüfungen stärker auf andere Fremdsprachen setzen. Dazu sind wir bereits mit den Ländern in Kontakt, die dabei auch eine Rolle spielen. Auch das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den wir angehen müssen.

Und nicht zu vergessen ist das Thema der Raststätten an den Autobahnen. Wir werden hier von 2021 bis 2025 700 Millionen Euro investieren. Wir bauen also aus; aber wir brauchen auch mehr Qualität. Deswegen brauchen wir mehr Digitalisierung, um beispielsweise den Parksuchverkehr einzuschränken. Ich glaube, auch das ist ein neuer, wichtiger Ansatz dieser Koalition.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Bitte schön.

Vielen Dank. – Sie reden jetzt von Digitalisierung, Digitalisierung. Wie erklären Sie uns hier und den Leuten auf der Tribüne, wie Sie einen Bierkasten durch die digitale Leitung kriegen, wie Sie Waren durch die digitale Leitung kriegen?

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! – Weiterer Zuruf: Peinlich!)

Nennen Sie mal richtige, konkrete Beispiele, was Digitalisierung in dieser Wirtschaft ausmacht! Und die zweite Frage: Wann waren Sie das letzte Mal auf einem Verkehrshof oder bei einem Spediteur mittelständischer Art?

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schande für Sachsen!)

Lieber Herr Kollege, ich bin mir sicher: Ich bin dort sehr viel öfter als Sie. Ich war noch vor zwei Wochen im Saarland bei einem großen Spediteur. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Zur Digitalisierung. Auch wenn Sie es vielleicht nicht wissen: MAN wird jetzt zum Beispiel durch unser neues Gesetz und die sich daran anschließende Verordnung Hub-to-Hub-Verkehre fahrerlos machen können. Digitalisierung spielt auch eine große Rolle in der Lagerlogistik. Schauen Sie sich mal bei großen Speditions- und Logistikunternehmen an, wie viel dort digital gemacht werden kann, wenn das Fahrzeug an der Rampe steht. Auch hier gibt es große Fortschritte. Deswegen stehe ich dazu: Digitalisierung ist ein Teil der Lösung, ein wichtiger Teil. Wir setzen darauf, dass wir den Fachkräftemangel dadurch auch ein Stück weit überwinden können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])

Ein anderer besonders wichtiger Aspekt ist natürlich, dass wir im Ausland Fachkräfte anwerben. Es wird nicht anders gehen. Das ist die Wahrheit.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es! Ganz genau!)

Deswegen müssen wir hier die Möglichkeiten nutzen. § 24a Beschäftigungsverordnung ist dabei einer der Aspekte. Dazu sind wir zum Beispiel in enger Abstimmung mit den Kollegen aus dem BMAS, aber auch aus dem BMI.

Das, was wir schon gemacht haben – das ging hier etwas durcheinander –, sind zwei Aspekte. Das eine betrifft das Berufskraftfahrerqualifikationsrecht. Das basiert auf europarechtlichen Regelungen; das können wir gar nicht national lösen. In Ihrem Antrag ist das etwas unsauber. Das andere und viel Wichtigere ist die Frage: Was können wir mit Drittstaaten machen? Denn das Führerscheinrecht gilt für die EU; da können wir nicht unilateral entscheiden. Aber mit Drittstaaten können wir Abkommen schließen; deswegen haben wir das mit der Republik Kosovo, der Republik Moldau, auch mit Albanien gemacht. Weitere Abkommen sind gerade in Arbeit, um den Menschen mit Führerschein in diesen Ländern erlauben zu können, hier zu arbeiten, sich zu bewegen. Das ist gelebte Integration. Es hilft auch dabei, dass die Menschen, die wir hier brauchen, zu uns kommen und sich gut integrieren können.

(Beifall bei der FDP)

In Bezug auf die Ukraine wird es ein solches Abkommen für die gesamte EU geben. Es ist natürlich noch besser, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: einen Beitrag zur Integration in Deutschland zu leisten, aber eben auch dafür zu sorgen, dass die Menschen, die zu uns kommen, hier arbeiten können und damit den Fachkräftemangel lindern helfen.

Sie sehen: Wir haben eine Reihe von Maßnahmen. Wir müssen verhindern, dass Regale oder Lagerhallen leer stehen. Deswegen brauchen wir diesen Dreiklang aus Technik, Einwanderung und Bürokratieabbau. Das gehen wir zusammen an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält das Wort Martina Englhardt-Kopf.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537836
Wahlperiode 20
Sitzung 45
Tagesordnungspunkt Fahrpersonalmangel in der Verkehrswirtschaft
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