06.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt 4

Sandra Bubendorfer-LichtFDP - Bevölkerungsschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Unionsfraktion stellt im Grunde ein Zeugnis dar – ein Zeugnis der eigenen Versäumnisse in 16 Jahren innenpolitischer Verantwortung in diesem Land.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Susanne Mittag [SPD])

All diese Punkte hätten wir uns gerne schon früher gewünscht und auf den Weg gebracht gesehen. Man hätte womöglich viel Schaden abwenden können.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wo waren denn die Anträge der FDP?)

Denn Fakt ist nun mal: Der Bevölkerungsschutz wurde in den letzten 30 Jahren leider konsequent zurückgebaut. Den Katastrophenschutz stemmt eine ehrenamtliche Basis, der wir nicht genug für ihr Engagement danken können und ohne die wir verloren wären. Der Zivilschutz ist im Grunde nicht existent und muss nun, parallel zur Bundeswehr, ebenfalls Schritt für Schritt und mit den möglichen finanziellen Mitteln und Reformen dringend ausgebaut werden.

Ich bin wirklich froh, dass wir nun endlich in den fachlichen Dialog treten und nun auch Sie moderne Warnsysteme fordern, wie zum Beispiel Cell Broadcast, dessen Einführung bereits seit Anfang 2020 Fraktionsbeschluss der Freien Demokraten ist.

(Beifall bei der FDP)

Während Ihrer Regierungszeit konnte man dieses Thema im Innenausschuss jedoch ansprechen, wie man wollte: Gehör oder Aufmerksamkeit seitens Herrn Seehofer – vergebens.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Na ja! Das ist unverschämt! Absolut unverschämt! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: Stimmt doch! Absolut richtig!)

Es sei zu teuer, technisch nicht möglich und nicht umsetzbar. Erst die dramatische Flutkatastrophe im letzten Sommer hat ein Umdenken bewirkt.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist wirklich Unsinn!)

Es wurde höchste Zeit, dass in diesem Land ein Politikwechsel Einzug hält, der sich dem Fortschritt verschrieben hat,

(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Da klatscht nicht mal die Ampel!)

eine Politik, die nicht versucht, das föderale Kirchturmdenken weiter zu befeuern,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ich kann mich nicht erinnern an die FDP als Befürworterin eines starken Zivil- und Katastrophenschutzes in den letzten Jahren!)

sondern die nach pragmatischen und zukunftsorientierten Lösungen im Bevölkerungsschutz sucht. Hier packt die Fortschrittskoalition an.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Hat ein bisschen was Autosuggestives!)

Wir haben das BBK im Haushalt mit 280 Millionen Euro und noch mal mit 50 Millionen Euro im Ergänzungshaushalt gestärkt und neue Stellen geschaffen. Dieses Bundesamt muss unbedingt mehr Zugkraft und Strahlkraft erhalten

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Dann mal zu!)

und eine Zentralstellenfunktion bekommen. Viel zu lange war es ein zahnloser Tiger.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus haben wir das THW finanziell und auch materiell gestärkt und ein Einsatznachsorgezentrum aufgestellt, in dem Einsatzkräfte Erlebnisse, wie zum Beispiel die Flutkatastrophe im Ahrtal, besser verarbeiten können. Wir haben das nun gestartete Gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern endlich arbeitsfähig gemacht, indem nun die Drähte der einzelnen Ebenen und Akteure zusammenlaufen. Dieses Zentrum kann aber erst der Anfang sein. Darauf dürfen wir uns nicht ausruhen; das haben nämlich viel zu lange andere gemacht.

(Manuel Höferlin [FDP]: Stimmt!)

Hierbei darf es aber auch nicht nur bei Versprechungen und einem Goodwill in der föderalen Zusammenarbeit mit den Ländern bleiben. Wir als Freie Demokraten würden uns klarere rechtliche Regelungen und Grundlagen wünschen, die den Herausforderungen der Zeit gerecht werden.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Was heißt das konkret? – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja, genau! Was heißt denn das konkret? – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: Strukturreform!)

Und dabei geht es nicht darum, jemand etwas wegzunehmen oder ihn in seinen Kompetenzen zu beschneiden, sondern es geht darum, Jahrhundertkatastrophen mit allen verfügbaren Ressourcen und Kräften koordiniert zu bewältigen.

Ausgehend von solchen Katastrophen, die uns klimabedingt leider häufiger ereilen werden, müssen wir den Bevölkerungsschutz in der Zukunft aufstellen. Wichtig ist aber auch, die gesamte Thematik des Zivil- und Katastrophenschutzes viel umfassender zu denken. Das wurde auch in der Anhörung im Innenausschuss am Montag deutlich. Wir brauchen zum Beispiel eine Transferstelle zwischen wissenschaftlichen Daten und Auswertungen und der praktischen Umsetzung im Bevölkerungsschutz. Solche evidenzbasierten Untersuchungen sind unerlässlich, gerade für die Krisenstäbe und auch die Entscheider vor Ort. Mit meteorologischen und geologischen Einzeldaten lassen sich kommende Gefahren besser abschätzen und berechnen, wenn diese, gepaart mit vielen weiteren wichtigen Daten, in ein Gesamtlagebild gepackt werden. Sie helfen, besser auf Katastrophen und komplexe Lagen vorbereitet zu sein und dann auch entsprechend handeln zu können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich bin frohen Mutes, dass wir hoffentlich gemeinsam und zum Wohle der Menschen in unserem Land den Bevölkerungsschutz ernst nehmen und neu denken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bubendorfer-Licht. – Als nächster Redner erhält das Wort der fraktionslose Kollege Stefan Seidler, Südschleswigscher Wählerverband.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Petra Nicolaisen [CDU/CSU] und Thomas Lutze [DIE LINKE])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537988
Wahlperiode 20
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Bevölkerungsschutz
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