06.07.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 46 / Zusatzpunkt 3

Tina RudolphSPD - Impfnebenwirkungen

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Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank für die vier Minuten; ich werde sie nutzen.

Viele Kolleginnen und Kollegen haben schon viel über Evidenz, Korrelation und Kausalitäten, also darüber geredet, wie wissenschaftliche Erkenntnisse zustande kommen. Trotz des Abzugs von einer Minute werde ich den Versuch wagen, einen historischen Exkurs zu unternehmen, um das an einem anderen Beispiel noch mal ein bisschen plastischer zu machen.

Und zwar möchte ich Sie gerne mitnehmen in die Debatte der 70er-Jahre, als die Gurtpflicht diskutiert wurde, eine Debatte, die man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann, weil es einfach evident ist, das heißt, wissenschaftlich belegt ist, dass ein Sicherheitsgurt im Auto sehr viel mehr schützt, als keinen Sicherheitsgurt zu haben. Trotzdem muss man sich mal angucken, wie das damals in den 70ern diskutiert wurde.

Auch damals gab es natürlich die wenigen Fälle, die man auch belegen kann und nicht verschweigen sollte, in denen ein Sicherheitsgurt nicht geschützt hat, sondern in denen gerade der Sicherheitsgurt geschadet hat, weil man nicht aus dem Auto rauskam, wie das auch bei einem Airbag der Fall sein kann. Das sind Fälle, die man nicht unter den Tisch fallen lassen darf, und trotzdem war es damals falsch, das aufbauschen zu wollen, um zu suggerieren – das geschah in vielen Artikeln, und auch die Presse hat das teilweise gemacht –, dass das die Mehrheit der Fälle wäre, dass ein Sicherheitsgurt also eigentlich mehr schaden würde.

Die AfD versucht hier gerade genau das Gleiche bei den Coronaimpfungen. Ja, es gibt Nebenwirkungen, die man auch nicht verschweigen darf, aber die AfD versucht, zu suggerieren, dass es eine überwiegende Anzahl an Nebenwirkungen gibt, und das ist falsch. Das ist keine redliche wissenschaftliche Kommunikation. Dem müssen wir etwas entgegensetzen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Es ist die Frage: Wie entsteht wissenschaftliche Evidenz? Wie kommen wir also zu solchen Erkenntnissen? Na ja, man guckt sich immer zwei Gruppen an. Man guckt sich an, wie die Dinge in der Gruppe aussehen, die es betrifft – in dem Fall also die Leute, die geimpft wurden –, und wie es mit den Nebenwirkungen in der Vergleichsgruppe aussieht. Dann muss man gucken, ob da tatsächlich ein Effekt zu beobachten ist. Man kann nicht einfach nur die erste Gruppe betrachten. – Und all das passiert.

Wenn man Nebenwirkungen bei einer Coronaimpfung feststellt, dann gibt es sogar die Verpflichtung, das zu melden. Es ist sogar möglich – das haben Kolleginnen und Kollegen hier auch ausgeführt –, dass das jede einzelne Privatperson oder die Angehörigen über das Paul-Ehrlich-Institut machen. Das ist nicht versteckt, sondern es gibt das Portal, auf dem man das melden kann. Das kann man per Post, per Telefon, auf alle erdenklichen Wege machen. Man kann hier also nicht konstatieren – das ist genau das, was Sie hier versuchen –, dass es ein wirkliches Hindernis dafür gibt, diese Meldung vorzunehmen. Das stimmt nicht. Es haben viele Kolleginnen und Kollegen gesagt, dass das möglich ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Also: Wir haben hier kein Defizit der Erfassung und deswegen auch kein politisches Regelungsproblem.

Ich würde die restliche Zeit gerne trotzdem nutzen. Viele Kolleginnen und Kollegen haben ja auch schon auf das Meldeportal verwiesen: Was passiert denn mit den Daten danach? Danach macht das Paul-Ehrlich-Institut Folgendes: Es verfasst einen Sicherheitsbericht. Eigentlich hätten Sie das in Vorbereitung auf Ihren Antrag lesen müssen, haben Sie anscheinend nicht gemacht. Ich habe das, wie viele Kolleginnen und Kollegen, heute noch mal gemacht. Das nennt man dann parlamentarische Serviceleistung, glaube ich.

(Heiterkeit der Abg. Heike Baehrens [SPD])

Ich kann auf jeden Fall noch einen kleinen Lesetipp anschließen: Auf Seite 23 zum Beispiel finden Sie die Einschätzung, wie schwerwiegende Nebenwirkungen im Sinne der Coronaimpfstoffe definiert werden, und die Information, dass man da eine andere Definition nimmt, gerade weil man besonders vorsichtig ist im Vergleich zu früheren Impfstoffen, und schon allein deswegen die Zahlen nicht vergleichbar sind. Aber auch hier ist wieder nicht das Problem, dass diese Informationen nicht da sind, sondern einfach, dass Sie sich nicht die Mühe machen, diese Informationen zu suchen und zu finden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Das heißt aber nicht, dass man behaupten darf, dass diese Informationen nicht existieren. Also: Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts auf Seite 23, einfach fürs nächste Mal.

(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

Jetzt der Querverweis – den würde ich einfach noch mal machen, auch wenn das viele Kolleginnen und Kollegen schon gemacht haben –:

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie müssen etwas langsamer sprechen! Sonst kommen die Stenografen nicht hinterher!)

Warum ist das Ganze nicht mit den Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vergleichbar? Weil da eben alle Fälle eingegangen sind wie die, dass jemand nach der Impfung beim Arzt war, also auch, dass man zwei Tage lang krank war und sich eben nicht so gut gefühlt hat, was nach einer Impfung durchaus passieren kann und was nicht zu vergleichen ist mit wirklich schwerwiegenden Nebenwirkungen. Bei diesen schwerwiegenden Nebenwirkungen führt man eben genau diese Observed-versus-Expected-Analyse durch, also man guckt: Was würde in der Normalbevölkerung passieren, und was tritt in dieser Gruppe auf? Da sieht man nur für wenige Vorkommnisse, wie zum Beispiel die Lungenembolie, dass es tatsächlich ein gesteigertes Risiko gibt, und das wird transparent ausgewiesen.

(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Genau!)

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir haben kein Regelungsproblem. Es gibt nicht das Problem, dass Nebenwirkungen nicht erfasst werden können. Vielmehr kann das jede Privatperson melden; da gibt es überhaupt kein Problem. Wir sollten einfach dazu kommen, dass wir wissenschaftlich seriös kommunizieren. Dass wir uns natürlich auch über Risiken austauschen müssen und dass man wahrscheinlich dazu übergehen muss, dass man über solche Sachen, über medizinisches Wissen und Erkenntnisse insgesamt besser kommuniziert, das machen wir gerne. Aber es ist kein politisches Regelungsproblem. Hören Sie auf, so zu tun und es zu einem solchen zu machen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Rudolph. – Ich bin ja schon schnell, aber Sie schlagen mich um Längen. Ich glaube, die Rede muss ich noch mal nachlesen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Simone Borchardt, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7538017
Wahlperiode 20
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Impfnebenwirkungen
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